Deutscher Gewerkschaftsbund

30.01.2020
Kompromiss zur Grundrente - Analyse und DGB-Forderungen

Grundrente umsetzen – Aufwertung geringer Renten überfällig

DGB lehnt Anrechnung der Einkommen zur Grundrente ab

Allen ist bekannt, dass das deutsche Rentensystem bei langjähriger Arbeit zu niedrigem Lohn nur unzureichende Renten gewährt. Schon seit vielen Jahren und Legislaturen wird daher diskutiert, geringe Renten aus langjähriger Beitragszahlung aufzuwerten. Doch aufgrund von Neiddebatten und aus Kostengründen wird dies immer wieder verworfen. Die CDU muss jetzt ihre Blockadehaltung aufgeben und zum gefundenen Kompromiss stehen.

Hand hält geöffneten, fast leeren Geldbeutel

DGB/Katarzyna Białasiewicz/123rf.com

Aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist eine Aufwertung der Renten nach langjähriger Arbeit mit geringen Löhnen zwingend notwendig. Denn unser Rentensystem ersetzt nicht 100 Prozent des Nettolohns. Nach 45 Beitragsjahren liegt die Ersatzrate aktuell bei rund 48 Prozent der durchschnittlichen Entgeltposition vor Steuern. Nach 45 Jahren Beitragszahlung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns beträgt die gesetzliche Rente damit weniger als das durchschnittliche Existenzminimum – und selbst wenn durchgehend zusätzlich vier Prozent in eine private Rente gespart würden, bleibt das Einkommen darunter. Damit müssen Beschäftigte mit Beginn der Rente zum Sozialamt gehen, obwohl sie ihr ganzes Leben lang in die Rentenversicherung eingezahlt und gearbeitet haben, um nicht zum Sozialamt zu müssen. Für diese Gruppe brauchen wir eine funktionale Regelung, die strukturell zu einem Rentenanspruch mindestens in Höhe des durchschnittlichen Existenzminimums führt. Jedenfalls für die Vergangenheit kann dies nur durch eine Aufwertung des bestehenden Rentenanspruchs gelöst werden – für zukünftige Beitragszeiten sind auch andere Optionen zusätzliche Beiträge denkbar.

Aufwertung geringer Rentenansprüche stärkt Akzeptanz der Rentenversicherung

Die Aufwertung geringer Rentenansprüche aus langer Beitragszahlung stärkt die Akzeptanz der Rentenversicherung deutlich. Sie sichert den Beschäftigten nach langjähriger Beitragszahlung, Kindererziehung und Pflege zu, dass die Rente regelmäßig wenigstens das Existenzminimum abdeckt. Der vorliegende Gesetzentwurf stockt die ausgezahlte Rente nach Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag deutlich auf. Bei Vollzeit zum gesetzlichen Mindestlohn ergäbe sich nach geltendem Recht eine ausgezahlte Rente von rund 660 Euro. Die Grundrente würde den Rentenanspruch um rund 270 Euro auf rund 930 Euro aufstocken und läge damit gut zehn Prozent über dem durchschnittlichen Existenzminimum.

Koalitionsvereinbarung durch Neiddebatte zerredet

CDU/CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass sie die „Lebensleistung“ von Menschen honorieren wollen, die Jahrzehnte lang Beiträge gezahlt haben und trotzdem nur einer kleine Rente erwarten. Diese Menschen sollen eine Grundrente bekommen, damit sie im Alter mehr haben und ihr „Einkommen“ über der Grundsicherung liegt. Die Koalitionsvereinbarung im Wortlaut umzusetzen hat sich nach ausführlichen Gesprächen mit Experten und Verbänden als in der Form nicht umsetzbar herausgestellt. Der Koalitionsvertrag regelte letztlich die Quadratur des Kreises: die Lebensleistung in Form langer Beitragszahlung soll „belohnt“ werden, in dem die Rente bei Grundsicherungsbeziehenden bedürftigkeitsgeprüft aufgestockt wird. Dies war zu bürokratisch und wenige Zielgenau. Es gab dann faktisch zwei Alternativen: einerseits ein Freibetrag in der Grundsicherung. Das bedeutet aber mehr und nicht weniger Menschen in die Fürsorge zu holen und entspricht nicht dem, was Beschäftigte unter einer „Grundrente“ verstehen und was sie zu Recht erwarten. Oder aber eine Aufstockung der eigenen Rente, wie es für Zeiten vor 1992 bereits gilt, ohne Einkommens- und Bedürftigkeitsprüfung. Was der Union zu teuer war und mit einer Neiddebatte über „Zahnarztgattinnen“ zerredet wurde.

Kompromiss verbessert dennoch Situation vieler Rentnerinnen und Rentner

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben sich stets für eine Grundrente ohne jede Bedarfs- und Bedürftigkeitsprüfung sowie ohne Einkommensanrechnung stark gemacht. Nur dies entspricht dem Grundgedanken, Lebensleistung zu honorieren. Dies gilt insbesondere, wenn die Anerkennung sogar noch vom Einkommen des Ehepartners oder der Ehepartnerin abhängt. Gegen die Fraktion der CDU/CSU war dies aber nicht durchzusetzen. Insoweit lehnen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die nun vorgesehene Einkommensanrechnung ab. Sie ist aber ein deutlicher Fortschritt gegenüber der von der CDU/CSU erwünschten vollen Bedürftigkeits- und Bedarfsprüfung einschließlich der Anrechnung des gesamten Vermögens über 5.000 Euro darstellt. Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass mit dem Kompromiss wenigstens die Situation von über einer Million Rentnerinnen und Rentnern verbessert werden soll, die trotz jahrzehntelanger Beitragszahlung mit niedrigen Renten auskommen müssen. Ohne den gefundenen Kompromiss würde für Menschen mit geringen Renten in dieser Legislatur erneut keine Verbesserung erreicht.

Nach 33 Jahren kann Grundrente zumindest anteilig gewährt werden

Bei den Beitragsjahren für die Wartezeit ist es zu begrüßen, dass nun bereits ab 33 Jahren eine Grundrente zumindest anteilig gewährt werden kann. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften hätten es begrüßt, wenn wie bei der Rente nach Mindestentgeltpunkten auch, alle rentenrechtlichen Zeiten angerechnet werden würden. Im Gesetzgebungsverfahren sollte dies nun nachgebessert werden: Zumindest die Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenrenten, Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie des Mutterschutzes einschließlich des Beschäftigungsverbots während der Schwangerschaft sollten auch zählen. Dabei geht es nicht darum, dass alle Jahre aufgewertet werden, sondern zunächst nur darum, dass die Menschen überhaupt Anspruch auf die Aufwertung bekommen. Welche Zeiten um wie viel aufgewertet werden, das ist die zweite Frage.

Freibetrag sollte allen gleichermaßen zustehen

Die Einführung der ergänzenden Freibeträge in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII), der Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII), in der Grundsicherung für Arbeitslose (SGB II), dem Bundesversorgungsgesetz und dem Wohngeld werden ausdrücklich begrüßt. Menschen, die vorgesorgt haben und trotz Grundrente ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können, werden so besser gestellt. Aus Gleichheitsgründen sollte aber im SGB II, SGB XII und dem Bundesversorgungsgesetz keine Beitragszeiten als zusätzliche Hürde aufgebaut werden, sondern der Freibetrag allen gleichermaßen zustehen.

Regeln zur Berechnung und Einkommensanrechnung vereinfachen

Es muss nun darum gehen, den gefundenen Kompromiss möglichst transparent, nachvollziehbar und bei der großen Zahl der Berechtigten einfach umzusetzen. Insbesondere die verwaltungsseitige Umsetzung muss schnell angegangen werden und mit den entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen hinterlegt sein, um die Verfahren ohne Zeitverzug einzuführen. Im Rahmen der Gesetzgebung muss noch einmal auf eine deutliche Vereinfachung der Berechnungsregelungen und der Einkommensanrechnung hingewirkt werden, gerade auch um den Bestand schnell und reibungslos einzubeziehen.

Der DGB begrüßt es, dass der Bundeszuschuss steigen soll, um die Grundrente aus Steuern zu finanzieren. Die dazu vereinbarte Finanztransaktionssteuer muss nun schnell gesetzlich geregelt werden.


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