Die „Wirtschaftsweisen“ haben in dieser Woche ihr Jahresgutachten zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung vorgestellt. Darin erkennen sie zwar die Herausforderungen die der Strukturwandel angesichts von Klimawandel und Digitalisierung mit sich bringt, liefern aber keine Vorschläge wie dieser erfolgreich bewältigt werden kann, kritisiert der DGB-klartext.
DGB/Vasin Leenanuruksa/123RF.com
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat am Mittwoch sein Jahresgutachten vorgelegt. „Den Strukturwandel meistern“ lautet der diesjährige Titel der rund 400 Seiten starken Publikation. Der Titel trifft den Puls der Zeit. Denn tatsächlich steht die deutsche Wirtschaft angesichts von Klimawandel, Digitalisierung und Veränderungen in der Weltwirtschaft vor strukturellen Herausforderungen.
Leider hält der Titel aber nicht, was er verspricht. Gute Vorschläge, mit denen die Politik den Strukturwandel tatsächlich „meistern“ könnte, sind im Text äußerst dünn gesät. Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen hofft im Wesentlichen auf die Macht des Marktes und empfiehlt im Kern ein neoliberales „Weiter so“.
So erkennen die Sachverständigen zwar, dass es um die deutsche Infrastruktur und Breitbandversorgung schlecht bestellt ist, den Handlungsbedarf reden sie aber klein. Statt Wege aufzuzeigen, wie das Land mit mehr öffentlichen Investitionen zukunftsfähig werden kann, singt die Mehrheit der Ratsmitglieder ein Loblied auf die Schuldenbremse. Allein an der „Schwarzen Null“ klammern sie sich nicht mehr fest.
Gut ist, dass sich mit Isabel Schnabel und Achim Truger gleich zwei Sachverständige gemeinsam von diesen Positionen abgrenzen. Sie zeigen zu Recht auf, dass sich der zusätzliche öffentliche Investitionsbedarf schnell auf einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr aufaddieren lässt. Ebenfalls richtig ist, dass die Schuldenbremse investitionsfreundlich umgestaltet und kurzfristig alle Spielräume für eine Ausweitung öffentlicher Investitionen genutzt werden müssen.
Quelle: Sachverständigenrat
Auch sonst zeigen sich Schnabel und Truger vorausschauender als die Mehrheit des Rates. Während letztere zwar auch einen Abschwung prognostiziert (siehe Grafik), lehnt sie jegliche konjunkturstützenden Maßnahmen des Staates prinzipiell ab. Truger und Schnabel befürworten hingegen eine aktive Rolle des Staates im Falle eines sich verfestigenden Abschwungs. Das ist richtig, denn auch, wenn momentan noch keine Rezession in Sicht ist, muss die Regierung konkrete Pläne für ein Konjunkturprogramm in der Tasche haben, um im Notfall schnell und wirksam gegensteuern zu können.
Der Mehrheit der Ratsmitglieder fällt zur Konjunktur hingegen nicht viel ein, als dauerhafte Steuergeschenke zu verteilen – ein Instrument, das offenbar als Allheilmittel angesehen wird. Denn auch Industriepolitik bedeutet für die Sachverständigen nicht einen aktiven Eingriff des Staates, sondern, dass Steuern für alle Unternehmen gesenkt und andere Bedingungen verbessert werden. Auch die Produktivität soll vor allem durch niedrigere Gewinnsteuern und weitere Deregulierung an Arbeitsmarkt- und Dienstleistungsmärkten steigen.
Der von der Ratsmehrheit geforderte vollständige Abbau des Solidaritätszuschlags und die Senkung der Körperschaftssteuer sind allerdings schon aus verteilungspolitischen Gründen abzulehnen. Schließlich sind Einkommen und Vermögen hierzulande bereits heute sehr ungleich verteilt. Doch auch dieses Problem reden und rechnen sich die Wirtschaftsweisen klein.