Von wegen Chancengleichheit: Kinder, die zu Hause keinen Computer und keine Rückzugsräume haben, sind von Schulschließungen besonders hart betroffen. Sie können dauerhaft den Anschluss verlieren - mit fatalen Folgen. "Die Kultusminister sollten endlich – gut ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie – ein Konzept für jene Schülerinnen und Schüler entwickeln, die im Distanzlernen nicht oder kaum erreicht werden", fordert DGB-Vize Elke Hannack.
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Handelsblatt: DGB: Soziale Spaltung 'offene Wunde' des Bildungssystems
Heute übernimmt Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst die KMK-Präsidentschaft für dieses Jahr. Doch sie setzt nicht den richtigen Schwerpunkt, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack:
"Die Qualität des digitalen Unterrichts in den Mittelpunkt des neuen Jahres zu stellen, ist wichtig, aber keine ausreichende Antwort auf die bildungspolitischen Verwerfungen in der Corona-Krise. Die Frage der Chancengleichheit und des Rechts auf Bildung für alle, während und nach der Corona-Pandemie, gehört jetzt bildungspolitisch in den Fokus. Die soziale Spaltung ist die offene Wunde unseres Bildungssystems und sie wird durch die Corona-Krise weiter vertieft.
Die Kultusminister müssen dringend ein Programm für mehr Chancengleichheit auflegen. Dazu gehören mehr Investitionen in Schulgebäude, mehr und besser ausgebildete Fachkräfte in Schulen und Kitas, gute Ganztagsschulen, besserer digitaler Unterricht und eine bundesweite Finanzierung der Schulen nach einem Schulsozialindex. Dabei bekommen Schulen in schwierigen sozialen Lagen mehr Gelder. In Schulen mit großen sozialen Herausforderungen können so die Klassen verkleinert und sozialpädagogische Ressourcen für die Förderbedarfe von Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Entwicklungsproblemen erhöht werden.
Es ist höchste Zeit, dass sich die Kultusminister ehrlich machen: Ein kompletter Präsenzunterricht ist auf absehbare Zeit nicht zu verantworten. Die hohen Infektionszahlen und die neuen Virusmutationen lassen es nicht zu, 30 Kinder in schlecht belüfteten Klassenräumen zu unterrichten. Die allermeisten Schulen können nicht die räumlichen und hygienischen Bedingungen dafür bieten.
Die von den Kultusministern mantraartig vorgetragene Theorie, dass Schulen in der Corona-Pandemie sicher seien, gilt in der Wissenschaft längst als überholt. Es ist deshalb keine Schande, wenn die Kultusminister endlich dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse folgen.
Wenn erste Präsenzangebote wieder möglich sein sollten, brauchen wir einen klaren Schwerpunkt: Die Kultusminister sollten endlich – gut ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie – ein Konzept für jene Schülerinnen und Schüler entwickeln, die im Distanzlernen nicht oder kaum erreicht werden. Gerade Kinder und Jugendliche, die zu Hause keine Computer und Rückzugsräume haben, brauchen Angebote zur Unterstützung und Förderung – und zwar unabhängig von der Klassenstufe oder davon, ob eine Prüfung ansteht. Sonst droht die soziale Kluft an den Schulen immer tiefer zu werden.“