Deutscher Gewerkschaftsbund

03.06.2019

Grundsteuer: Verteilungskampf am Wohnungsmarkt

Wer von steigenden Immobilienpreisen profitiert, sollte dafür auch bezahlen. Das Abwälzen der Grundsteuer auf die Mieter gehört deshalb abgeschafft, fordert der Journalist Thomas Gesterkamp.

Hausschlüssel auf Holz

DGB/Vadim Yerofeyev/123rf.com

Reform der Grundsteuer, das klingt nach einer staubtrockenen Angelegenheit. Doch hinter dem komplizierten Vorhaben verbirgt sich ein wohnungspolitischer Sprengsatz. Die obersten Richter haben die bisherige Berechnungsmethode im letzten Jahr für verfassungswidrig erklärt. Schon länger monieren finanzpolitische Expertisen, dass die von den Kommunen erhobene Abgabe auf einer völlig veralteten Datenbasis beruht. Die sogenannten Einheitswerte, welche ihre Höhe bestimmen, stammen in Westdeutschland aus dem Jahr 1964, im Osten gar von 1935. Gelingt bis Ende des Jahres keine neue Regelung, fällt die Steuer ersatzlos weg.
Finanzminister Olaf Scholz will künftig neben der Größe des Grundstücks auch den tatsächlichen Wert einer Immobilie berücksichtigen. Messbar ist dieser etwa durch die erzielte Durchschnittsmiete und die öffentlich zugänglichen Bodenrichtwerte. Der Gesetzentwurf, den der SPD-Politiker nach zähen Verhandlungen mit Ländervertretern im April vorlegte, hat jedoch einen fatalen Nachteil. Er lässt die Steuer gerade dort steigen, wo die Preise ohnehin schon hoch sind und die Lage am Wohnungsmarkt besonders angespannt ist: in teuren Groß- und Universitätsstädten. Mieter müssen dort mit Mehrbelastungen rechnen, weil die Eigentümer die Abgabe auf sie umlegen können. Dieses Privileg ist nicht mehr zeitgemäß.

"Konservative und Wirtschaftsliberale geben vor, sich für
den Schutz der Mieter einzusetzen. In Wahrheit vertreten
sie die Interessen ihrer vermögenden Klientel."

Es ist sinnvoll, Häuser und Wohnungen bei der Festlegung der Grundsteuer realistisch zu bewerten. Für die daraus entstehenden Probleme gibt es eine ganz einfache Lösung, die der Deutsche Mieterbund – wie auch der DGB – in der aktuellen Debatte vehement einfordert. Der Verband schlägt vor, dass es Hausbesitzern per Gesetz nicht mehr erlaubt ist, die Steuer als Teil der Betriebskosten auf die Mieter abzuwälzen.
Sie würde auf diese Weise endlich zu dem, was sie eigentlich schon lange sein sollte: zur Abgabe auf eine Geldanlage. In Zeiten niedriger Zinsen und schwankender Aktienkurse sind Immobilien besonders lukrativ für Vermögende. Neben den privatisierten Wohnungsbaukonzernen tummeln sich auf dem Markt zunehmend ausländische Investoren. Es dient der sozialen Gerechtigkeit, die Besitzer von immer wertvollerem Grund und Boden stärker zur Kasse zu bitten. Wenn die steuerlichen Kosten nicht mehr umgelegt werden können, wäre das ein kleiner Erfolg im Verteilungskampf um das wichtigste sozialpolitische Thema der nächsten Jahre, dem Recht auf preiswertes Wohnen.


Wer Hunderttausende von Euro in ein Mietobjekt investieren kann, um daraus Profit zu schlagen, dem tun auch neu festgesetzte Einheitswerte nicht weh. Hier werden Reiche besteuert und keine Bedürftigen! Für selbstgenutztes Wohneigentum kann es Ausnahmeregeln oder Deckelungen geben. Die einflussreichen Lobbyisten der Immobilienwirtschaft aber laufen Sturm gegen alle Vorschläge, die Vermieter belasten. Stichhaltige Argumente haben sie nicht vorzubringen: Monoton warnen sie vor mehr Bürokratie oder prophezeien, die Eigentümer würden dann einfach die Kaltmiete noch weiter erhöhen.
Sozialdemokrat Scholz signalisierte anfangs Offenheit für den Vorschlag des Mieterbundes, den auch die Gewerkschaften unterstützen. Als Abgabe, „die an das Vermögen ihres Eigentümers anknüpft, sollte die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieter überwälzt werden dürfen“, erläutert Raoul Didier, Referatsleiter Steuerpolitik im DGB-Bundesvorstand, die Beschlusslage. Doch trotz solcher Warnungen ist der Finanzminister an diesem Punkt schnell eingeknickt – wegen des massiven Widerstands der immobilen Interessenvertreter und ihrer treuen Unterstützer beim Koalitionspartner.

Hier werden Reiche besteuert
und keine Bedürftigen!

Ein perfides Verwirrspiel betreibt dabei, unterstützt von populistischen Angstkampagnen der Bild-Zeitung („Weg mit dem Irrsinn Grundsteuer“), vor allem die bayerische CSU. Sie möchte allein die Flächengröße zum Maßstab nehmen - und unbedingt verhindern, dass der stark gestiegene Bodenwert bei der Reform irgendeine Rolle spielt. Die Regionalpartei will Öffnungsklauseln durchsetzen, die den Bundesländern Autonomie bei der Gestaltung der Grundsteuer einräumen.


Konservative und Wirtschafsliberale behaupten, sie wollten so den Anstieg der Nebenkosten gerade in attraktiven Innenstadtlagen bremsen. Doch sie geben nur vor, sich für den Schutz der Mieter einzusetzen. In Wahrheit vertreten sie die Interessen ihrer vermögenden Klientel. Denn von einer Abschaffung der Umlage wollen sie aus gutem Grund nichts wissen. Und die SPD? Sie läuft erneut Gefahr, eine Chance zu verspielen, sozialpolitisches Profil zu zeigen.

Thomas Gesterkamp, 61, ist Journalist in Köln, er schreibt seit über 30 Jahren über den Arbeitsmarkt, Gewerkschaften und sozialpolitische Themen.

 


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