Immer mehr Menschen flüchten aus dem Ausland nach Deutschland. Sie möchten in Deutschland arbeiten und die deutsche Wirtschaft sucht Arbeitskräfte. Damit das auch klappt, muss sich einiges ändern - denn Sonntagsreden helfen in der Realität nicht weiter, schreibt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach in der Frankfurter Rundschau.
DGB/Simone M. Neumann
Annelie Buntenbach ist Mitglied des DGB-Bundesvorstandes. Sie schreibt regelmäßig als Autorin für die Kolumne Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau.
Politik und Wirtschaft diskutieren eifrig, ab wann der Flüchtling arbeiten darf. Ein Unterbietungswettbewerb ist im Gange – mittlerweile sind wir bei „sofort nach der Ankunft“ angekommen. Wenn Flüchtlinge möglichst früh arbeiten können, ist das gut – für sie selbst, die Wirtschaft, die Sozialversicherung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Aber sich in Sonntagsreden zu überschlagen, hilft in der Realität noch nicht weiter. Es müssen auch Sprach- und Integrationskurse finanziert, die Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen und Kompetenzen zügiger organisiert werden. Zudem haben noch lange nicht alle in dieser Gesellschaft auf „Willkommen“ umgeschaltet und können sich mit dem Grundkonsens anfreunden, dass wer hierher flieht, ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung hat. Die Gegenströmungen aus asylrechtlichen Hürden und Vorbehalten darf man nicht unterschätzen.
Ein Beispiel: Junge geduldete Flüchtlinge finden schwer einen Ausbildungsplatz. Bei ihrem Status ist nicht sicherzustellen, ob sie lange genug im Land bleiben können, um die Lehre zu beenden. Dabei können sie nichts an ihrem Status ändern. Sie haben ihn quasi von ihren Eltern geerbt – und tragen die Last von Asylverfahren, die vor Jahren gescheitert sind.
Junge geduldete Flüchtlinge brauchen einen Eltern unabhängigen, sicheren Aufenthalt für die Zeit der Ausbildung und der Jobsuche. Da sind sich Gewerkschaften, Arbeitgeber, Kirchen und einige Bundesländer einig. Aber die Bundesregierung mauert.
Sie hält daran fest, dass die Ausländerbehörden im eigenen Ermessen entscheiden können, ob eine qualifizierte Ausbildung durchgeführt werden kann. Was das bedeutet, erleben wir in Bayern. Der Freistaat hat seine Ausländerbehörden angewiesen, extensiv von generellen Arbeitsverboten für Flüchtlinge aus bestimmten Ländern Gebrauch zu machen. Zudem will Bayern über den Bundesrat die Leistungen für Asylbewerber einschränken und die Liste der sogenannten sicheren Drittstaaten verlängern.
Letzteres heißt: Im Asylverfahren werden individuelle Asylgründe und extreme Diskriminierungen von Minderheiten ignoriert. Anträge auf Schutzgewährung werden abgelehnt und Teilhabechancen verwehrt, obwohl die meisten Flüchtlinge aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen in Deutschland geduldet werden.
Solange es diese Abschreckungs-Praktiken gibt, ist eine Wende in der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen noch in weiter Ferne. Darüber täuscht auch keine Countdown-Debatte hinweg.