Seit Jahren steigen die Mieten in Deutschland und Europa an. Ein Grund: Die Privatisierung des öffentlichen Wohnungsbaus. In vielen Städten kämpfen deshalb immer mehr Menschen für bezahlbare Wohnungen. Es müssen endlich verbindliche Regelungen für bezahlbaren Wohnraum geschaffen werden, fordert der DGB-klartext.
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Wenn in Deutschland am 26. Mai die Stimmen für die Europawahl abgegeben werden, findet in Osnabrück noch eine weitere wichtige Wahl statt. Dort wird über die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft entschieden. In den letzten Monaten sammelte das Osnabrücker-Bündnis für bezahlbares Wohnen, dem auch der DGB angehört, mehr als 13.500 Unterschriften und erzwang so den Bürgerentscheid am kommenden Sonntag.
Der Hintergrund: Seit Jahren steigen die Mieten in Osnabrück und die Stadt hat kaum Möglichkeiten, regulierend in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Diese Situation wurde durch politische Fehlentscheidungen begünstigt, wie wir sie aus ganz Deutschland kennen (siehe Grafik). Die einstige Osnabrücker Wohnungsbaugesellschaft (OWG) verfügte vor rund 20 Jahren noch über fast 4.000 Wohnungen, in denen rund 10.000 Menschen lebten. Um den Haushalt zu sanieren, beschloss der Stadtrat 2002 einen Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft. Kritische Stimmen gab es damals genug. Die Initiative „Kein Verkauf der OWG“ versuchte die Privatisierung der kommunalen Gesellschaft noch zu verhindern. Auch aus SPD und Grünen kam Kritik – allerdings ohne Erfolg.
Heute erkennen immer größere Teile der Politik, dass die neoliberale Privatisierungsagenda der 2000er Jahre die heutige Misere auf dem Wohnungsmarkt maßgeblich verursacht hat. Immer klarer wird, dass öffentlicher Wohnungsbau elementar zur Mietpreisstabilisierung beiträgt. Es ist ein zaghafter Trend zur Neugründung von Wohnungsgesellschaften in öffentlicher Hand erkennbar. Dresden, beispielsweise, verkaufte 2006 seinen gesamten Bestand von 48.000 Wohnungen und gründete 2017 eine neue Wohnungsbaugesellschaft. Ihr Ziel: Der Bau von 800 Sozialwohnungen in drei Jahren. Auch die Stadt Kiel und das Land Bayern wollen wieder selber bauen. Das Land Berlin kauft in größerem Stil Wohnungen auf. Es wird jedoch Jahre dauern, bis die Fehler der Vergangenheit behoben sind und die öffentliche Hand wieder über einen ansehnlichen Bestand an bezahlbaren Wohnungen verfügt.
Quelle: BBSR-Datenbank Wohnungstransaktionen (Transakionen ab 800 Wohnungen)
In Osnabrück und vielen anderen Städten, aber auch europaweit, bildet sich eine Zivilgesellschaft, die für bezahlbares Wohnen kämpft. Pünktlich zur Europawahl fordert die europäische Bürgerinitiative „Housing for all“, dass die Europäische Kommission bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für bezahlbares Wohnen schafft. So soll der Zugang für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau erleichtert werden. Öffentliche Investitionen in günstigen Wohnbau dürfen nicht länger unter die europäischen Schuldenregeln fallen. Außerdem braucht es einen besseren Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger.
Europaweit sammelt die Bürgerinitiative jetzt Unterschriften. In Deutschland rufen unter anderem der DGB und der Mieterbund dazu auf, zu unterschreiben. Mit der Unterschrift unter www.housingforall.eu kann jeder und jede für bezahlbaren Wohnraum eintreten. Nicht nur am Europa-Wahltag! Und nicht nur in Osnabrück!