Deutscher Gewerkschaftsbund

03.12.2019
Drei Fragen an DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell zu Peter Altmaiers Industriestrategie

"Wir müssen alles daran setzen, vollständige Wertschöpfungsketten zu erhalten"

Fabrik

Colourbox.de

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat am 29. November die finale Fassung einer „Industriestrategie 2030“ vorgestellt. Der erste Entwurf vom Februar 2019 hatte eine breite und notwendige Debatte um Industriepolitik in Deutschland ausgelöst. Nach einem Abstimmungsprozess mit der Wirtschaft wurde die Industriestrategie grundlegend überarbeitet. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell bewertet die neue Fassung:

Drei Fragen an... Stefan Körzell zur Industriestrategie 2030

Wie wird die überarbeitete Fassung der "Industriestrategie 2030" vom DGB beurteilt?

Stefan Körzell: Wir haben schon im Februar den Vorstoß des Wirtschaftsministers begrüßt, industrielle Wertschöpfung in Deutschland und Europa durch eine aktive Industriepolitik zu stärken. Die überarbeitete Industriestrategie 2030 nimmt viele Punkte auf, die im ersten Entwurf noch nicht enthalten waren. Sie will Deutschland zum Leitanbieter von klimafreundlichen und so genannten Game-Changer-Technologien entwickeln, die Transformation zu einer emissionsarmen Industrie flankieren, den Mittelstand stärken und die Mobilität der Zukunft voranbringen. Nach wie vor geht es auch darum, die technologische Souveränität zu schützen und Regeln für die Übernahme von High-Tech-Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern zu prüfen. All dies sind auch für die Gewerkschaften wichtige Zielsetzungen. Wir begrüßen daher, dass in der Industriestrategie nachjustiert wurde. Ich bezweifele jedoch, dass das BMWi die richtigen Maßnahmen ergreifen will, um diese Ziele zu erreichen. Wenn man die überarbeitete Strategie liest, bleibt nicht mehr viel von der aktiven industriepolitischen Steuerung über. Aus unserer Sicht wird die jedoch gebraucht, wenn wir die industrielle Wertschöpfung in Deutschland und Europa modernisieren und erhalten wollen. Manche Branchen, wie etwa die Stahlindustrie, sind schon jetzt in großer Bedrängnis. Ohne eine staatliche Gestaltung riskieren wir deren Fortbestand in Europa. Wir müssen jedoch alles daran setzen, vollständige Wertschöpfungsketten zu erhalten.

An welchen Punkten wird die Industriestrategie vom DGB kritisiert?

Der DGB und seine Gewerkschaften haben immer darauf hingewiesen, dass für den sozial-ökologischen Wandel enorme öffentliche und private Investitionen notwendig sind: für den Ausbau der Verkehrs- und digitalen Infrastruktur, für Forschung und Entwicklung sowie beispielsweise für den Aufbau einer europäischen Batteriezellenproduktion. Diese Investitionen erfordern auch eine erhebliche finanzielle Aufstockung seitens der öffentlichen Hand, wenn der Strukturwandel fair gestaltet und gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden sollen. Die Industriestrategie kündigt diese Investitionen zwar an, hinterlegt werden sie nicht. Mit der Absenkung der Unternehmenssteuern auf 25 Prozent, wie in der Strategie vorgeschlagen, lässt sich dieses Ziel jedoch nicht erreichen. Steuersenkungen vermindern die Einnahmenbasis des Staates und reduzieren seine Handlungsspielräume, statt sie zu erhöhen. Auch die vorgesehene Deckelung der Sozialabgaben bei 40 Prozent und ihre Verankerung im Grundgesetz ist für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nicht das richtige Mittel, um den Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Genauso verhält es sich mit den Vorschlägen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Angriffe auf das Arbeitszeitgesetz und die Begrenzung der Arbeitgeberhaftung beim Mindestlohn sind keine Grundlage, um den sozial-ökologischen Wandel mit Guter Arbeit zu verknüpfen.

Wie soll der Prozess weitergehen?

Wir bewerten positiv, dass der Bundeswirtschaftsminister den Dialog mit Wirtschaft und Gewerkschaften fortsetzen will. Bestehende Formate wie das Bündnis „Zukunft der Industrie“ und die Branchendialoge können eine Grundlage sein, um diesen Dialog zu organisieren. Ein richtiges Signal ist auch, eine unabhängige Monitoring-Gruppe aus Vertretern von Wirtschaftswissenschaft, Industrie und Arbeitnehmerorganisationen zu bilden, um die wirtschaftliche Entwicklung zu bewerten. Die Industriestrategie 2030 bekennt sich nun explizit zum erfolgreichen Modell der Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaften erwarten dann aber auch, dass die Stärkung der Mitbestimmung und die Erhöhung der Tarifbindung als wichtige Elemente der sozialen Marktwirtschaft anerkannt und im weiteren Dialogprozess mit der Industriestrategie verknüpft werden.


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