Deutscher Gewerkschaftsbund

08.11.2022
Veranstaltungsbericht DGB-Tag der Berufsbildung 2022

DGB-Tag der Berufsbildung 2022

Perspektiven schaffen: Ausbildungsgarantie Jetzt!

Dies war die zentrale Botschaft des DGB-Tag der Berufsbildung am 3. und 4.11.2022 in Berlin. Rund 160 Teilnehmer*innen waren sich einig ‒ es ist höchste Zeit für eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB, betonte in ihrer Rede: „Unser Ziel ist es allen jungen Menschen eine Perspektive zu geben und die Kosten der Ausbildung gerecht zu verteilen! Das geht nur mit einer umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie."

Tag der Berufsbildung 2022

Gordon Welters/ DGB

Ohne eine wirksame Ausbildungsgarantie droht dem dualen System der Berufsbildung auf lange Sicht ein erheblicher Substanzverlust. Lautstark beklagen Betriebe den Fachkräftemangel. Gleichzeitig geben sie jungen Menschen mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife zu selten eine Chance. Die Pandemie hat die Lage für junge Menschen auf dem Ausbildungsmarkt nochmals deutlich verschlechtert. In mehreren Gesprächsrunden diskutierten Vertreter*innen aus Wissenschaft, Praxis und DGB-Expert*innen Vorschläge zur Ausgestaltung einer Ausbildungsgarantie.

Wie kann der Übergang von der Schule in den Beruf besser gelingen?

Eine gute Berufsorientierung und gut funktionierende Jugendberufsagenturen sind Dreh- und Angelpunkt für das Gelingen – dies betonten Dr. Volker Born (ZDH), Martin Lieneke (Bundesagentur für Arbeit) und Frank Neises (Bundesinstitut für Berufsbildung). Die Kolpinghäuser haben eine lange Tradition und ursprünglich den wandernden Handwerksgesellen gedient. Mittlerweile bieten sie ein breitgefächertes und zeitgemäßes Angebot zu dem auch Jugendwohnen und Jugendsozialarbeit gehört, um jungen Menschen eine gute Ausbildung und Teilhabe zu ermöglichen. Ein wichtiges Angebot, da weites Pendeln oder ein Umzug schon aus rein finanziellen Gründen keine Option für viele junge Menschen ist. Das Auszubildendenwerk Bayern, eine noch recht junge Institution, wurde mit dem Ziel gegründet, die Lebens-, Ausbildungs- und Wohnbedingungen Auszubildender in München dauerhaft zu verbessern. Zwei Beispiele für Junges Wohnen über die Alissa Schreiber (Verband der Kolpinghäuser e.V.) und Simone Burger (DGB-Region München) in der Gesprächsrunde „Mobilität ermöglichen“ berichteten.

Wie kann eine Ausbildungsgarantie finanziert werden?

Ein gutes Beispiel gibt es seit vielen Jahren im Baugewerbe ‒ ein Umlagesystem. Alle Arbeitgeber zahlen Beiträge ein – gefördert werden daraus u. a. Ausbildungsplätze und Qualifizierungsmaßnahmen. Christine Heydrich (Sozialkasse des Berliner Baugewerbes): „Die entscheidende Frage ist nicht, ob sich die Betriebe die Ausbildungsumlage leisten können, sondern ob sie es sich leisten können auf eine Umlage zu verzichten.“ Prof. Dr. Gerhard Bosch (Universität Duisburg-Essen) war Vorsitzender einer Expertenkommission zur Einführung eines umlagefinanzierten Landesausbildungsfonds im Land Bremen. Diese hat einstimmig vorgeschlagen, eine Umlage einzuführen, um die außerbetriebliche Ausbildung für unversorgte Jugendliche sowie Unterstützungs- und Beratungsmaßnahmen für Betriebe zu finanzieren. „Die Bremer Wirtschaft als Ganzes profitiert von den zusätzlich ausgebildeten Fachkräften, so dass die Gruppennützigkeit der Umlage gegeben ist.“ so Prof. Dr. Bosch. Dem Land Berlin steht die Gesetzgebungskompetenz für eine gesetzliche Regelung zur Ausbildungsplatzfinanzierung zu, so das Ergebnis eines kürzlich veröffentlichten Rechtsgutachtens. Bis Ende des Jahres will der Berliner Senat sein Konzept zur Ausgestaltung einer Ausbildungsumlage vorstellen. Jim Frindert (DGB-Jugend Berlin Brandenburg) betonte, dass sie diesen Prozess begleiten und ihre Ideen einbringen werden.

Beispiel Österreich

Philipp Ovszenik (Österreichischer Gewerkschaftsbund) berichtete über die Umsetzung der Ausbildungsgarantie in Österreich. „Kein Jugendlicher sollte ohne Job oder Ausbildung auf der Straße stehen und verdient die bestmögliche Unterstützung für die bevorstehende Berufslaufbahn“, so Ovszenik. Ein wesentliches Element des Konzepts der Ausbildungsgarantie des DGB ist der Anspruch auf eine außerbetriebliche, vollqualifizierende Berufsausbildung als Auffangnetz für alle Bewerber*innen, die trotz Unterstützung nicht in die betriebliche Ausbildung einmünden. Philipp Ovszenik diskutierte mit Klaus Knappstein (Berufsfortbildungswerk des DGB) über die Qualität der überbetrieblichen Ausbildung, den Wechsel in betriebliche Ausbildung, die Erfolgsquoten in der Abschlussprüfung und die Chancen eines dauerhaften Übergangs in einen Betrieb ‒ basierend auf den bereits gemachten Erfahrungen in Österreich.

Elka Hannack

Gorden Welters/ DGB

Ein Pakt für Berufliche Schulen

„Wir erwarten, dass ein Pakt für Berufliche Schulen kommt – ohne wenn und aber.“ so Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, in ihrer Rede. Die Gewerkschaften werden sehr genau darauf achten, dass die Bereiche Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik des Koalitionsvertrages nicht hinten runterfallen und mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden. In der Podiumsdiskussion zu den bildungspolitischen Vorhaben der Bundesregierung diskutierten Oliver Kaczmarek (SPD), Thomas Jarzombek (CDU) und Elke Hannack u. a. über den Berufsschulpakt, das Kooperationsgebot, die Exzellenz-Initiative berufliche Bildung und den im Koalitionsvertrag angekündigten Bildungsgipfel.

Der zweite Tag der Veranstaltung startet traditionell mit der Vorstellung des DGB-Ausbildungsreports. Schwerpunkt des diesjährigen Ausbildungsreports ist die Berufsorientierung. „Die Jugendberufsagenturen müssen mit ihrer Arbeit sichtbarer und noch enger als bisher mit den Schulen zusammenarbeiten“, sagt Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär. Die schulische Berufsorientierung schnitt in der Befragung schlecht ab: Fast drei Viertel der Befragten gaben an, dass ihnen an der Schule kaum bei der Berufswahl geholfen wurde. Überdies haben nicht einmal 29 Prozent der Befragten die Berufsberatung der Agentur für Arbeit genutzt.

In den anschließend parallel stattfindenden Workshops diskutierten die Teilnehmer*innen mit Kollegen*innen des DGB, der IGM, ver.di, unterstützt durch bfw und IAB über Handlungsstrategien für die Arbeit in den Berufsbildungsausschüssen zu den Themen duales Studium, Integration von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, mobiles Lernen in der Ausbildung, Gewinnung junger Prüfender sowie Fachkräftesicherung. Die Ergebnisse der Workshops werden demnächst in unserem Veranstaltungsarchiv veröffentlicht.

Die Veranstaltung hat uns erneut gezeigt, wie viele wichtige und herausfordernde Themen ‒ bei allem bereits Erreichten – in der beruflichen Bildung vor uns liegen.


 


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