Deutscher Gewerkschaftsbund

27.04.2023

"Die 41-Stunden-Woche ist ein echter Wettbewerbsnachteil"

Interview mit Laura Pooth, Vorsitzende des DGB Nord

Der DGB Nord begleitet als beamtenpolitische Spitzenorganisation die Beamtenpolitik von Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Dabei geht jedes der drei Bundesländer unterschiedlich vor, insbesondere, wenn es um die Besoldung ihrer Beamtenschaft geht. Über die besoldungsrechtlichen Folgen und die Forderungen des DGB Nord haben wir aus Anlass der Veröffentlichung des DGB Besoldungsreports 2023 mit Laura Pooth, Vorsitzende des DGB Nord, gesprochen.

Spielfiguren stehen um eine blaue Spielfigur, die erhöht auf einem Münzstapel steht

DGB/Tofotografie/colourbox.com

In Schleswig-Holstein haben Beamt*innen eine 41-Stunden-Woche. Damit leisten sie vier Stunden länger Dienst im Monat als ihre Kolleg*innen in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Faktisch entwertet dies die Besoldung im nördlichsten Bundesland. Was muss sich hier ändern?

Die amtsangemessene Alimentation und die Attraktivität sowohl der Besoldung als auch der Versorgung sind inzwischen im gesamten Bezirk Nord ständige Themen. Die jeweiligen Situationen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden sich dabei deutlich. In allen drei Ländern haben wir unterschiedliche politische Mehrheiten und Kulturen.

In Schleswig-Holstein macht im Ländervergleich insbesondere die 41-Stunden-Woche das Beamtenverhältnis unattraktiv. Das ist ein echter Wettbewerbsnachteil im Kampf um die besten Köpfe. Bisher hält die Landesregierung an dieser Regelung fest, eine wirkliche politische Diskussion findet hierzu nicht statt. Der DGB wirbt dafür, Entlastungen für alle Beamt*innen bei der Arbeitszeit in den Blick zu nehmen. Dies gilt auch für die Pflichtstunden der Lehrkräfte. Auch im Bereich der Besoldung sind weitere Maßnahmen zur Stärkung der Attraktivität erforderlich. Schleswig-Holstein hat im Bereich der Besoldung und insbesondere bei den Eingangsbesoldungen in den letzten Jahren vergleichsweise viel getan. Gerade für neue Beamt*innen wurde die Besoldung gezielt erhöht. Eine Reihe von Forderungen des DGB und seiner Gewerkschaften wurden umgesetzt. Nun darf sich Schleswig-Holstein aber keinesfalls auf Maßnahmen der Vergangenheit ausruhen. Auch die anderen Länder schlafen nicht.

Portrait Laura Pooth Vorsitzende des DGB-Nord

DGB Nord

Laura Pooth ist die Vorsitzende des DGB Nord, einem von insgesamt neun Bezirken des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der DGB Nord begleitet als beamtenpolitische Spitzenorganisation die Beamtenpolitik von Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Mecklenburg-Vorpommern liegt im Besoldungsranking auch eher auf den hinteren Plätzen. Schießt das Land vor dem Hintergrund des dringend benötigten Fachkräftenachwuchses damit nicht ein Eigentor?

Definitiv. Mecklenburg-Vorpommern steht im Wettbewerb um qualifizierte Bewerber*innen in direkter Konkurrenz mit dem Bund und den anderen Ländern. Insbesondere die Metropolen Hamburg und Berlin besitzen eine hohe Anziehungskraft für junge Menschen. Da muss ein strukturschwaches Flächenland schon etwas anbieten. In Mecklenburg-Vorpommern fehlen aktuell u.a. Berufsfeuerwehrleute, Lehrkräfte, Jurist*innen sowie Polizist*innen. Dabei ist es ein echtes Problem, wenn Mecklenburg-Vorpommern gerade neuen Beamt*innen nur eine im Ländervergleich niedrige Besoldung anbietet. Der DGB wirbt dafür, die bestehenden Probleme in der Personalgewinnung offensiv anzugehen. Wir haben die Landesregierung aufgefordert, mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zeitnah einen Dialog darüber zu beginnen, mit welchen konkreten Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Besoldung und Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern gesichert werden kann. Die Termine stehen mittlerweile fest. Ich hoffe, dass wir hier gemeinsam vorankommen werden.  

Besoldungsempfänger*innen in Hamburg erhalten zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Alimentation in den Jahren 2022 bis 2025 eine sogenannte Angleichungszulage. Aktuell wirkt sich das im Besoldungsvergleich mit den anderen Bundesländern positiv aus. Fraglich ist, ob diese Besoldungspolitik als vorausschauend bezeichnet werden kann. Wie schätzt Du das ein?

Die Angleichungszulage ist eine Hamburger Besonderheit. Sie soll temporär eine amtsangemessene Alimentation ermöglichen und nach aktuellem Stand im Jahr 2026 wieder abgeschafft werden. Die Versorgungsempfänger*innen bekommen sie gar nicht. Hamburgs Beamt*innen brauchen aber Verlässlichkeit bei der Besoldung und Versorgung. Die Angleichungszulage bietet dies nicht. Stattdessen macht der Hamburger Senat in der Besoldungspolitik das, was er für unbedingt notwendig hält. Der DGB hat den Hamburger Senat deswegen aufgefordert, die Angleichungszulage über das Jahr 2025 hinaus zu entfristen und in die Tabelle einzubauen. Auf diesem Weg könnten auch die Versorgungsempfänger*innen gemäß ihrem individuellen Versorgungssatz von der Zahlung profitieren. Gleichzeitig würde die Attraktivität der Besoldung in Hamburg im Wettbewerb mit dem Bund und anderen Ländern gesichert werden. Was mich in Hamburg aber besonders erschreckt hat, ist das schlechte Abschneiden bei den Bezügen der Anwärter*innen. Hamburg ist für junge Menschen ein teures Pflaster. Die Stadt Hamburg sollte auch im Ländervergleich fair mit ihrem Nachwuchs umgehen und die Bezüge entsprechend erhöhen.


Nach oben

Die Abteilung

Ihre Ansprechpartner:innen beim Deutschen Gewerkschaftsbund
weiterlesen …

DGB-Podcast "Richtig wichtig."

Teaser zum DGB-Podcast Richtig wichtig. Unterwegs mit Beamt*innen im Dienst der Gesellschaft
DGB
Beamtenwitze kennt jeder, doch Realität und Klischee haben nicht viel gemein. In unserem Podcast hört ihr, wie der Arbeitsalltag der Beamt*innen tatsächlich aussieht.
zur Webseite …
Pod­cast "Rich­tig wich­tig" abon­nie­ren
Abonniere hier unseren Podcast bei allen gängigen Streamingdiensten.
weiterlesen …

Unser Magazin

BM - Das Magazin für Beamtinnen und Beamte des DGB bietet Wissenswertes zu Besoldung, Versorgung und Beihilfe in Bund und den Ländern.
weiterlesen …

DGB-Initiative gegen Gewalt

"Ver­giss nie, hier ar­bei­tet ein Men­sch"
Gruppe Testimonilas der Initiative
DGB
Niemand sollte Gewalt am Arbeitsplatz erfahren müssen. Dennoch sind gerade jene, die im Dienst der Gesellschaft stehen, davon besonders häufig betroffen. Deshalb sagen wir gemeinsam: Gewalt gegen die Beschäftigten im öffentlichen und privatisierten Sektor muss ein Ende haben!
zur Webseite …

Jährliche Veranstaltung

Schö­ne­ber­ger Fo­rum
Schöneberger Forum Grafik
DGB
Jedes Jahr im Herbst lädt das DGB-Bildungswerk in Kooperation mit dem DGB und der Zeitschrift "Der Personalrat" zum Schöneberger Forum nach Berlin ein. Unsere Fachtagung für den öffentlichen Sektor richtet sich an Beamtinnen und Beamte sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Personalräten, Gewerkschaften, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
zur Webseite …

Service für Beamt:innen

Be­sol­dungs­rech­ner für Bund und Län­der
Berechnen Sie Ihre Bezüge
Nahaufnahme weibliche Hand am Taschenrechner
DGB/morganka/123rf.com
Mit dem Besoldungsrechner können Beamt*innen des Bundes, der Länder und Kommunen ihre Bezüge ausrechnen.
weiterlesen …

Weitere Themen

Zu­sam­men für De­mo­kra­tie. Im Bun­d. Vor Or­t. Für Al­le.
Gruppe junger Menschen stehen lachend im Kreis und legen ihre Hände aufeinander
DGB/rawpixel/123rf.com
„Zusammen für Demokratie. Im Bund. Vor Ort. Für Alle“: Unter diesem Motto haben wir uns mit rund 50 anderen Organisationen zu einem starken Bündnis zusammengeschlossen. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie – und alle, die hier leben.
Zur Pressemeldung

1. Mai 2024: Mehr Lohn, mehr Frei­zeit, mehr Si­cher­heit
1. Mai 2024. Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit.
DGB
Tag der Arbeit, Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung: Am 1. Mai rufen wir Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. 2024 steht der 1. Mai unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Das sind unsere 3 Kernversprechen. Wir geben Antworten auf die zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft.
weiterlesen …

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
DGB
Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
weiterlesen …

ein­blick - DGB-In­fo­ser­vice kos­ten­los abon­nie­ren
einblick DGB-Infoservice hier abonnieren
DGB/einblick
Mehr online, neues Layout und schnellere Infos – mit einem überarbeiteten Konzept bietet der DGB-Infoservice einblick seinen Leserinnen und Lesern umfassende News aus DGB und Gewerkschaften. Hier können Sie den wöchentlichen E-Mail-Newsletter einblick abonnieren.
zur Webseite …