Deutscher Gewerkschaftsbund

26.10.2018

Unverzichtbares Engagement für die Justiz

einblick November 2018

Ehrenamtliche RichterInnen an Arbeits- und Sozialgerichten sind unverzichtbar für die Gesellschaft. Eine aktuelle Studie zeigt, was sie antreibt. Damit sich noch mehr Menschen engagieren, muss die Politik für bessere Bedingungen sorgen, fordert DGB-Expertin Micha Klapp.

Paragraphenzeichen Richter-Hammer Justiz

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In Deutschland gibt es immer noch nicht genug Menschen, die sich einem Ehrenamt widmen. Zeitdruck, Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf, Arbeitsverdichtung, aber auch schlicht Desinteresse an gesellschaftspolitischen Inhalten sind nur einige der Ursachen für mangelndes Engagement. Nicht so bei ehrenamtlichen RichterInnen der Sozialgerichtsbarkeit, so lautet ein Ergebnis einer aktuellen Befragung, die von der Hans-Böckler-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Arbeitgeberverbänden und dem Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg beauftragt wurde. Das Bedürfnis, sich mit dieser Funktion einzubringen und für Gerechtigkeit zu sorgen, zählt für die Ehrenamtlichen zu den wesentlichen Motiven. Daneben spielen auch Lerneffekte und Interessen für die eigene berufliche Arbeit eine Rolle. Die Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle e.V. (Höland/Buchwald/Krausbeck, 2018) zeigt aber auch, es muss mehr getan werden, damit sich noch mehr Menschen an den Gerichten engagieren.

"Es sollte noch mehr Energie aufgewendet werden, um KandidatInnen für das Ehrenamt in der Sozialgerichtsbarkeit zu rekrutieren und damit gesellschaftliche Vielfalt auf den Richterbänken zu gewährleisten."

Micha Klapp

Micha Klapp, 39, ist Referatsleiterin Sozial- und Arbeitsrecht in der Abteilung Recht beim DGB Bundesvorstand.

So bemängeln die Ehrenamtlichen, dass ihnen Arbeitsstunden gekürzt werden und Arbeitgeber ihr Engagement nur selten wertschätzen. Die Ergebnisse legen nah, dass die Rahmenbedingungen dringend verbessert werden müssen. Es geht unter anderem um mehr und qualifizierte Schulungsangebote sowie bessere und klare Regelungen für die Freistellung von der Arbeit, auch um sich zu qualifizieren sowie um Fragen der Aufwandsentschädigung. Für Akteneinsichten und Ladungen durch das Gericht sollten zudem digitale Medien besser genutzt werden und der Austausch untereinander gefördert werden.

Schließlich liegt es auch im Interesse von Politik und Gesellschaft für mehr Diversität auf den Richterbänken zu sorgen. Zu beobachten ist laut Studie, dass mehr Männer ehrenamtlich tätig sind. Zwar sind es zunehmend jüngere Frauen, die sich als Richterinnen engagieren, aber es sind deutlich mehr Männer, die dann auch langfristig bei dem Engagement bleiben. 70 Prozent der Ehrenamtlichen, die an der Befragung teilgenommen haben, sind zwischen 46 und 65 Jahre alt. Mit 43 Prozent hat ein großer Teil die Schulausbildung mit der allgemeinen Hochschulreife (Abitur) beendet. In der Sozialgerichtsbarkeit haben fast alle Ehrenamtlichen einen beruflichen Bildungsabschluss absolviert; lediglich zwei Prozent können keinen beruflichen Bildungsabschluss aufweisen.

Die persönliche Lebens- und Berufserfahrung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter stellt ein notwendiges Korrektiv zum juristischen Expertenwissen dar.

Ehrenamtliche RichterInnen sind in Deutschland ein wesentlicher Teil der deutschen Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Rund 100 000 sind in allen Gerichtszweigen tätig. Hinsichtlich richterlicher Unabhängigkeit und Stimmengewicht in der Entscheidung stehen sie den BerufsrichterInnen gleich. Die persönliche Lebens- und Berufserfahrung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter stellt ein notwendiges Korrektiv zum juristischen Expertenwissen dar. Sie ergänzen die Gerichtspraxis durch Betriebs- und Sozialerfahrung sowie eine interessengeprägte Weltsicht. Die Rolle der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist unverzichtbar für eine sorgfältige Abwägung der Einzelheiten neben tiefem juristischem Fachwissen bei der Auslegung von rechtlichen Regelungen zur Urteilsfindung.

In Deutschland fehlte bisher weitgehend das Wissen über sie und ihre Erfahrungen, obwohl sie ebenso wie Berufsrichterinnen und -richter die dritte Gewalt in Deutschland tragen und gestalten. Wie wichtig diese Studie auch für die Ehrenamtlichen selbst ist, belegt die sehr hohe Rücklaufquote der Befragung. Fast 61 Prozent der rund 6300 Befragten meldete sich zurück. Einmal mehr zeigt sich, dass das Einbringen einer Betriebs- und Sozialerfahrung sowie die persönliche Weltsicht sämtlicher Menschen in Deutschland quer durch alle Bevölkerungsschichten weiter gefördert werden muss. Es sollte noch mehr Energie aufgewendet werden, um KandidatInnen für das Ehrenamt in der Sozialgerichtsbarkeit zu rekrutieren und damit gesellschaftliche Vielfalt auf den Richterbänken zu gewährleisten.


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