Seit über 100 Jahren wird heftig über das Leitbild der Vereinigten Staaten von Europa diskutiert. Dahinter steht die Idee einer grundlegenden Vertiefung der europäischen Integration und eine Europäisierung insbesondere der nationalen Wirtschaftspolitik. In einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe wurden die Vor- und Nachteile einer Vertiefung der EU-Wirtschaftspolitik ausführlich beleuchtet.
DGB/Evgeny Gromov/123rf.com
Seit über 100 Jahren wird unter den Linken heftig über das Leitbild der Vereinigten Staaten von Europa diskutiert. Dahinter steht die Idee einer grundlegenden Vertiefung der europäischen Integration und eine Europäisierung insbesondere der nationalen Wirtschaftspolitik. Im Kontext der aktuellen Corona-Krise ist das Thema wieder hoch aktuell: Wie können wir in Europa solidarisch und gestärkt aus der Krise hervorgehen? Welche Reformen sind notwendig?
Spätestens als der deutsche Finanzminister Olaf Scholz den EU-Wiederaufbaufonds als „Hamiltonian Moment“ bezeichnete, war die Debatte über eine grundlegende Neuausrichtung der EU Wirtschaftspolitik eröffnet. Mit dieser Bezeichnung verwies der deutsche Finanzminister auf die amerikanische Geschichte. Alexander Hamilton hatte als erster amerikanischer Finanzminister in den 1790er Jahren ein System von gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen eingeführt, was den politischen Einigungsprozess der Vereinigten Staaten beflügelte.
In einer dreiteiligen, digitalen Veranstaltungsreihe, ausgerichtet von Ver.di, IG Metall, DGB, der Hans-Böckler-Stiftung und der Friederich-Ebert-Stiftung, wurden die Vor- und Nachteile einer Vertiefung der EU-Wirtschaftspolitik ausführlich diskutiert. Die EU hat auf die Krise mit einem Integrationsschub reagiert. Mit dem neuen Corona-Aufbaufonds ist ein Sprung in eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik vollzogen worden.
Das 750 Milliarden Euro schwere, schuldenfinanzierte Programm „Next Generation EU“ ist ein Ausdruck von Solidarität, wie ihn sich die Gewerkschaften schon in der Finanz- und Eurokrise gewünscht hätten.
FES/Mark Bollhorst
Gleichzeitig ist die politische Steuerung dieses Fonds nur unzureichend geregelt. Die Gewerkschaften wurden nicht ausreichend konsultiert. Der Handlungsspielraum der europäischen Kommission wurde ausgeweitet ohne auf europäischer Ebene eine ausreichend demokratische Kontrollfunktion zu etablieren. Dem Europäischen Parlament wird nur Bericht erstattet.
Damit zeigt sich das Dilemma einer Vertiefung der EU-Wirtschaftspolitik: Einerseits ermöglicht sie der EU ein kohärentes und solidarisches Vorgehen. Andererseits schränkt sie aber auch den Handlungsspielraum von Gewerkschaften und nationalen Parlamenten ein. Die Frage der politischen Steuerung der Milliarden EU-Hilfen muss jetzt auf die Agenda.
Die demokratische Legitimation der EU hat nach der Finanzkrise deutlich gelitten. Umso wichtiger ist es, die Milliardenhilfen des EU-Aufbaufonds anders zu steuern. Gefragt ist eine neue Governance - weg von den strengen Defizitregeln, hin zu dezentraler und flexibler Steuerung. Auch eine Demokratisierung der Verfahren und eine effektive Konsultation der Sozialpartner sind überfällig.
Panel vom 18. März 2021: Mit Martin Höpner, Sophie Pornschlegel und Gesine Schwan
Panel vom 15. April 2021: Mit Waltraud Schelkle, Sebastian Dullien und Christian Odendahl