Seit September 2022 ist der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke in Amt und Würden. Wir sprachen mit ihm über die zunehmende Gewalt gegenüber Polizist*innen, über das, was die GdP diesbezüglich von der Politik fordert und darüber, was den Polizeiberuf aus seiner Sicht dennoch attraktiv macht.
Jochen Kopelke ist seit September 2022 Vorsitzender der GdP. Kay Herschelmann
Dass die Gewaltbereitschaft insbesondere gegen Polizeibeamt*innen und Rettungskräfte weiter zunimmt, hat leider auch die Silvesternacht wieder einmal deutlich gemacht. Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, hat der DGB die Initiative Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch ins Leben gerufen. Was müsste aus deiner Sicht getan werden, um diese Entwicklung zu stoppen?
Die Idee hinter der DGB-Kampagne ist nach wie vor richtig. Wir konnten gemeinsam die Aufmerksamkeit für dieses ernste Problem spürbar erhöhen. Wir müssen jedoch dranbleiben, das Thema ist – leider – sehr aktuell, weiterhin gibt es Übergriffe in Nahverkehrsmitteln, Amtsstuben und eben auch bei Polizei- oder Rettungseinsätzen. Angesichts der bestürzenden Vorfälle der jüngsten Silvesternacht hat die GdP nun einen Runden Tisch gefordert. Wir wollen sehr schnell Politik, Integrationsbeauftragte, Wissenschaft, Sozialarbeit, Polizei und Rettungskräfte in eine Debatte bringen. Am Ende müssen Ergebnisse, klare Konzepte und ein Plan herauskommen, wer was umzusetzen hat. Eine Einsatznacht wie die letzte darf sich zum nächsten Jahreswechsel nicht wiederholen. Somit ist der Zeitrahmen gesetzt.
In vielen Arbeitsfeldern im öffentlichen Dienst verbindet sich der demografische Wandel schon heute mit akuten Rekrutierungsproblemen. Wie sieht das bei der Polizei aus? Was macht die Arbeit bei der Polizei aus deiner Sicht attraktiv und was müsste sich verbessern?
Auch bei der Polizei erfahren wir zunehmend einen Mangel an geeigneten und motivierten Bewerber*innen. Das nur zur Kenntnis zu nehmen, wäre aus Sicht des Dienstherrn zutiefst fahrlässig. Da die Pensionswelle längst über die Polizei schwappt und gleichzeitig weniger junge Menschen sich für die Arbeit in der Polizei interessieren, braucht es eine schwungvolle, wirksame Attraktivitätsoffensive. Die Arbeit bei der Polizei ist gleichermaßen herausfordernd wie erfüllend. Das, was man macht, hat Hand und Fuß, und es ist ein Dienst für jede Bürgerin / jeden Bürger, unsere Gesellschaft und zum Schutz unserer Demokratie. Das lässt sich kaum steigern. Spürbar verbessern müssen sich jedoch die Rahmenbedingungen polizeilicher Arbeit. Das gilt natürlich auch für das Rückgrat der Polizeiarbeit – bei den Beamt*innen sowie Tarifbeschäftigten in der Verwaltung, Spezialist*innen und weiteren Servicebereichen. Die Wirtschaft ist da weiter. Dort wird den veränderten Bedürfnissen junger Arbeitnehmenden längst in der Praxis Rechnung getragen. Die Polizei zeigt erste, gute Ansätze, hinkt jedoch noch hinterher. Unter dem Strich kann die Polizei den Wettbewerb um die besten Kräfte so nicht gewinnen. Dazu kommen übrigens noch teils erheblich voneinander abweichende Regelungen für Polizeibeschäftigte, die weitestgehend einen föderalen Hintergrund besitzen. Mit unserer Kampagne 100 für 100 haben wir 2021 mit dem Finger darauf gezeigt. Da geht es vor allem um die Besoldung und Tarifverträge, die Ausstattung, die Digitalisierung und föderal abweichende Gesetzeslagen.
In Folge der Föderalismusreform I entwickelten sich in Bund und Ländern die Arbeitszeitregelungen der Beamt*innen auseinander. Trotz identischer Belastungen bestehen unterschiedliche Arbeitszeit- und Ausgleichsbedingungen für die Kolleg*innen. Was sind für euch die zentralen Mindeststandards für gute Arbeitszeitregelungen in der Polizei, die erfüllt sein müssen?
Die Arbeitszeit beschäftigt uns seit vielen Jahren. Und ja, wir sind unzufrieden. Unser Bundeskongress hat 2018 in einem Leitantrag dazu klare Ansagen gemacht So soll unter anderem die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in einem 7-Tage-Zeitraum nicht überschritten werden. Wir wollen eine regelmäßige Arbeitszeit auf bundesweit höchstens 35 Stunden. Bei flexiblen Schichtdienstmanagementsystemen fordern wir eine verbindliche Dienstplangestaltung mit möglichst langen Vorlaufzeiten. Ebenso fehlt uns noch eine bundesweit einheitliche Definition für die Begriffe „Mehrarbeit“, „Zuvielarbeit“ und „Überzeitarbeit“ sowie eine Jahreshöchstgrenze für Mehrarbeit. Alternativlos ist, dass sogenannte Bereitschaftszeiten unterschiedslos auf die Arbeitszeit anzurechnen sind.