Was verrät uns das Bundestagswahl-Ergebnis über den Stand der "Deutschen Einheit"? Aus wirtschaftspolitischer Perspektive tritt damit offen zu Tage, dass jedes Beschwören deutscher Einheit zur hohlen Phrase verkommt, wenn damit nicht auch ein aktives Handeln zur Beseitigung der ungleichen Arbeits- und Lebensverhältnisse einhergeht.
DGB/Simone M. Neumann
Wie noch nie seit 1990 zeigt sich kurz vor dem Tag der deutschen Einheit die Spaltung der Gesellschaft im Ergebnis der Bundestagswahl. Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD gilt als abgewählt und dem neuen Parlament werden künftig sieben statt wie bisher fünf Parteien angehören. Mit der FDP ist einer Partei der Wiedereinzug gelungen, bei der sich mit Ausnahme des Farbtons auf dem Fähnchen bisher nicht viel geändert hat, seit sie vor vier Jahren den Bundestag verlassen musste. Noch immer redet sie einer Wirtschaft das Wort, aus der sich der Staat möglichst heraushalten soll, also weitgehend Angebot und Nachfrage auf den Märkten die Lebensbedingungen der Menschen bestimmen sollen.
Aus Gewerkschaftssicht erschütternd ist aber vor allem, dass es der rechtsnationalistischen und offen fremdenfeindlichen AfD gelungen ist, mit 12,6 % der abgegebenen Stimmen in den Bundestag einzuziehen.
Mit Alternative ist bei dieser Partei nicht viel. Sie lässt auch im Ansatz keine Politik erkennen, die sich um einen Ausgleich zwischen Arm und Reich bemüht und will sogar die Erbschaftsteuer ganz abschaffen. Sie wurde auch von vielen gewählt, denen die Furcht vor dem Abstieg im Nacken sitzt. Dort, wo ganze Regionen als strukturarm und wirtschaftspolitisch abgehängt gelten, war der Zuspruch überdurchschnittlich hoch. Besonders drastisch zeigt sich das im Osten der Republik, wo die AfD je nach Bundesland zwischen 18,6 und 27 % der Stimmen auf sich vereinen konnte.
Aus wirtschaftspolitischer Perspektive tritt damit offen zu Tage, dass jedes Beschwören deutscher Einheit zur hohlen Phrase verkommt, wenn damit nicht auch ein aktives Handeln zur Beseitigung der ungleichen Arbeits- und Lebensverhältnisse einhergeht. So weist der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit aus, dass in Ostdeutschland gegenüber einem Bevölkerungsanteil von rund 15 % mehr als 26 % aller Erwerbslosen in Deutschland leben. Wer im Osten als Arbeitnehmer erwerbstätig ist, verdient je Stunde nur knapp 80 % des Einkommens eines westdeutschen Beschäftigten und auch die gesamtwirtschaftlichen Investitionen je Einwohner sind mit rund 70 % des westdeutschen Niveaus weit unterdurchschnittlich (siehe Grafik).
Grafik: DGB
Der DGB erwartet eine Politik, die sich den Menschen in diesem Land zuwendet. Dazu gehören eine bessere Rente und keine Kommission, die das Problem der niedrigen Renten und damit der drohenden Altersarmut auf die lange Bank schiebt. Wir fordern Investitionen in die marode Infrastruktur, damit die Zukunftsfähigkeit unseres Landes gesichert ist. Schulen müssen modernisiert, Personal eingestellt und die frühkindliche Erziehung verbessert werden. Auch die Polizei braucht mehr Personal, damit Sicherheit für alle gleich erfahrbar wird und nicht nur für diejenigen, die sich einen privaten Sicherheitsdienst leisten können. Soziale Gerechtigkeit ist das zentrale Thema angesichts von Herausforderungen wie Digitalisierung, Globalisierung und demographischer Entwicklung. Mit Jamaika?! Ja, wenn es Jamaika wird, dann muss Jamaika das umsetzen. Alle Parteien tragen soziale Verantwortung!