Der Strukturwandel verändert die Wertschöpfungsketten. Gerade jetzt in der Corona-Krise wird klar, wie brüchig diese oft sind. Es braucht deshalb eine Strategie, die alles miteinander kombiniert: den Erhalt von Wertschöpfungsketten, zuverlässige Lieferbeziehungen, die ökologische und digitale Modernisierung sowie gute Arbeit. Dafür muss die EU in den nächsten Jahren sorgen.
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Die europäische Industrie steht mitten im Strukturwandel. Der ökologische Umbau und das Ziel der Klimaneutralität erfordern tiefgreifende Veränderungen der Produktionsweisen. Die Digitalisierung und der Übergang zur Elektromobilität eröffnen neue Geschäftsmodelle, neue Produkte und verändern die Wertschöpfungsketten. Zugleich ist das Umfeld durch Handelskonflikte und wachsende Unzuverlässigkeit von Lieferbeziehungen geprägt. In unserer Industrie treten Lieferengpässe auf. Gerade jetzt in der Corona-Krise sehen wir noch klarer, wie brüchig Wertschöpfungsketten zum Teil sind und wie fatal zum Beispiel bei Arzneimitteln die Abhängigkeit von Lieferungen aus China oder Indien sein kann. Die europäischen Krisenländer sind von Deindustrialisierung geprägt. Wir brauchen dringend eine Strategie, die die Erhaltung von Wertschöpfungsketten, zuverlässigen Lieferbeziehungen, die ökologische und digitale Modernisierung mit der Sicherung Guter Arbeit kombiniert. Deshalb finden wir gut, dass die EU-Kommission bei diesem Thema die Initiative ergreift.
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Wir unterstützen, dass die Kommission auf die Stärkung der Industrie setzt und dabei ganze Wertschöpfungsnetzwerke, einschließlich der industrienahen Dienstleistungen, einbeziehen will. Wir begrüßen die Ankündigung, dabei die Sozialpartner einzubeziehen und sind gern dabei. Allerdings sind viele Ankündigungen noch viel zu unkonkret. Auch setzt die Kommission weiterhin stark auf die Vertiefung des Binnenmarktes. Unter diesem Label wurde schon oft versucht, soziale und verbraucherpolitische Standards zu schleifen. Industriepolitik darf nicht auf Deregulierung, sondern muss aktiv auf strategische Investitionen, Förderung moderner Technologien und Innovationen setzen. Industriepolitik muss sich an dem Ziel guter Produkte, der Lösung gesellschaftlicher Probleme und Guter Arbeit orientieren.
Es fehlt vor allem noch an konkreten Aussagen zur Finanzierung. Für uns ist wichtig, dass im EU-Haushalt für die nächsten Jahre zusätzliches Geld für Investitionen in die industrielle Modernisierung eingesetzt wird. Es reicht nicht, auf private Beteiligung (etwa über ÖPP) zu hoffen oder Mittel aus den Strukturfonds in industriepolitische Projekte umzuleiten. Vielmehr muss der Haushalt kräftig aufgestockt werden. Wenn nur Mittel aus bestehenden Fonds umgeschichtet werden, ergibt sich in der Summe nicht der zusätzliche Impuls, den wir so dringend brauchen. Damit Mitgliedstaaten aktive Industriepolitik betreiben können, müssen die Verschuldungsregeln nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft gelockert werden. Außerdem muss Industriepolitik dafür sorgen, dass Wertschöpfungsketten verlässlich funktionieren und die Abhängigkeit von einzelnen Fabriken in China vermieden wird.