Besonders in Kleinbetrieben verdrängen Minijobs immer mehr sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse. Mit einem Anteil von rund 40 Prozent gibt es dort laut Bundesagentur für Arbeit sehr viele geringfügig entlohnte Beschäftigte. Minijobs haben einen Anteil von 17,8 Prozent an allen Beschäftigungsverhältnissen. Rund 7,4 Millionen Jobs sind also nicht sozial abgesichert – ein sozialpolitisch verheerender Befund.
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Von insgesamt rund 41,3 Mio. Beschäftigungsverhältnissen im Haupt- und Nebenerwerb sind 81,5 Prozent sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen und 17,8 Prozent geringfügig entlohnte Beschäftigungen, die sogenannten "Minijobs" (Daten der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30.06.2020). In kleineren Betrieben verschiebt sich das Verhältnis noch weiter zulasten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Dort werden besonders viele Minijobber*innen beschäftigt. In Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigen liegt der Anteil der geringfügig entlohnten Beschäftigten bei 22 Prozent und in Kleinbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten sogar bei rund 40 Prozent. Den negativen Effekt von einer steigenden Anzahl an Minijobs in Betrieben hat zuletzt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gezeigt: Demzufolge haben Minijobs in Kleinbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten knapp 500.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen verdrängt. Ein zusätzlicher Minijob ersetzt hier laut der Studie im Mittel eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle.
In diesem Zusammenhang kann auch mit dem gängigen Arbeitsmarkt-Mythos aufgeräumt werden, dass Minijobs ein Sprungbrett in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung seien. Viel mehr kommt es zu Lock-in-Effekten: Minijobs stellen für die Beschäftigten keine Brücke in eine sozialversicherte Beschäftigung dar, sondern sind viel mehr eine Sackgasse für die Geringverdiener*innen, wie auch eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums aufzeigt. Denn für sie lohnt es sich schlichtweg nicht, über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus zu arbeiten, da die Abzüge den Mehrverdienst oft übersteigen. Insbesondere Frauen, die mit einem Anteil von knapp 60 Prozent den Großteil aller Minijobber*innen ausmachen, wird durch die „Minijobs“ auch langfristig keine eigenständige Existenzsicherung möglich. Im Jahresdurchschnitt 2020 hatte jede sechste Frau einen Minijob. Zum Vergleich: Nur jeder elfte Mann war im gleichen Zeitraum ausschließlich geringfügig beschäftigt.
Während der Corona-Pandemie wurden die gravierenden Nachteile der Minijobs erneut deutlich: Viele geringfügig entlohnte Beschäftigte haben ihre Arbeitsstelle verloren und gelten als die großen Pandemie-Verlierer*innen. Während sich das Kurzarbeitergeld als sinnvolles arbeitsmarktpolitischen Instrument bewährt hat und die Arbeitsplätze von einer Vielzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter gerettet hat, sind Minijobber*innen durch das soziale Netz gefallen. Sie führen keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung ab und haben daher keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Zudem haben sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld: Verlieren ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte ihren Job, rutschen sie unmittelbar in die Grundsicherung ("Hartz IV"). Dies bedeutet für die Betroffenen massive Einkommensverluste und oft eine soziale Abwärtsspirale, die unbedingt gestoppt werden muss. Hinzu kommen eine Vielzahl weiterer negativer Arbeitsmarkteffekte, von denen die rund 7,4 Mio. Beschäftigungsverhältnisse betroffen sind: wie eine "Mini-Rente", nicht realisierte Arbeitszeitwünsche oder das illegale Vorenthalten von Arbeitnehmerrechten, wie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Der DGB setzt sich für eine schrittweise Umwandlung der Minijobs in sozialversicherte Beschäftigung ein, mit dem Ziel, eine bessere soziale Absicherung aller Arbeitnehmer*innen zu erreichen und die eigenständige Existenzsicherung insbesondere von Frauen zu gewährleisten. Deshalb darf es keinesfalls zu einer Ausweitung der Minijobs mit einer weiteren Anhebung der Minijob-Grenze oder zu einer Dynamisierung der Einkommensgrenzen kommen. Negative Effekte von Minijobs auf den Arbeitsmarkt wie insbesondere die Verdrängung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen könnten so ebenfalls ausgeschlossen werden.