Die öffentliche Infrastruktur in Deutschland bröckelt. Ärmere Kommunen müssen mehr Menschen unterstützen und werden so bei öffentlichen Investitionen durch besser gestellte Gemeinden abgehängt. Der Bund müsse die Kommunen dauerhaft von steuerfinanzierten Sozialausgaben entlasten, um dieser ungleichen Verteilung entgegenzuwirken, schreibt der DGB-klartext.
DIW, Wochenbericht Nr. 43/2015
Glaubt man dem Bundesbankpräsidenten, so kann man nicht von einer verrottenden Infrastruktur in Deutschland sprechen. Folgt man der Lesart des Bundesfinanzministeriums, so ist der Rückgang der staatlichen Investitionsquote eher ein für reife Volkswirtschaften typischer Normalisierungsprozess, da in weniger entwickelten Staaten die Bedarfe noch höher seien. Wer aber in weniger gut situierten Gegenden Deutschlands mit offenen Augen Schulen betritt, Straßen und Radwege befährt oder sich als behinderter Mensch barrierefrei bewegen möchte, der wird das vermutlich anders sehen.
Das zeigen auch aktuelle Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die besonders die Investitionstätigkeit der Städte und Gemeinden ins Auge nehmen. Der Befund: Schon seit 12 Jahren reichen die Investitionen der Kommunen nicht mehr aus, um den Verfall ihrer öffentlichen Infrastruktur wettzumachen. Würde die These vom „typischen Normalisierungsprozess“, halbwegs stimmen, so hätten die Kommunen seither mindestens 46 Milliarden Euro mehr investieren müssen, um wenigstens ihr Vermögen zu erhalten.
Vor allem aber verdeutlicht die Expertise die zunehmenden Unterschiede zwischen Städten und Gemeinden in eher wohlhabenderen und ärmeren Regionen. So gaben die Kommunen in den zehn investitionsstärksten Landkreisen und kreisfreien Städten im vorletzten Jahr zwischen 550 und 724 Euro pro Kopf aus. Hingegen konnten die letzten zehn gerade mal zwischen 35 und 92 Euro investieren. Und jene, die zuletzt ein niedriges Investitionsniveau hatten, gaben mehrheitlich schon im Jahre 2000 vergleichsweise wenig für ihre Infrastruktur aus.
Um zu klären, wohin das Geld fließt, wenn keine Investitionen getätigt werden, verglich das DIW jene Kommunen, bei denen die Ausgaben die Einnahmen überstiegen, mit denen, die ihre Haushalte mit einem Plus abschlossen. Hier zeigt sich, dass die ärmeren mehr als ein Drittel ihrer Mittel für Sozialausgaben benötigten, da sie auch mehr arme Menschen unterstützen müssen. Dadurch gaben sie nur 10 Prozent für Investitionen aus. Die besser gestellten Gemeinden mussten hingegen nicht einmal ein Viertel für Soziales verplanen, konnten aber 23 Prozent für Investitionen in die Hand nehmen. Somit werden ärmere Regionen bei öffentlichen Investitionen dauerhaft abgehängt. Sie verlieren den Anschluss an wohlhabendere Regionen und an Attraktivität für private Investitionen.
Die chronische Schwäche ärmerer Kommunen zeigt, dass einmalige Finanzzuweisungen das Problem nicht lösen. Vielmehr muss der Bund die Kommunen von den steuerfinanzierten Sozialausgaben, die bundesgesetzlich geregelt sind, dauerhaft entlasten. In den Verhandlungen zur Neuordnung der Finanzbeziehungen muss die Ungleichheit zwischen den Kommunen mehr Beachtung finden. Bisher wird aber deren Finanzkraft im Länderfinanzausgleich nur teilweise angerechnet. Deshalb muss diese vollständig berücksichtigt und die daraus für die Nehmerländer entstehenden Vorteile an ihre Kommunen weitergegeben werden. Damit verbundene Mindereinnahmen bei Bund und Geberländern müssen durch eine stärkere Besteuerung großer Vermögen und sehr hoher Einkommen wettgemacht werden.