Es ist an der Zeit, den erhitzen ökonomischen Debatten um eine gemeinsame Schuldenaufnahme in Europa praktische Fragen zu der Art und Weise, wie das Geld sinnvoll ausgegeben werden soll, folgen zu lassen. In welchem Verhältnis stehen die Wiederaufbaupläne zu den bewährten EU Strukturfonds? Wer darf bei der Ausgabenplanung mitreden? Wie können die Wiederaufbaupläne zu einem gerechten sozial-ökologischen Wandel beitragen?
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Der Wiederaufbauplan für Europa beschäftigt in erster Linie makroökonomische Debatten. Unser Artikel beleuchtet das Thema aus dem Blickwinkel demokratischer Teilhabe und fragt danach, von wem auf welche Weise und wofür 750 Milliarden Euro ausgegeben werden sollen. Aus gewerkschaftlicher Sicht kommt es jetzt darauf an, das Europaparlament und die Sozialpartner stärker bei der Planung und Umsetzung einzubeziehen, damit die sozial-ökologische Transformation gelingen kann.
Wir setzen uns dafür ein, Wertschöpfungsketten mit qualitativ hochwertigen, tarifgebundenen Arbeitsplätzen zu erhalten und wo nötig, neue zu schaffen. Wenn Unternehmen aus Steuermitteln unterstützt werden, darf das nicht zu Lohn- und Sozialdumping führen. Davon profitieren alle: der umweltfreundliche Wohlfahrtsstaat von morgen, die Regionen und die Gesellschaft. Wird der sozial-ökologische Wandel von der überwiegenden Zahl der Menschen als ungerecht erlebt, gerät dagegen das europäische Projekt und letztlich die Demokratie in Gefahr.
Damit die regionalen Disparitäten in Europa kleiner werden, wurden einst die Europäischen Strukturfonds als Ausgleichmechanismus ins Leben gerufen. Über die Jahrzehnte hat hier die Beteiligung der Sozialpartner auf Augenhöhe Eingang in die Allgemeine Verordnung sowie demokratische Strukturen und Traditionen gefunden. In Deutschland wird das Partnerschaftsprinzip in immer mehr Bundesländern geschätzt. Auch die Europäische Kommission hat durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen herausgefunden, dass dort wo die Beteiligung der Sozialpartner gut funktioniert, die europäischen Mittel nachhaltiger eingesetzt werden und Korruption kaum vorkommt.
Bei der momentanen Bewertung der nationalen Wiederaufbaupläne hält die Kommission jedoch die Sozialpartner klein und sogar das Europäische Parlament erhält derzeit keine Antworten auf seine Fragen. Der Machtzuwachs der Kommission durch den Europäischen Wiederaufbauplan darf aus gewerkschaftlicher Sicht nicht zu weniger demokratischer Transparenz und Teilhabe führen. Im Gegenteil: Nur ein demokratisches Europa, bei dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gerechten sozial-ökologischen Wandel mitgestalten können, hat eine Zukunft.
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