Wie wirkt sich der Wahlsieg von Donald Trump auf die deutsche Wirtschaft und damit auf Arbeitsplätze in Deutschland aus? Welche Branche könnte besonders betroffen sein? Was bedeutet ein US-Präsident Trump eigentlich für TTIP? Und warum kam die wohl zynischste Reaktion auf Trumps Wahlsieg von einem Heidelberger Zementhersteller? Wir haben die Antworten.
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Eine Reihe von Experten sieht die Wahl Donald Trumps mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung äußerst kritisch – weil der neue US-Kurs massiven Einfluss auf die Weltwirtschaft und damit auch auf deutsche Arbeitsplätze haben könnte.
"...weil der neue US-Kurs massiven Einfluss auf die Weltwirtschaft und damit auch auf deutsche Arbeitsplätze haben könnte."
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) meint, Trumps Wahlsieg "könnte auch die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft deutlich verschlechtern". Laut Konjunkturbarometer des IMK ist die Wahrscheinlichkeit für einen wirtschaftlichen Abschwung in Deutschland zwar leicht gesunken – allerdings lag der Stichtag für die Konjunkturdaten vor der US-Wahl: Die Reaktionen und möglichen Folgen von Trumps Sieg konnten also noch nicht in die Prognose einfließen.
"Wenn Donald Trump wirklich das umsetzt, was er im Wahlkampf angekündigt hat, werden wir unsere Prognosen signifikant nach unten korrigieren müssen", erklärt IMK-Direktor Gustav Horn. Auch IMK-Experte Peter Hohlfeld ist überzeugt: "Sollte Donald Trump tatsächlich die protektionistischen Maßnahmen ergreifen, die er im Wahlkampf angekündigt hat, werden die USA zum Risiko für die weltwirtschaftliche Entwicklung."
Der DGB hofft, dass Trumps Wahlsieg in Deutschland für ein Umdenken sorgt. Es brauche "einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Vor allem bei der Elite der ökonomischen Zunft", heißt im DGB-klartext (Ausgabe 42/2016). Der Trump-Sieg habe gezeigt, "welche Folgen es haben kann, wenn Politik Abstiegsängste und soziale Probleme vernachlässigt". Der DGB-klartext kritisiert vor allem den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) – die so genannten Wirtschaftsweisen. Diese hatten in ihrem kürzlich vorgelegten Jahresbericht erneut unverändert neoliberale Positionen gepredigt. Unter anderem forderten die Wirtschaftsweisen weiter staatliche Sparpolitik, eine Ausweitung des Niedriglohnsektors und die "Rente mit 71". Lediglich Peter Bofinger sprach sich als einziger "Wirtschaftsweiser" gegen diesen neoliberalen Mainstream aus, lobt der DGB-klartext.
"Wirtschaftlich ist das größte Problem nun die große Unsicherheit", sagte Bofinger dem Tagesspiegel. "Trump ist unberechenbar. Man weiß nicht, was er politisch, was er ökonomisch nun tatsächlich vorhat. Für die Weltwirtschaft ist diese Unsicherheit Gift." Zumindest in diesem Punkt stimmt Bofinger mit Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), überein: Die "unabsehbare Ungewissheit" nach dem Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl belaste Finanzmärkte und Investitionen, so Hüther auf Twitter. "Wenn Trump zu machen versucht, was er im Wahlkampf so ziemlich wirr und zusammenhanglos erzählt hat, dann heißt das Abschottung, Isolation, Diskriminierung und explodierende Staatsverschuldung", meint Hüther gegenüber dem Tagesspiegel. "Die deutsche Wirtschaft wird nicht mehr so einfach auf die USA als Exportzielland Nummer 1 setzen können."
Denn die USA sind für die deutsche Wirtschaft immer noch das größte Exportland: Deutschland exportierte 2015 Waren im Wert von 113,9 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten. Eine wirtschaftliche Abschottungspolitik der USA hätte also auch massive Folgen für die deutsche Wirtschaft. Zu den Haupt-Exportbranchen gehören in Deutschland die Automobil- und Fahrzeugindustrie, der Maschinenbau, die Elektroindustrie und die Optische Industrie sowie die Chemische und die Pharmaindustrie (siehe Grafik).
Eine der zynischsten Reaktionen auf Trumps Wahlsieg gab es von einem deutschen DAX-Konzern-Manager: Bernd Scheifele, Vorstandsvorsitzender von HeidelbergCement, meint zwar auch, dass die Unsicherheit über den Kurs der USA kurzfristig Nachteile habe. Doch mittelfristig sei er "positiv gestimmt", so Scheifele. Denn HeidelbergCement ist als Zementlieferant auch in Arizona und Texas aktiv: Wenn Trump sein Wahlversprechen tatsächlich wahr macht, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, winken dem DAX-Konzern volle Auftragsbücher.
Dem amerikanisch-europäischen Freihandelsabkommen TTIP gibt Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), nach Trumps Wahlsieg bei den US-Präsidentschaftswahlen keine Chancen mehr. "Das ist aber beileibe auch kein Schaden", betont der IMK-Direktor. "TTIP ist als so genanntes `lebendes Abkommen´ angelegt. Das bedeutet, dass die Verträge auch nach der Ratifizierung durch spezielle Gremien interpretiert werden, sie füllen den Vertrag mit Leben und können ihn fortschreiben. In diesen Gremien würde aber nur die Exekutive sitzen – also Vertreter der EU-Kommission und der US-amerikanischen Regierung. Dass diese Konstruktion extrem riskant ist, sollte nach dem Wahlsieg von Donald Trump wirklich jedem klar sein."
Und wenn dann noch der Dollarkurs wegen der Unsicherheiten an den Finanzmärkten nach der US-Wahl steige, wäre das für HeidelbergCement aufgrund der Währungsgewinne positiv. "Das spült ordentlich in die Kasse", wird Scheifele etwa im Manager Magazin zitiert.
Für das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA dürfte Trumps Präsidentschaft allerdings das endgültige Aus bedeuten, meinen viele Ökonomen. TTIP habe "keine Chance mehr", so etwa IMK-Direktor Gustav Horn. Das sei aber "beileibe auch kein Schaden". Auch der DGB lehnt TTIP in der vorliegenden Form ab. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hatte bereits Anfang September 2016 gesagt, er gebe "TTIP zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt keine Chance". Das Abkommen sei "in der politischen Realität gescheitert".