Deutscher Gewerkschaftsbund

22.10.2019
Krankmeldung

Digitaler "Gelber Schein": Volles Risiko bei den Beschäftigten?

DGB kritisiert "unbrauchbaren Regierungsentwurf"

Zwei Jahre eher als geplant will die Bundesregierung die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einführen. Sie könnte für alle Beteiligten eine Erleichterung sein - doch für Pannen bei der Übermittlung sollen ausschließlich die Beschäftigten verantwortlich gemacht werden. "Das ist inakzeptabel", kritisiert DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.

Arbeitsunfähigkeitsbeschinigung

DGB/Bjoern Wylezich/123rf.com

Handelsblatt: Gewerkschaften kritisieren digitalen „Gelben Schein“ – Rechtsunsicherheiten für Arbeitnehmer

Anders als geplant will die Bundesregierung die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) schon 2021 einführen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dann nicht mehr wie bislang den „gelben Schein“ in dreifacher Ausführung erhalten und beim Arbeitgeber und der Krankenkasse vorlegen. Dies soll in Zukunft elektronisch und automatisch funktionieren.

Viele Ärzte nicht vorbereitet

Ursprünglich sollte das Verfahren 2023 eingeführt werden. Schon in diesem Fall wäre zweifelhaft gewesen, dass das neue Verfahren störungsfrei funktioniert: Von den insgesamt 170.000 Arztpraxen der Vertragsärzte in Deutschland nehmen derzeit 77.000 Arztpraxen nicht an dem Telematik-Verfahren teil, das jedoch eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren der eAU ist.

Gefahr der Kündigung

Ein weiteres Problem: Die Bundesregierung will eine neue ausdrückliche Nachweispflicht der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber einführen. Das bedeutet: Das mögliche Scheitern der digitalen Übermittlung soll vollständig zu Lasten der Beschäftigten gehen. Wenn der oder die Beschäftigte unentschuldigt seiner Arbeit fernbleibt – was wohl auch passieren kann, wenn die AU-Bescheinigung den Arbeitgeber nicht erreicht hat bzw. er sie nicht abrufen kann – muss er mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen seines Arbeitgebers bis hin zu einer Kündigung rechnen.

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied

DGB/Simone M. Neumann

"Ein unbrauchbarer Regierungsentwurf"

"Die elektronische AU-Bescheinigung könnte für alle zu einer Erleichterung werden: für die Beschäftigten, wenn sie von der Pflicht zur Vorlage des gelben Scheins befreit werden würden, und für die Arbeitgeber durch den Abbau von unnötiger Bürokratie. Das gilt aber nur, wenn das elektronische Verfahren sorgfältig vorbereitet, erprobt und evaluiert wird", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Stattdessen liegt dem Bundestag ein unbrauchbarer Regierungsentwurf vor: Die AU-Bescheinigung soll völlig überstürzt zwei Jahre früher als ursprünglich geplant eingeführt werden – ohne dass sichergestellt ist, dass das elektronische Verfahren überhaupt funktioniert und obwohl über 77.000 Arztpraxen mit dem Verfahren noch nichts am Hut haben.

Die Bundesregierung geht offensichtlich – und völlig zu Recht – davon aus, dass massenweise Pannen bei der Übermittlung der eAUs passieren werden. Deshalb möchte sie in einem Atemzug mit der Abschaffung der Vorlagepflicht des ‚gelben Scheins‘ durch die Beschäftigten diese gleichzeitig verpflichten, ihre AU mit der vom Arzt ausgestellten Abschrift nachweisen zu müssen. Die zu erwartenden Pannen und Ausfälle der digitalen Übermittlung sollen somit vollständig zu Lasten der Beschäftigten gehen. Das ist inakzeptabel und bedeutet für alle Beteiligten am Ende nicht weniger, sondern mehr Bürokratie."


Stellungnahme des DGB: Entlastungen für Unternehmen - ja, aber nicht zu Lasten der Beschäftigten und der Allgemeinheit

Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) (PDF, 327 kB)

Das geplante Dritte Bürokratieentlastungsgesetz sieht Reformen von verschiedenen Gesetzen mit hoher Relevanz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor. Das gesamte Gesetzgebungsverfahren steht dabei unter einem so großen nicht nach vollziehbarem Zeitdruck, dass eine Debatte über die Sinnhaftigkeit der geplanten Änderungen kaum möglich ist. Ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ohne Not werden Gesetzesänderungen überstürzt. Das bewerten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sehr kritisch.


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