Eine kluge Industrie- und Dienstleistungspolitik baut auf die Stärken, die die deutsche Wirtschaft hat. Diese liegen nicht darin, Arbeitskräfte zu heuern und zu feuern oder einfache Waren und Dienstleistungen billig anzubieten. Im Gegenteil: stark ist die deutsche Volkswirtschaft, wo sie hochwertige Angebote macht, die auf moderner Technologie, organisatorischem und sozialem Know-how beruhen und dadurch ihren Preis rechtfertigen. Gut qualifizierte und hoch motivierte Beschäftigte sind die Grundlage, ohne die gute Qualität nicht denkbar ist. Ihre Einbeziehung durch Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft gehört zu den großen Vorzügen des deutschen Modells.
DGB/Simone M. Neumann
Dies muss auch das Leitbild der Politik der künftigen Bundesregierung in Bezug auf Industrie und Dienstleistungen sein. Um weiterhin auf hohe Qualität zu setzen, braucht die deutsche Wirtschaft Innovationen und Investitionen in Anlagen, Infrastruktur und Qualifizierung und eine starke Beteiligung der Beschäftigten.
Dies gilt umso mehr als sich die deutsche Volkswirtschaft durch mehrere Prozesse in einem tiefen Strukturwandel befindet. Dieser Strukturwandel ist zum einen die politisch angestoßene Energiewende und die notwendige ökologische Modernisierung der Wertschöpfung. Zugleich verläuft marktgetrieben und äußerst dynamisch der Prozess der Digitalisierung, der die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft erfasst. Diese Prozesse des Strukturwandels können und müssen sozial und beteiligungsorientiert gestaltet werden, damit sie im Ergebnis zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen führen.
Die angestrebte Dekarbonisierung der Volkswirtschaft wird nur dann ein Erfolg werden, wenn sie die Wertschöpfungsstrukturen in ihrer Gesamtheit einbezieht und nicht darauf setzt, Klimaziele dadurch zu erreichen, dass energieintensive Branchen in Länder mit niedrigen Umweltstandards vertrieben werden. Stattdessen muss es darum gehen, auch energieintensive Branchen zu erhalten, um sie ökologisch zu modernisieren.
Notwendig ist eine Steigerung sowohl der privaten als auch der öffentlichen Investitionen. Der Bedarf ist groß und inzwischen für alle offensichtlich: Verkehrswege und öffentliche Gebäude müssen besser instand gehalten werden. Damit auch in der Fläche mittelständische Unternehmen an der Digitalisierung teilnehmen können, muss die digitale Infrastruktur massiv ausgebaut werden. Der Ausbau der Breitbandnetze ist auch eine regionalpolitische Notwendigkeit. Der DGB fordert in diesem Bereich zusätzliche Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro.
Die Digitalisierung stellt uns auf unterschiedlichsten Ebenen vor Herausforderungen. Die Politik ist aufgerufen, einen Rechtsrahmen für die digitale Wirtschaft zu setzen, der dazu beiträgt, Gute Arbeit unter veränderten Bedingungen zu sichern. Dazu gehören Rahmenbedingungen zur Sicherung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei digitaler Arbeit, zur Begrenzung der Entgrenzung von Arbeit in Zeiten von Telearbeit und Home Office und zum Beschäftigten-Datenschutz. Die über digitale Plattformen angebotenen Leistungen müssen unter fairen Wettbewerbsbedingungen stehen und dürfen nicht zum Einfallstor für neue Formen prekärer Beschäftigung werden.
Die Forschungspolitik ist gefragt, Impulse zu setzen für eine richtige Ausrichtung der technologischen Entwicklung. Die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass sie zu guter Arbeit, sozialen Verbesserungen und zum ökologischen Umbau (z.B. durch höhere Energieeffizienz) beiträgt. Dabei dürfen sozialen Innovationen nicht auf der Strecke bleiben. Deshalb hat die amtierende Bundesregierung zur Stärkung der Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsforschung das Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ aufgelegt, bei dessen Umsetzung auch die Sozialpartner einbezogen werden. Dieses Programm muss fortgesetzt und ausgebaut werden.