Deutscher Gewerkschaftsbund

E-Government

12.10.2022
eGovernment MONITOR 2022

Digitale Verwaltungsangebote: Der moderne Staat lässt weiter auf sich warten

Staat und Verwaltung benötigen einen Digitalisierungsschub

Die elektronische Grundsteuererklärung macht deutlich, warum Deutschland bei der Digitalisierung nicht vorankommt: Komplizierte Prozesse, unbekannte Angebote und wenig bis keine Nutzerfreundlichkeit. Kein Wunder also, dass auch der aktuelle eGovernment MONITOR 2022 Bund und Ländern ein eher bescheidenes Zeugnis bei der Digitalisierung der Verwaltung ausstellt.

Elektronische Darstellung von Akten, Symbolbild

DGB/thodonal/123rf.com

Die Digitalisierung der Verwaltung ist mal wieder Dauerthema: Während die elektronische Grundsteuererklärung aktuell aufzeigt, warum Deutschland sich beim Thema Digitalisierung selbst im Wege steht, läuft in Kürze die Frist für das Onlinezugangsgesetz (OZG) aus und mit der Digitalstrategie hat die Bundesregierung nun konkrete Maßnahmen vorgestellt, wie sie den Staat bis 2025 digital fit machen möchte. Beim Dauerbrenner Digitalisierung der Verwaltung ist also wieder Bewegung erkennbar. Dies ist auch nötig, wirklich weitergekommen sind wir im letzten Jahr nicht. Digitale öffentliche Dienstleistungen erreichen die Bürger*innen auch weiterhin kaum. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest der aktuelle eGovernment MONITOR der Initiative D21.

Der moderne Staat lässt aus Sicht der Bürger*innen weiter auf sich warten. Laut eGovernment MONITOR steht zwar fest, dass die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie weitere Initiativen auf Bundes- und Landesebene in der Summe zu einem Anstieg der online zur Verfügung stehenden Leistungen geführt haben. Allerdings ist mittlerweile auch klar, dass man von dem ursprünglichen Ziel, 575 flächendeckend online bereitgestellte OZG-Leistungsbündel bis Ende 2022 anzubieten, weit entfernt ist. Aktuell sind 49 OZG-Verwaltungsleistungen (Stand: August 2022) online, die vollständig digital abgewickelt werden können – inklusive aller Nachweise und Bescheide. Für die weiteren Leistungen wurde jüngst die Frist bis 2025 verlängert.

Nun sagt die bloße Anzahl an digitalisierten Angeboten noch nicht viel aus. Dass digitale Angebote existieren, ist zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für ein nutzendenzentriertes und flächendeckend genutztes E-Government. Laut eGovernment MONITOR zeigt sich: Wer Online-Leistungen schon einmal genutzt hat, würde dies zwar häufig erneut tun – die Wiedernutzungsbereitschaft der Online-Leistungen liegt demnach bei über 90 Prozent –, doch der Anteil der E-Government-Nutzer*innen stagniert weiterhin auf einem ähnlichen Niveau wie in den vergangenen zwei Jahren. Die Gründe dafür sind verschieden. Zum einen sind viele Leistungen, wie die Beantragung von Urkunden oder das Ummelden des Wohnsitzes, keine regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Zum anderen aber haben viele der abgefragten Nutzungshürden zugenommen, etwa schlicht Unbekanntheit der Services, die zu komplizierten Vorgänge oder eine fehlende medienbruchfreie Abwicklung.

Werfen wir also einen Blick auf die zentralen Ergebnisse aus dem eGovernment MONITOR 2022. Diese sind wie schon in den Vorjahren entlang der Dimensionen Bekanntheit, Nutzung und Zufriedenheit bzw. Barrieren und Einstellung untersucht worden:

Bekanntheit von E-Government-Angeboten

Um E-Government-Angebote nutzen zu können, müssen Bürger*innen wissen, dass die Leistung bei Bedarf online wahrgenommen werden kann und wo sie ihr Anliegen online abwickeln können. Hier gibt es noch viel Luft nach oben.

In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist nach wie vor die Suchmaschine der bevorzugte Einstieg der Bevölkerung, um relevante Informationen zu Verwaltungsleistungen zu finden. Wird nicht dieser Weg gewählt, so ist davon auszugehen, dass die Bürger*innen eher über die Internetseite der Kommune als über die des Bundeslandes oder des Bundes suchen.

Menschen in Stadtstaaten (60 Prozent) beginnen ihre Suche häufiger über eine Suchmaschine als in Flächenländern (50 Prozent). Dort wiederum beginnen die Menschen ihre Suche häufiger über die kommunale Website (38 Prozent vs. 28 Prozent in den Stadtstaaten), auch wenn Suchmaschinen der Hauptzugangsweg bleiben. Ältere Generationen (Generation bis 1945, Nachkriegsgeneration und Babyboomer*innen) steigen häufiger über die Webseiten der kommunalen Behörden ein, statt eine Suchmaschine aufzurufen.

Bei den jüngeren Generationen (Generationen X, Y und Z) kehrt sich das Verhalten um. Insbesondere die „Digital Natives“ der Generationen Y und Z suchen Verwaltungsangebote im Netz viel häufiger per Suchmaschine als über die Internetseiten der kommunalen Behörden.

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Nutzung von E-Government-Angeboten

Laut Bericht ist kaum Bewegung zu sehen, wenn es um die Nutzung digitaler Verwaltungsleistungen innerhalb der letzten zwölf Monate geht. In Deutschland und in der Schweiz bleibt das Vorjahresniveau bestehen, in Österreich fällt die Nutzung geringfügig zurück auf das Niveau von 2020.

In Deutschland (und in geringerem Maße auch in der Schweiz) nimmt die Nutzung mit steigendem Alter ab und liegt in der Altersgruppe ab 55 Jahren nur noch bei 49 Prozent. In Österreich hingegen ist die E-Government-Nutzung in der jüngsten Altersgruppe am geringsten.

Zwischen den Bundesländern variiert die E-Government-Nutzung aktuell von 47 Prozent bis 64 Prozent. Es gibt also eine Differenz von 17 Prozentpunkten. Die Bundesländer mit der höchsten E-Government-Nutzung sind die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, gefolgt von den besonders kleinen Flächenländern Schleswig-Holstein und Saarland. Auf der anderen Seite stehen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, welche beide gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang in der Nutzung von 6 bzw. 7 Prozentpunkten zu verzeichnen haben.

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Zufriedenheit mit E-Government

Mit der Leitfrage „Wie beurteilen Nutzerinnen und Nutzer ihre Erfahrungen mit der digitalen Verwaltung“ geht es um die Zufriedenheit der E-Governmentnutzung.

Laut eGovernment MONITOR sind 2022 bereits viele Verwaltungsleistungen lange online verfügbar, sodass theoretisch eine ausreichende Zahl von Menschen Nutzungserfahrungen mit diesen Online-Verwaltungsleistungen sammeln konnten. Daher erfolgte die Auswertung in diesem Jahr zur Zufriedenheit anhand einzelner Online-Verwaltungsleistungen.

Mit dem Bestellen von Urkunden etwa sind grundsätzlich viele Bürger*innen konfrontiert, eine solche Bestellung muss aber im Einzelfall eher selten erledigt werden. Mehr als ein Drittel der Personen mit entsprechendem Bedarf nutzt diese Leistung (auch) online, den meisten ist der Onlinezugang aber noch unbekannt. Dabei handelt es sich in Deutschland um die Leistung, welche bei den Nutzenden die höchste Zufriedenheit aufweist.

Die Abgabe der Einkommensteuererklärung ist wiederum eine relevante Kernleistung. Hier wird regelmäßig und von vielen Bürger*innen das Online-Angebot genutzt. Es besteht demnach ein hoher Digitalisierungsgrad. Trotz der komplexen Durchführung sind die Nutzenden mit der Leistung überdurchschnittlich zufrieden.

Die An-, Um- oder Abmeldung des Wohnsitzes ist eine Verwaltungsleistung, die zwar nicht sehr häufig gebraucht wird, die jedoch mehr oder weniger alle Menschen im Laufe ihres Lebens in Anspruch nehmen müssen. Die aktuelle Online-Nutzung ist sehr niedrig, was auch am heterogenen und größtenteils noch nicht realisierten Online-Angebot der Kommunen liegt. Zudem handelt es sich nicht um eine einzelne Leistung, sondern organisatorisch um ein ganzes Bündel an unterschiedlichen Leistungen. Dort, wo eine Online-Nutzung bereits (teilweise) möglich ist, liegt die Zufriedenheit laut Bericht etwa im Mittel aller Leistungen.

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Barrieren und Einstellungen

Um die Nutzungshäufigkeit von E-Government zu steigern und die Zufriedenheit der nutzenden Bürger*innen zu erhöhen, bedarf es eine Betrachtung der Gewohnheiten und Einstellungen jedes und jeder Einzelnen gegenüber der digitalen Verwaltung. Aber auch mögliche Barrieren müssen betrachtet werden. Diese wurden in der Studie konkret abgefragt. Laut eGovernment MONITOR ist die Wahrnehmung von Barrieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz angestiegen. Einige Barrieren belasten das Nutzungserlebnis von mittlerweile beinahe der Hälfte der Bevölkerung. Zu den größten Barrieren gehören etwa komplizierte Verfahren oder mangelnde Durchgängigkeit. Oder aber dass das Verfahren schlicht nicht online verfügbar ist. Auch hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit und Auffindbarkeit ist noch viel Luft nach oben.

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Der Bericht aus Perspektive des DGB

Insgesamt bestätigt der eGovernment MONITOR auch in diesem Jahr wesentliche Analysen zum Stand der Digitalisierung der Verwaltung. So ist festzuhalten, dass in Deutschland auf Ebene der Kommunen, Länder und des Bundes zwar viel passiert, die Bemühungen aber entweder nicht ausreichen oder in die falsche Richtung gehen.  

Für Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, steht fest:

"Deutschlands Verwaltung hinkt in Sachen Digitalisierung noch immer massiv hinterher, obwohl in den letzten Jahrzehnten so viele Milliarden in den digitalen Staat gesteckt wurden, wie in kaum einem anderen Land der Welt. Die Ergebnisse sind bis heute für viele Bürgerinnen und Bürger mehr als dürftig und lassen zu Recht an der Leistungsfähigkeit der Verwaltung zweifeln. Was in der generellen Debatte darüber aber leider zu kurz kommt, ist die Beschäftigtenperspektive. Viele Kolleginnen und Kollegen verzweifeln an veralteten Strukturen, fehlendem Know-how und kurzfristigen politischen Entscheidungen. Staat und Verwaltung benötigen jetzt einen grundlegenden Digitalisierungsschub und vor allem Investitionen in Köpfe, Ausstattung, Qualifizierung und Weiterbildung, um aktuelle und künftige Herausforderungen meistern zu können."



Weitere Informationen zur Studie finden sie HIER

Der eGovernment MONITOR untersucht seit 2010 den Fortschritt der digitalen Transformation in Verwaltung und Staat in Deutschland, Österreich und der Schweiz, seit 2021 auch im deutschen Bundesländervergleich. Im Fokus stehen dabei die Bekanntheit und Akzeptanz von digitalen Verwaltungsleistungen bei den Bürger*innen sowie die Nutzung entsprechender Angebote.


Nach oben
  1. Deutschland hat nach wie vor Nachholbedarf
  2. Digitale Verwaltungsangebote: Der moderne Staat lässt weiter auf sich warten
  3. Digitale Verwaltungsangebote: Deutschland scheitert an steigender Erwartungshaltung der Bürger:innen
  4. Ad-hoc-Digitalisierung, pandemiebedingt
  5. Wie werden behördliche Fachanwendungen zu Problemlösern?
  6. Deutschland gewinnt beim Thema eGovernment an Boden
  7. Digitalisierung der Justiz: Die E-Akte
  8. Klaus Vitt: "Es bedarf einer zeitgemäßen Cyber-Sicherheitsarchitektur"
  9. Bundesrechnungshof: 53 Millionen Euro für ungenutzte Technik
  10. Öffentlicher Dienst braucht mehr digitale Kompetenzen
  11. Daten gegen Lösegeld? Wie Kommunen sich vor Hackern schützen
  12. Recht auf Grundschulung "IT-Sicherheit" für öffentlich Beschäftigte
  13. Stellungnahme des DGB zum "Entwurf eines Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes"
  14. Reiner Hoffmann beim 4. Zukunftskongress „Staat & Verwaltung“
  15. Hannack: In der Behörde auf eigenes Fachpersonal setzen
  16. Elektronische öffentliche Dienste für die Bürgerinnen und Bürger – diskriminierungsfrei, mehrsprachig, bedarfsgerecht
  17. Digitalisierung: Erfahrung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst
  18. Digitalisierung selbst gemacht
  19. Stellungnahme zum Normenscreening der Bundesregierung
  20. Öffentliche Verwaltung: Mehr Wertschätzung bitte!
  21. DGB-Stellungnahme zum Bürokratieentlastungsgesetz (BT-Drucksache 18/4948)
  22. Fusion zum Bundesrechenzentrum: DGB drängt auf verbindliche Einbeziehung
  23. Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen „Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“
  24. Digitale Verwaltung: Bürgerinteressen haben Priorität
  25. Vernetzt und transparent - Bundesverwaltung soll moderner werden
  26. Für Innovationen, Fortbildung, und Führungskräfteentwicklung in der Bundesverwaltung