Deutscher Gewerkschaftsbund

04.06.2010
Mindestlohn-Interview

Nachgefragt bei Margret Mönig-Raane zum Leiharbeitsmodell bei Schlecker

Margret Mönig-Raane

ver.di

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane freut über die Tarifvereinbarung mit der Drogeriemarktkette Schlecker: “Damit ist das Schlecker-Modell, die Gründung einer Zeitarbeitsfirma, um Lohndumping betreiben zu können, bei Schlecker Geschichte.” Im Interview mit der Redaktion Mindestlohn die Gewerkschafterin die Verbesserungen des Tarifvertrags und was sie in Zukunft von der Politik erwartet, um Lohndumping in der Leiharbeit zu unterbinden.

Vor Wochen machte Schlecker mit Dumpinglöhnen Schlagzeilen, was hat das Unternehmen jetzt zum Sinneswandel bewogen?

Margret Mönig-Raane: Schlecker hat zunächst versucht, der zunehmenden Marktsättigung im Drogeriebereich mit einem Umstrukturierungsprozess zu begegnen, der gleichzeitig zu drastisch niedrigeren Personalkosten führen sollte. So wurden die kleinen AS-Filialen zuhauf geschlossen, den Kolleginnen wurden unmögliche Vertragsänderungen „angeboten“, mit dem Erfolg, dass sie dann gekündigt werden konnten und gleichzeitig wurden neue, attraktive Schlecker XL Filialen aus dem Boden gestampft. Die Kolleginnen, die dort beschäftigt wurden, bekamen nur rund die Hälfte des Tariflohns, viele waren angestellt bei einer Zeitarbeitsfirma, die eigens zu diesem Zweck gegründet worden war. Als diese Praxis von uns publik gemacht wurde, gab es sowohl in der Öffentlichkeit als auch seitens der Politik empörte Reaktionen. Wir dürfen davon ausgehen, dass der wirtschaftliche Druck auf Schlecker dadurch weiter gestiegen. Ich vermute, dass darin der Grund für den vermeintlichen Sinneswandel liegt.

Ist mit dem jetzigen Abschluss das Flächenniveau des Einzelhandels auch bei Schlecker die Entlohnungsgrundlage?

Margret Mönig-Raane: Wir haben jetzt bei Schlecker zum einen die über 8000 AS-Filialen, in denen rund 25 000 Kolleginnen arbeiten, die nach den jeweiligen regionalen Flächentarifverträgen vergütet werden. Darüber hinaus gibt es 350 XL-Filialen, Tendenz steigend. Die XL-Beschäftigten werden unabhängig von ihrem Arbeitsort nach dem baden-württembergischen Flächentarifvertrag bezahlt. Darüber hinaus gibt es noch die Beschäftigten der bereits erwähnten Zeitarbeitsfirma, Meniar. Sie sollen künftig deutlich mehr Geld bekommen, statt etwas über sechs Euro dann neun Euro. Aber ihre Verträge laufen zum Jahresende aus. Ihnen bleibt dann die Möglichkeit, sich auf freie Stellen bei Schlecker AS oder XL zu bewerben und dann den Schutz der jeweiligen Tarifverträge zu erlangen.

Haben die Kolleginnen bei Schlecker die Solidarität der gesamten Bevölkerung für ihr Anliegen nutzen können?

Margret Mönig-Raane: Sie haben die öffentliche Solidarität nutzen können: Welcher Arbeitgeber möchte schon gerne der Buhmann der öffentlichen Meinung sein? Aber vor allem konnten sich die Kolleginnen aufeinander und das hervorragend funktionierende interne Betriebsrätinnen-Netzwerk verlassen, das sie sich in den vergangenen Jahren mit großem Mut gegen den erbitterten Widerstand ihres Arbeitgebers aufgebaut haben. Der tarifpolitische Erfolg, den wir jetzt feiern können, ist vor allem ihnen und ihrem starken Willen zu verdanken.

Welche Bedeutung wird jetzt noch das Thema Leiharbeit bei Schlecker haben?

Margret Mönig-Raane: Unsere Tarifverträge stellen zwei Schranken vor den Einsatz von Leiharbeiterinnen: Zum einen muss die Kurzfristigkeit des Einsatzes nachgewiesen sein, zum anderen muss sicher gestellt sein, dass niemand anders mit einem Schlecker-Arbeitsvertrag die Arbeit machen kann. Der Mitbestimmungsprozess ist verbindlich vereinbart. Damit ist das Schlecker-Modell, die Gründung einer Zeitarbeitsfirma, um Lohndumping betreiben zu können, bei Schlecker Geschichte. In ganz vielen anderen Bereichen, in Druckereien, Redaktionen, Krankenhäusern etc. ist das allerdings leider nicht der Fall. Daher muss ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Das ist ein toller Erfolg bei Schlecker, aber der Zeitarbeit sind die Giftzähne noch lange nicht gezogen. Dazu bedarf es einer Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die zu einem Verbot solch missbräuchlicher Praxis führt. Arbeitsministerin von der Leyen hat uns auf dem DGB-Kongress eine solche Lex Schlecker zugesagt. Wir werden das nachhalten.

Wird die Sicherung von Tarifverträgen wie im jetzigen Beispiel Schlecker auch Modell für andere Unternehmen sein, in denen noch Niedriglöhne gezahlt werden?

Margret Mönig-Raane: Wir sind der festen Überzeugung: Wenn sich sogar ein bekennender maßen gewerkschaftsfeindliches Unternehmen wie Schlecker mit uns auf Regeln für ein vernünftiges Miteinander einigen kann, dann sollte das anderen um so leichter fallen. Es gibt im Handel noch so einige Unternehmen ohne Tarifbindung und ich hoffe sehr, dass die sich ein Beispiel an ihrem Konkurrenten nehmen.


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