Eine starke Industrie, gute öffentliche und private Dienstleistungen, das Handwerk und eine hohe Tarifbindung - das sind die Stützen unserer Volkswirtschaft. Damit das so bleibt, brauchen wir mutige statt marktgläubige Politik, fordert der DGB-klartext.
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat vergangene Woche seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgelegt. Die Antworten kamen prompt und reichten von Lob bis hin zu Entsetzen über die vermeintlich „planwirtschaftlichen“ Ansätze. Unter anderem die Mehrheit der Wirtschaftsweisen fühlte sich sofort berufen, ihr Mantra, der Markt regelt alles alleine, zu wiederholen.
Dabei steht fest: Es ist höchste Zeit, dass Schwung in die Debatte um die Ausgestaltung der Industriepolitik auf deutscher und europäischer Ebene kommt. Deutschland ist traditionell ein von industrieller Wertschöpfung geprägtes Land. Die Industrie trägt einen konstant hohen und im Vergleich zum EU-Niveau überdurchschnittlichen Anteil zum Bruttoinlandsprodukt bei (siehe Grafik).
Schlüsselbranchen wie die Chemieindustrie, der Maschinenbau oder die Automobilindustrie sind wichtige Säulen des Wohlstands in Deutschland. Die Tarifbindung in diesen Branchen ist hoch, gute Löhne tragen zu Verteilungsgerechtigkeit und makroökonomischer Stabilität bei.
Das Ziel, diesen wirtschaftlichen Schwerpunkt in Deutschland aufrechtzuerhalten und die industrielle Wertschöpfung sowohl in Deutschland als auch in Europa zu stützen, ist daher wichtig und notwendig. Die starken Industriezweige konnten den Finanzkrisen trotzen und trugen dazu bei, dass Deutschland vergleichsweise glimpflich durch die Wirtschafts- und Eurokrise kam und sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen europäischen Staaten gut entwickelt haben.
Quelle: Eurostat
Aktuell stehen wir jedoch vor großen Herausforderungen - nicht nur durch die Globalisierung und die zunehmenden Spannungen auf den internationalen Märkten, sondern auch durch gesellschaftliche Umbrüche rund um die Digitalisierung und die schrittweise Dekarbonisierung. Diese Treiber lassen Fragen zur Zukunft realwirtschaftlicher Produktion immer stärker in den Fokus rücken.
Eines sollte dabei klar sein: Wenn Industriepolitik sich an gesellschaftlichen Bedarfen orientiert, auf die nachhaltige Modernisierung unserer Wirtschaft ausgelegt und als Mittel zur Förderung guter Arbeit genutzt wird, dann kann sie Antworten auf konkrete menschliche und gesellschaftliche Probleme geben. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass ein aktiver Staat eine nachhaltige Struktur-, Energie- und Industriepolitik fördert und nicht allein den Märkten die notwendige Gestaltung überlässt.
Es darf dabei allerdings nicht darum gehen, den Industrie- gegen den Dienstleistungsbereich auszuspielen. Vielmehr sollte die Vernetzung der industriellen Wertschöpfung mit industrienahen Dienstleistungen gestärkt werden, sodass auch das Lohnniveau in den Dienstleistungsbranchen anzieht. Starke industrielle Kerne, ergänzt durch gute öffentliche wie private Dienstleistungen, ein starkes Handwerk und hohe Tarifbindung: Das sind die Stützen unserer Volkswirtschaft. Damit das so bleibt, muss in nächster Zeit einiges getan werden – mit mutiger statt marktgläubiger Politik.