Im zweiten Livestream am 25. November nahm der DGB die Pflege in den Fokus: "Gute Pflege für alle – gerecht finanziert" – unter dieser Überschrift wurde das DGB-Pflegekonzept für eine solidarische Weiterentwicklung der Pflegeversicherung mit Wissenschaft und Politik diskutiert. Darin, dass es dringender Verbesserungen bedarf, waren sich alle Diskutanten einig.
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Gleich zu Beginn der digitalen Veranstaltung machte Anja Piel, geschäftsführendes Mitglied des DGB-Bundesvorstandes deutlich, warum ihr das Thema bezahlbare Pflege so wichtig ist. Durch massiv steigende Eigenanteile verfehlt die Pflegeversicherung schon heute, aber erst recht in der Zukunft das zentrale Ziel, das Grund für ihre Einführung war: die solidarische Absicherung des Armutsrisikos Pflege. Lag der zu zahlende Eigenanteil für stationär Pflegebedürftige Mitte der Neunziger Jahre noch bei Null, so sind es mittlerweile durchschnittlich 786 Euro, die Monat für Monat privat aufzubringen sind. Ohne eine Reform wird sich der Eigenanteil in den nächsten 5 Jahren nach Meinung der Wissenschaft verdoppeln.
Soll dies verhindert werden, sind in einem ersten Schritt die Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu begrenzen. Da dies jedoch keine langfristige Lösung des Problems darstellt und auch das Gerechtigkeitsdefizit im Hinblick auf die Absicherung günstigerer Risiken in der privaten Pflegeversicherung nicht mindert, ist eine Systemreform dringend nötig. Der DGB fordert in diesem Sinne eine Pflege-Bürgerversicherung für alle, die sämtliche pflegerischen Kosten übernimmt.
Unterstützung bekam der DGB von Prof. Heinz Rothgang von der Universität Bremen. Er zeigte auf, dass das momentane Nebeneinander von Sozialer und Privater Pflegeversicherung keine adäquate Lastenverteilung im Sinne einer gerechten Kostentragung für alle Versicherten beinhaltet. Nur wenn es einen finanziellen Ausgleich mit jenen gäbe, die jünger, einkommensstärker und gesünder sind, könnten die Herausforderungen der Zukunft (bessere Versorgung durch bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Pflege) realisiert werden.
Auch Erich Irlstorfer, MdB und für die CSU Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, nahm die Vorschläge des DGB ernst, wenngleich er das Modell der Absicherung günstiger Risiken durch die private Pflegeversicherung nicht in Frage gestellt sehen wollte. Wichtig sei ihm, dass die Eigenanteile noch in dieser Legislaturperiode begrenzt würden und das Thema Pflege nicht im Wahlkampf zerredet werde. Bund, Länder und Kommunen müssten besser zusammenarbeiten. Eine ordnungspolitische Neuausrichtung sei unausweichlich.
Heike Baehrens, pflegepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion machte in der Runde deutlich, dass die im Eckpunktepapier des BMG skizzierten Vorschläge für eine Begrenzung der Eigenanteile Pflegebedürftiger zwar gut-, die des DGB-Konzeptes für eine Bürgerversicherung für alle jedoch aus ihrer Sicht besser seien. Damit würde das SPD-Konzept der Pflege-Bürgerversicherung gestärkt, wenngleich klar sein müsse, dass es tiefgreifende Veränderungen in der Finanzierung der Pflegeleistungen nicht von heute auf morgen geben könne. Trotzdem werde man das Gesamtkonzept Bürgerversicherung über einen längeren Zeitraum weiter verfolgen.
Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der LINKEN-Bundestagsfraktion, stellte klar, dass es keine Bestandsgarantie für diejenigen geben könne, die weniger für gute Pflege bezahlen als andere. Warum sollten diejenigen, die weniger verdienen, die finanzielle Hauptlast der Pflegekosten tragen, während Besserverdienende vergleichsweise weniger bezahlen müssten? Nur mit einem solidarischen Ansatz der Pflegebürgerversicherung sei es möglich, das Armutsrisiko in der Pflege zu verringern. Deshalb sei der DGB mit seinem Konzept für eine solidarische Weiterentwicklung der Pflege auf einem ‚guten Weg‘.
Mit einigen abschließenden Bemerkungen seitens des DGB wurde die Veranstaltung nach eineinhalb Stunden beendet. Darin wurde u.a. eingefordert, dass die angekündigte Reform noch unbedingt in dieser Legislaturperiode kommen müsse, denn die Zahl der Pflegebedürftigen steige weiter stark an. Die finanziellen Mehrbedarfe der Pflegeversicherung dürfen nicht den Versicherten aufgebürdet werden. Deshalb bedürfe es jetzt einer Deckelung, die den Systemwechsel zur Bürgerversicherung einleitet, aber auf einem Niveau, das den Menschen weiterhilft und sie spürbar entlastet.