Ende Juli begann in Berlin nicht nur für die SchülerInnen das neue Schuljahr, sondern auch für rund 3.000 neueingestellte LehrerInnen. Darunter 405 sogenannte QuereinsteigerInnen, also Lehrkräfte, die kein Lehramtsstudium absolvierten, sich aber durch das abgeschlossene Studium eines Mangelfachs als geeignet auszeichneten. Um eine erfolgreiche Nachqualifizierung derer zu gewährleisten, hat Berlin das Programm QuerBer entwickelt. Was das Programm leistet, erklärt uns Anja Herpell, Referatsleiterin Lehrkräftebildung in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, die zusammen mit ihrem Team das Programm erarbeitet hat.
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Der QuerBer hat gerade – mit einer von der Senatorin überreichten Torte! - seinen ersten Geburtstag gefeiert. Das Programm bietet unseren „QuerBeren“ frühzeitige Orientierung, Begleitung und Qualifizierung. Bereits vor Aufnahme der Unterrichtstätigkeit erhalten sie Inputveranstaltungen: Welche Rolle haben Sie als Lehrkraft? Was müssen Sie in den ersten Tagen an der Schule beachten? Welche Fettnäpfchen sollten Sie vermeiden? Welche Rechtsgrundlagen müssen Sie beachten? Anschließend wird allen TeilnehmerInnen eine individuelle Patin oder ein Pate an die Seite gestellt, die oder der sie im Unterricht besucht, berät und begleitet. Die Paten sind in der Regel pensionierte Lehrkräfte mit viel Schul- und Lebenserfahrung. Sie unterstützen, ermutigen, trösten und helfen, aus schwierigen Situationen im Schulalltag herauszufinden. Zusätzlich besuchen alle Fortbildungen, die sich an ihren Bedürfnissen orientieren. Inhaltlich geht es in erster Linie um Unterrichtsplanung, um Unterrichtsstörungen und um Classroom-Management. Nach dieser Phase der pädagogischen Kompetenzentwicklung beginnt die fachliche Qualifizierung. Die QuerBeren studieren ein weiteres Unterrichtsfach (im Grundschullehramt zwei weitere Fächer) in unserem landeseigenen Studienzentrum StEPS. Wenn die Studien erfolgreich absolviert wurden, schließt sich der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst an, der mit der Staatsprüfung endet. Insgesamt umfasst die berufsbegleitende Qualifizierung zwischen drei und viereinhalb Jahren.
Der Quereinstieg für die Lehrämter beinhaltet vor allem eine berufliche Entwicklungsperspektive. Wer den langen und nicht immer leichten Weg der Qualifizierung durchhält, verfügt nach Beendigung der Staatsprüfung über das jeweilige Lehramt und ist damit kein Quereinsteigender mehr. Das Land fördert einerseits das schulische Onboarding mit einer erheblichen Abminderung der Pflichtstundenzahl sowie der Zuweisung von zusätzlichen Mentorenstunden an die Schulen. Darüber hinaus werden jährlich rund 2,5 Millionen Euro für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden zum Beispiel für die Paten sowie für DozentInnen (häufig emeritiertes Universitätspersonal) verwendet. Gefordert wird von den Quereinsteigenden - neben den ohnehin für alle Lehrkräfte geltenden Tugenden - in erster Linie Offenheit und Durchhaltevermögen. Nur wer offen ist für den schulischen Alltag, das bürokratische System, für Sorgen und Anliegen der SchülerInnen und Eltern und für kritische Rückmeldungen der AusbilderInnen, hat eine Chance, das Ziel Lehramt auch zu erreichen. Und Durchhaltevermögen sowie auch Resilienz sind ganz wichtige Eigenschaften, über die die Quereinsteigenden verfügen müssen, um die Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen.
Anja Herpell
Anja Herpell, Referatsleiterin Lehrkräftebildung in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie
Unter unseren Quereinsteigenden gibt es wie unter den lehramtsbezogen Ausgebildeten auch Menschen, die sich etwas schwer tun mit der neuen Aufgabe und wahre Naturtalente. Im Schnitt gibt es unter ihnen etwas mehr Männer als in der Vergleichsgruppe und sie sind rund 10 Jahre älter. 96 % bestehen am Ende der Ausbildung die Staatsprüfung. Herausfordernd ist für die Schulen vor allem die Situation, wenn mehrere Auszubildende - das können Praxissemester-Studierende, LehramtsanwärterInnen und Quereinsteigende sein - zeitgleich an einer Schule beginnen. Die große Chance für das Schulsystem im Quereinstieg liegt meines Erachtens darin, dass Menschen aus ganz anderen beruflichen Zusammenhängen in unsere Schulen kommen und so völlig neue Perspektiven beitragen. Und manchmal weckt es auch bei SchülerInnen Respekt, wenn ihre Lehrerin früher einmal als Kapitänin Containerschiffe gesteuert hat oder Tierärztin war. Und ein Mathematiklehrer, der als Ingenieur Häuser gebaut hat, genießt sicherlich auch eine besondere Achtung.