Macron hatte im Rahmen seines Wahlkampfes einen Aufbruch der verkrusteten Strukturen und eine neue Ära des wirtschaftlichen Aufschwunges und der Rolle Frankreichs in der EU angekündigt. Die satte Mehrheit im Parlament und die Aufbruchsstimmung will er nützen, um im Eiltempo eine weitere und weitgehende Reform des französischen Arbeitsmarktes durchzuführen, bezeichnet als Neuordnung des Sozialmodells.
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Sie basiert auf drei Säulen:
Nach rund 100 Konsultationsrunden mit Sozialpartnerorganisationen während der Sommermonate stellte die französische Regierung am 31. August 2017 ihre konkreten Reformvorschläge vor. Neben institutioneller Vereinfachung der Arbeitsbeziehungen soll das Arbeitsrecht insbesondere Erleichterungen für die kleinsten (bis 20 Beschäftigte) und Klein- und Mittelunternehmen Erleichterungen bringen.
Die französischen Gewerkschaften haben die Reformvorschläge mit unterschiedlichem Enthusiasmus aufgenommen. Hauptkritik des größten Gewerkschaftsbundes im Privatsektor (CFTD) ist die mangelnde Evaluierung der zahlreichen bisherigen Reformen des Arbeitsrechts. Tatsächlich ergibt sich aus OECD-Statistiken, dass das Ausmaß der Kündigungsschutzbestimmungen in Frankreich bei den Normalarbeitsverhältnissen mit unbefristeten Verträgen etwa auf dem Niveau von Österreich und Deutschland liegt.
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Abgesehen davon ermöglichen die Reformen direkte Verhandlungen ohne (externe) Gewerkschaftsvertreter, womit 6 Millionen Beschäftigte in den kleineren Unternehmen (weniger als 50 Beschäftigte) potenziell ohne Schutz dastehen.
Anders als bei der Arbeitsmarktreform 2016 ist der Gewerkschaftsbund Force Ouvrière auf die reformistische Linie eingeschwenkt und hält das vorgelegte Gesetz im Wesentlichen für akzeptabel. Hingegen lehnt der Gewerkschaftsbund CGT die Reform ab und organisierte Proteste auf der Straße.
Macron will seine Reformvorschläge im Rahmen von Verordnungen durchsetzen. Dazu erließ das französische Parlament im Juli 2017 ein Ermächtigungsgesetz. Damit kann es die Reform-Verordnung nur annehmen oder ablehnen, aber keinen inhaltlichen Einfluss ausüben. Die Verordnung tritt bei Zustimmung sofort in Kraft. Diese teilweise Ausschaltung des Parlaments ist zwar in der französischen Verfassung vorgesehen. Praktisch alle Verfassungen der EU-Mitgliedsländer kennen vergleichbare Bestimmungen. Sie sind aber nur für Notsituationen oder einen Ausnahmezustand gedacht. Als Rechtfertigung für das parlamentarische Ermächtigungsgesetz wurden von der Exekutive „der Wildwuchs des Arbeitsrechts“ und die Verteidigung der unternehmerischen Freiheit angeführt. Macron sieht in den Sozialpartnerverhandlungen eine ausreichende demokratische Legitimation.
Die Verordnungen sind am 22. September vor laufenden Kameras unterzeichnet worden. Macrons Partei „La République en Marche“ verfügt im Parlament über eine große Mehrheit. Einem Inkrafttreten steht daher nichts im Wege.
Die Reformen folgen dem skandinavischen Leitbild der „flexicurity“ auf dem Arbeitsmarkt. Dieses basiert allerdings auf der gewerkschaftlichen Ordnungsmacht mit einem Organisationsgrad von 70% und mehr und muss nicht erst eine historische Transformation von einem konfliktorientierten System der Arbeitsbeziehungen auf eines des sozialen Dialogs und Interessensausgleichs erfahren, wie es in Frankreich ursprünglich vorgesehen war. Vor dem Hintergrund eines Organisationsgrads von zw. 6-8% wie in Frankreich wird „flexicurity“ damit schnell zu einem Vehikel der reinen „flexibility“.
Als sehr problematisch sind die Schritte zur Dezentralisierung der Verhandlungen auf die betriebliche Ebene einzuschätzen; das schwächt die Gewerkschaften und verhilft Partikularinteressen zum Durchbruch. Die einzelnen Schritte gehen im Wesentlichen zu Lasten der ArbeitnehmerInnen, sind aber in ihrem Ausmaß auch nicht als völlig dramatisch anzusehen. Eine wie von Macron angekündigte „kopernikanische Arbeitsreform“ sieht anders aus. Die Notwendigkeit der Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist unbestritten; dazu zählt auch eine Vereinfachung von Vorschriften im Arbeitsrecht. Vieles von dem, was in Deutschland tarifvertraglich praxisgerecht geregelt ist, wird in Frankreich gesetzlich definiert. Dass Deregulierung des Arbeitsmarktes keine Auswirkung auf die Produktivität hat, konstatierte der IWF hingegen schon in seinem Jahresbericht 2015. Die OECD stellte 2016 fest: „Die Flexibilisierung der Kündigungsschutzgesetze hat im schlimmsten Fall keine oder nur begrenzte Wirkung auf das Niveau der Beschäftigung.“ Ob mit diesem Paket an Maßnahmen die hohe Arbeitslosigkeit in Frankreich gemildert werden kann, ist daher stark zu bezweifeln.
Andreas Botsch und Susanne Wixforth, DGB, Abteilung Europäische und Internationale Gewerkschaftspolitik
[i] Zu dieser Problematik vgl. Rodrik, Dani: Macron's Labour Gambit, 20 September 2017, https://www.socialeurope.eu/macrons-labour-gambit