Deutscher Gewerkschaftsbund

17.09.2012
Drei Fragen an ...

Öffentlicher Dienst: Fachkräfte sichern

In den letzten Jahren haben Bund und Länder bereits massiv Personal gekürzt. Nun könnte es dem öffentlichen Dienst bald an Fachkräften mangeln, denn zehntausende Beschäftigte gehen demnächst in Pension und Rente. Karsten Schneider, Leiter der Beamtenabteilung beim DGB, fordert in unserem Interview einen Strategiewechsel in der Personalpolitik.

In den vergangenen Jahren haben Bund und Länder massiv Personal gekürzt. Allein die Zahl der Bundesbediensteten sank seit 1991 um 200.000 oder rund ein Drittel, in Ländern und Kommunen verlief die Entwicklung ähnlich. Mit fatalen Folgen: Den Finanzämtern gehen Millioneneinnahmen verloren, weil es an Finanzbeamten fehlt, bei Feuerwehr und Polizei türmen sich die Überstunden. Doch es könnte noch schlimmer kommen, denn rund 140.000 erfahrene Beschäftigte scheiden allein auf Bundesebene in den nächsten 15 Jahren aus dem aktiven Dienst aus. Nun scheint der Bund auf diese Herausforderung zu reagieren, denn dort fürchtet man einen Mangel an Fachbeamten. Es sind sogar zusätzliche Stellen geplant. Der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, meint Karsten Schneider, Leiter der Beamtenabteilung beim DGB. In unserem Interview fordert er einen Strategiewechsel in der Personalpolitik des öffentlichen Dienstes.

dgb.de: Nach 20 Jahre Kürzungen im öffentlichen Dienst gehen der öffentlichen Hand allmählich die Fachbeamten aus. Welche Strategien haben Bund, Länder und Gemeinden gegen den drohenden Fachkräftemangel?

Karsten Schneider: Die Bundesregierung hat Maßnahmen ergriffen, um Beschäftigte mit besonderen Qualifikationen an den Bund zu binden. Beispielsweise können diese besser besoldet werden, erhalten also mehr Geld. Die pauschalen Stellenkürzungen wurden mittlerweile zurückgenommen – auch aufgrund der heftigen Kritik der Gewerkschaften. Weil aber in den nächsten 15 Jahren rund 140.000 Beschäftigte in Pension oder Rente gehen, reichen diese Maßnahmen bei weitem nicht aus. Wenn die öffentliche Hand im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft Fachkräfte an sich binden will, muss sie umgehend neue Stellen schaffen. Nur so können Bund, Länder und Gemeinden den absehbaren Verlust an Fachwissen durch die demografische Entwicklung wenigstens teilweise ausgleichen. Was aber macht die Bundesregierung? Sie schafft Regelungen, mit denen sie vor allem den Bundesländern Konkurrenz macht.

Mit der so bezeichneten Demografiestrategie der Bundesregierung wird das ganze Ausmaß des Politikversagens deutlich. Schwarzgelb kündigt weitere Haushaltskürzungen an, vermeintlich um künftige Generationen zu entlasten, und lobt einzelne Maßnahmen der Organisationsreform und des Technikeinsatzes, die bereits umgesetzt werden. Den Namen Strategie verdient das nicht und es ist keine Antwort auf die demografische Herausforderung.

Wie müsste denn eine wirkungsvolle Demografiestrategie für den öffentlichen Dienst aussehen?

Wie gesagt: es müssen sofort Stellen geschaffen werden. Was wir brauchen, ist eine gründliche Bestands- und Bedarfsanalyse. Nur so können wir überhaupt entscheiden, wie viele Beschäftigte der öffentliche Dienst überhaupt benötigt: Wir müssen fragen, welchen Bedarf wir künftig an öffentlichen Dienstleistungen haben, welches Fachpersonal mit welchen Qualifikationen dafür erforderlich ist und wer in den kommenden Jahren aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet.

Wir dürfen nicht – wie die Bundesregierung es tut – über Einsparpolitik reden, sondern müssen darüber sprechen, welche öffentlichen Dienstleistungen notwendig sind. Auch um unsere Wirtschaft zukunftsfähig aufzustellen.

Was sind die Folgen, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird?

Auf die Länder kommen noch ganz andere Probleme zu als auf den Bund. Dort droht ein Mangel an LehrerInnen und PolizistInnen, die Funktionsfähigkeit der Kommunen ist massiv bedroht. Neben diesen Folgen für die öffentlichen Dienstleistungen und die öffentliche Sicherheit kann es sogar noch schlimmer kommen. In den vergangenen Jahren wurde ohne Bedarfsanalyse vor allem beim Personal gekürzt. Das Leistungsversprechen an BürgerInnen wurde aber beibehalten. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes müssen also mehr und länger arbeiten, die Arbeit wurde massiv verdichtet. Eine Folge ist der gestiegene Krankenstand. Die öffentliche Hand hat auf diese Probleme bislang keine Antwort. So wird etwa kein Gesundheitsmanagement betrieben, das diesen Namen verdient hätte. Und das liegt wiederum insbesondere daran, dass keine finanziellen Ressourcen mobilisiert werden, sondern über allem das Spardiktat schwebt.

Die Demografiestrategie der Bundesregierung wird aber erfolglos bleiben, so lange in den öffentlichen Dienst nicht investiert wird. Genau das schließt die Bundesregierung aus. In der gegenwärtigen Form kann man also nur von einer kosmetischen Maßnahme im Zuge des beginnenden Wahlkampfs reden.

Hinweis: Die Demografiestrategie für den Öffentlichen Dienst ist der Schwerpunkt der kommenden Ausgabe des Magazins für Beamtinnen und Beamte. Es erscheint am 20. September und kann online bestellt werden.


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