Deutscher Gewerkschaftsbund

26.07.2017

Tag 3 der DGB-Sommertour 2017

Am 26. Juli macht die DGB-Sommertour Halt in Berlin: bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) in Lichtenberg und der BASF Services Europe GmbH in Friedrichshain.

Tag 3 der DGB-Sommertour 2017: bei der Berliner BVG und der BASF Services Europe GmbH

Station 5: Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin-Lichtenberg

Ideen der Beschäftigten schaffen Win-win-Situationen

Mit 14.400 Beschäftigten sind die Berliner Verkehrsbetriebe viertgrößter Arbeitgeber in Berlin - und mit mehreren Hundert Auszubildenden größter Ausbildungsbetrieb der Stadt. Darauf ist die BVG stolz. Und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern merkt man beim Besuch der DGB-Sommertour auf dem BVG-Betriebshof Lichtenberg die große Verbundenheit zum Unternehmen in den Gesprächen an.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske und IG-BAU-Vorsitzender Rober Feiger mit Mike Chen (v.l.), dem Leiter der Omnibus-Werkstatt des BVG-Betriebshofs in Berlin-Lichtenberg DGB/U. Völkner/FOX

Kein Wunder also, dass sich die Beschäftigten mit innovativen Ideen ins Unternehmen einbringen. Zum Beispiel in der Omnibus-Werkstatt in Lichtenberg: Dort werden nicht nur die Busse selbst repariert und instand gesetzt. Seit einiger Zeit werden dort auch die Fahrersitze und inzwischen auch die Fahrgastsitze in einer eigens eingerichteten Werkstatt-Abteilung wieder fit gemacht. Früher, so berichtet Werkstattleiter Mike Chen, wurden defekte Sitze entsorgt und neue gekauft. "Das geht auch anders", dachten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und begannen, die Sitze selbst wieder aufzurüsten. Von den Sitzbezügen bis zur Technik und Mechanik wird in Lichtenberg inzwischen alles an beschädigten und defekten Sitzen selbst repariert und gereinigt.

Das besondere an der "Sitze-Werkstatt": Hier arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die "fahrdienstuntauglich" sind oder aus anderen gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen nicht mehr an ihren angestammten Arbeitsplätzen eingesetzt werden können. Neben diesem positiven Effekt für die Arbeitnehmer profitiert auch das Unternehmen von der Idee der Beschäftigten: Rund eine halbe Million Euro hat die BVG bereits gespart, weil die Sitze nicht mehr neu gekauft, sondern repariert werden. "So haben wir für die schwarze Null gesorgt", sagt Chen augenzwinkernd. Denn seit einigen Jahren macht die BVG keine Verluste mehr.

Dass die Beschäftigten sich aktiv ins Unternehmen einbringen können und mit ihren Anliegen in vielen Fällen auch durchkommen, liegt auch an der starken Mitbestimmungskultur bei der BVG, wie der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske betont: "Die BVG hat einfach sehr gute Personalräte", so Bsirske. Und diese starke Arbeitnehmermitbestimmung zeigt sich bereits beim Nachwuchs: Die Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (GJAV) der BVG ist mit diversen Projekten aktiv für die Azubis und jungen Beschäftigten. Gemeinsam mit den JAVen der Berliner Stadtreinigung (BSR) und der Berliner Wasserbetriebe haben die jungen GewerkschafterInnen zum Beispiel eine Umfrage unter Azubis zur Ausstattung ihrer Berufsschulen gestartet. Das Ergebnis war deutlich: Auch die Berufsschulen brauchen dringend mehr Investitionen - denn der Zustand der sanitären Einrichtungen und vieler Gebäude ist aus Sicht der Azubis nicht hinnehmbar. Ihr Appell an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der DGB-Sommertour: "Unterstützt uns beim Einsatz für bessere Berufsschulen."

Station 6: BASF Services Europe GmbH

Wie hält man Arbeitsplätze in Deutschland, die sich von überall auf der Welt erledigen lassen?

Praktisch alle großen deutschen Konzerne haben inzwischen "Shared Services"-Töchter, die sich etwa um die Buchhaltung, den Zahlungsverkehr oder das Controlling für das gesamte Unternehmen kümmern. Diese Service-Betriebe funktionieren multilingual und fast komplett online: Ob sie also in Deutschland oder anderswo angesiedelt sind, spielt rein technisch eine untergeordnete Rolle.

Auch BASF hat solch ein Tochter-Unternehmen: Die BASF Services Europe GmbH, die Zahlungsverkehr, Stammdaten-Pflege von Lieferanten und Kunden, Personalwesen, Controlling und Beschaffungswesen für alle BASF-Standorte europaweit organisiert. Doch anders als viele andere Unternehmen, die ihre Service-Töchter in Spanien, Irland, Osteuropa oder sogar außerhalb Europas angesiedelt haben, hat BASF Services Europe seinen Sitz im Berliner Szene-Stadtteil Friedrichshain.

Ida Schönherr, Betriebsratsvorsitzende BASF Services Europe GmbH Berlin

Starke "Mitbestimmerin": Ida Schönherr, Betriebsratsvorsitzende der BASF Services Europe GmbH in Berlin kümmert sich um die Belange von 1.400 Beschäftigten DGB/U. Völkner/FOX

Einen erheblichen Anteil an dieser Entscheidung hat die Gewerkschaft IG BCE, die mit tariflichen Regelungen für den Aufbau des Standorts in Berlin gesorgt hat. Als die Entscheidung anstand, in welchem Land sich die "Shared Services" von BASF ansiedeln, wäre es "plump gewesen, nur den Lohnkostenwettbewerb heranzuziehen - dann hätten wir verloren und fertig", so der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis beim Besuch der DGB-Sommertour am Berliner BASF-Standort. Also setzte die IG BCE auf tarifliche Regelungen mit BASF, die es ermöglichen, die "Shared Services" in Deutschland zu halten. Mit Erfolg: Was einst mit "fünf Mitarbeitern auf der grünen Wiese" begann, wie Vassiliadis es rückblickend beschreibt, hat sich inzwischen zu einem Standort mit rund 1.400 Beschäftigten aus aller Welt entwickelt.

"Die gute Zusammenarbeit mit der IG BCE ist eigentlich das Fundament der BASF Services Europe in Berlin", sagt Daniel Dornbusch, Managing Director der BASF Services Europe GmbH. Ein Satz, den man mit Sicherheit nicht in allen Unternehmen vom Arbeitgeber hören würde. Auch für Dornbusch ist klar: Die Entscheidung für den Standort Deutschland war die absolut richtige. "Theoretisch könnten wir unsere Dienstleistungen auch vom Mond aus anbieten", sagt der Managing Director mit Blick auf die fast ausschließlich onlinebasierten Dienste der BASF Services Europe. Den großen Unterschied, so Dornbusch, machten aber die Kompetenz und das Engagement der Beschäftigten aus: Und da sei Berlin der perfekte Standort, der Fachkräfte und AkademikerInnen aus aller Welt anziehe.

Und was die Beschäftigten in Berlin leisten, kann sich sehen lassen: Unter anderen werden rund 170.000 Bewerbungen für alle europäischen BASF-Standorte pro Jahr zentral in Berlin bearbeitet und der Finanzservice bewegt Tag für Tag Milliardenbeträge  des Unternehmens.

Inzwischen hat die IG BCE bei BASF Services Europe einen Organisationsgrad von zwölf Prozent. Im Vergleich zu anderen BASF-Unternehmensbereichen nicht viel, für die multinationale, junge und nicht gerade "industriell" geprägte Belegschaft aber eine ganze Menge, wie Betriebsratsvorsitzende Ida Schönherr stolz berichtet. Das liegt sicher auch an der guten Arbeit der ArbeitnehmervertreterInnen im Betrieb. Als nächstes Projekt hat sich Schönherr eine Betriebsvereinbarung zu "Sabbaticals" vorgenommen. Noch ist der Arbeitgeber nicht überzeugt - "aber ich habe einen langen Atem", so die Betriebsratsvorsitzende.


 

TAG 3: DIE STATIONEN DER DGB-SOMMERTOUR 2017
(Mittwoch, 26. Juli)
BVG-Betriebshof in Berlin-Lichtenberg BASF Services Europe GmbH in Berlin-Friedrichshain
organisiert von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
organisiert von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) befördern mehr als eine Milliarde Personen pro Jahr. Im Konzern arbeiten über 12.000 Menschen,  unter anderem als Fahrer und Fahrerinnen von U-Bahnen, Trams und Bussen. Außerdem betreibt die BVG Verkaufsstellen, Stellwerke und Betriebshöfe. Bezahlt wird nach dem TV-N Berlin. Trotzdem verdienen etwa 7.500 Beschäftigte weniger als 2.600 Euro brutto im Monat. Sie gehören damit zur Gruppe von Beschäftigten, denen Armut im Alter droht. Das Unternehmen ist voll mitbestimmt, in 8 von 9 Personalräten hat ver.di die Mehrheit. Aktuell mangelt es der BVG an Nachwuchs. Ein Grund ist die unattraktive Bezahlung. BASF ist nach Umsatz und Marktkapitalisierung der größte Chemiekonzern der Welt. Die Tochter in Berlin erbringt Serviceleistungen in den Bereichen Finance, Controlling, Human Resources und Beschaffung. Sie übernimmt zum Beispiel die Finanzbuchhaltung und die Gehaltsabrechnungen für über 200 BASF-Gesellschaften in Europa. Am Standort in Berlin sind 1.400 Menschen beschäftigt. Sie kommen aus mehr als 60 Nationen, 60 Prozent haben eine aka-demische Ausbildung. Zwei Drittel der Beschäftigten sind Frauen, jeden Monat kommen bis zu 50 neue Kolleginnen und Kollegen dazu. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2005 gilt ein Haustarifvertrag, der dafür gesorgt hat, dass Aufgaben und Jobs, die der Konzern nach Bratislava verlagern wollte, in Berlin gehalten werden konnten. Aktuelle Herausforderungen sind die Digitali-sierung und der interne Standortwettbewerb.

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