Deutscher Gewerkschaftsbund

Von Amtsangemessenheit bis Zulagenwesen

08.12.2021
Interview

Wir sind nur gemeinsam stark

In der Tarif- und Besoldungsrunde 2021 für die Beschäftigten der Länder konnte in der dritten Verhandlungsrunde ein Ergebnis zwischen den Verhandlungspartnern, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und den Gewerkschaften erzielt werden. Mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di, Christine Behle, sprachen wir über das Ergebnis und dessen Einordnung.

Christine Behle, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di

ver.di / Kay Herschelmann

Am 28. November gab es in den Tarifverhandlungen eine Einigung. ver.di führte die Verhandlungsgruppe seitens der Gewerkschaften an. Was wurde für die Beschäftigten erreicht?

Die Ausgangssituation war denkbar schwierig. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wollte nur verhandeln, wenn wir Verschlechterungen bei der Eingruppierung akzeptieren. Diesen Angriff konnten wir abwehren, weil landauf, landab Beschäftigte in Aktionen und Warnstreiks deutlich gemacht haben, dass sie bereit sind, für ihre Interessen einzustehen. Nach schwierigen Verhandlungen konnten wir in der Nacht zum 29. November ein hart erkämpftes Ergebnis erzielen: Ab 01.12.2022 werden die Tabellenentgelte um 2,8 Prozent erhöht. Durchsetzen konnten wir außerdem eine Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro, die Anfang des Jahres 2022 für ALLE Beschäftigten der Länder ausgezahlt wird, nicht nur bestimmte Beschäftigungsgruppen. Die Sonderzahlung ist coronabedingt steuer- und abgabenfrei. Sie hat eine stark soziale Komponente, weil sie insbesondere in den niedrigen Einkommensbereichen spürbar ist. Gegenüber der Tabellenerhöhung stellt die Sonderzahlung bis zum 01.12.2022 außerdem einen echten Mehrwert dar! Um den Nettowert der Sonderzahlung zu erreichen, müsste zum Vergleich, die Vergütung in der EG 6 Stufe 6 um 5,1 Prozent erhöht werden.

Wie stark haben die Corona-Pandemie und zum anderen die vergleichsweise hohe Inflationsrate, die wir seit diesem Sommer erleben, die Tarifverhandlungen geprägt?

Bei jeder Tarifforderung spielt auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, zu der auch die Inflation gehört, eine wesentliche Rolle, denn natürlich sollen unsere Mitglieder am Ende des Tages tatsächlich mehr Geld im Portmonee haben und dieses Plus soll auch während der Tarifvertragslaufzeit nicht von steigenden Preisen aufgefressen werden. Die Inflation wird in diesem Jahr im Durchschnitt voraussichtlich drei Prozent betragen. Zu Beginn des Jahres war sie niedrig, ab dem Sommer ist sie gestiegen, was an steigenden Energiepreisen liegt, die sich aus dem Anspringen der Konjunktur nach der Pandemie ergeben. Auch der wegen Corona gesenkte Mehrwertsteuersatz treibt die Inflation. Beide Effekte sind nicht nachhaltig, sodass wir davon ausgehen, dass die Preise in den kommenden Jahren wieder sinken werden. Führende Wirtschaftsinstitute prognostizieren in ihrer Gemeinschaftsdiagnose für 2022 2,5 Prozent und für 2023 1,7 Prozent.

Die Lohnerhöhung aus dem Tarifergebnis von 2019 um 1,4 Prozent zu Beginn dieses Jahres und die Erhöhung um 2,8 Prozent zum 01.12.2022 in Kombination mit der steuerfreien Einmalzahlung in Höhe von 1.300 Euro gleichen die Inflation für die Kolleg:innen der Länder aus. Weil sie steuer- und sozialversicherungsfrei ist, geht der volle Betrag aufs Konto, was grade jetzt, wo Strom- und Gaspreise drastisch steigen, hilfreich ist.

Beamt:innen dürfen bekanntlich nicht streiken. Ihnen stehen aber alle Möglichkeiten offen, sich unterhalb der Warnstreikschwelle an Aktionen zu beteiligen. Mit welchen Aktionen wurden Beamt:innen in die Tarifrunde einbezogen und hat das aus deiner Sicht gut geklappt?

Das Grundrecht auf gewerkschaftliche Betätigung, Demonstrationsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung steht allen Beamt:innen zu. Sie dürfen an Kundgebungen, Demonstrationen und betrieblichen Aktionen in der Tarif- und Besoldungsrunde außerhalb ihrer individuellen Arbeitszeit teilnehmen. Auf gewerkschaftlichen Veranstaltungen ist das Tragen von Dienstkleidung grundsätzlich zulässig.

Unsere verbeamteten ver.di-Kolleg:innen haben sich unter diesen Bedingungen sichtbar und bundesweit in der Länderrunde engagiert, beispielsweise die Kolleg:innen der Fachgruppe Feuerwehr Niedersachen/Bremen, die in Uniform und teilweise sogar mit Einsatzfahrzeugen an Kundgebungen teilnahmen. Ebenso die Beamt:innen aus dem Justizbereich in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die mit den ver.di-Forderungen vor ihre Landesministerien zogen. Kolleg:innen aus der Steuerverwaltung Bayern haben in Potsdam bei den Tarifverhandlungen mitdemonstriert. Fest steht: Wir sind nur gemeinsam stark. Tarifbeschäftigte und Beamt:innen müssen solidarisch und in möglichst großer Zahl für ihre Forderungen eintreten. Nur dann haben wir Erfolg!

 


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  1. Amtsangemessene Alimentation
  2. Weiterhin Unsicherheit und Zweifel
  3. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Einigung erzielt
  4. Bundestag beschließt Anpassungsgesetz
  5. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Warnstreiks werden ausgeweitet
  6. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Verhandlungsauftakt
  7. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: 10,5 Prozent mehr – mindestens 500 Euro
  8. Inflationsausgleichszahlungen 2023: Abschlagszahlungen geplant
  9. Bund: Besoldungs- und Versorgungsanpassung kommt
  10. Bund muss bei Besoldung aufholen
  11. Gewerkschaften erklären Verhandlungen für gescheitert
  12. Tarifrunde öffentlicher Dienst Bund und Kommunen 2023
  13. Alle zusammen für mehr Geld
  14. Besoldung: Bundesbeamt*innen müssen 2022 keinen Widerspruch einlegen
  15. Tarifrunde Bund und Kommunen
  16. Verfassungskonforme Alimentation
  17. Besoldungsrunden Länder und Kommunen 2022/2023
  18. Wir sind nur gemeinsam stark
  19. Wie geht es mit der Besoldung weiter?
  20. Öffentlicher Dienst der Länder: Tarifverhandlungen abgeschlossen
  21. Die Warnstreikwelle rollt
  22. Öffentlicher Dienst der Länder: Auftakt der Tarifverhandlungen
  23. Tarifrunde Länder: 5 Prozent für die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst
  24. „Was mir Sorge bereitet, sind die mittlerweile sehr großen Besoldungsunterschiede zwischen den Ländern"
  25. DGB-Besoldungsreport 2021: Politik im Reparaturmodus
  26. Vorbildliches Signal des Bundesinnenministeriums
  27. Besoldungsanpassung 2021/2022 beschlossen
  28. Bundesbesoldung: Anpassungsgesetz 2021/2022 auf dem Weg
  29. Beamtinnen und Beamte erhalten Corona-Sonderzahlung 2020
  30. Dynamik in der Einkommensentwicklung der BeamtInnen
  31. Tarifrunde Bund und Kommunen: 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro!
  32. 4,8 % für die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen
  33. Zur Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien
  34. Karlsruhe konkretisiert Rechtsprechung zur amtsangemessenen Besoldung
  35. Bund und Kommunen: Gewerkschaften beschließen Kündigung der Entgelttabellen
  36. Nachwuchsgewinnung im öffentlichen Dienst – Vorbereitungsdienst besser bezahlen!
  37. Besoldung: Bundestag verabschiedet Modernisierungsgesetz
  38. Modernisierung Besoldungsrecht: Anhörung im Innenausschuss des Bundestages
  39. Besoldung: Familienzuschlag wird nicht reformiert
  40. Die Besoldungsrunden der Länder und Kommunen
  41. Besoldung auf dem Prüfstand: Einige Länder müssen nachsteuern
  42. Besoldungsstrukturenmodernisierungs-Gesetz: Viel Schatten, wenig Licht
  43. Besoldung: Entwurf eines Modernisierungsgesetzes liegt vor
  44. Tarifrunde der Länder 2019 - Gewerkschaften fordern: mindestens 200 Euro mehr
  45. Hannack fordert Dialog zu Wochenarbeitszeit und Zulagen
  46. Besoldungsrunde Bund 2018-2019-2020: Gesetzentwurf liegt vor
  47. Öffentlicher Dienst: Besoldungspolitik nach Kassenlage
  48. DGB begrüßt Plus auch für Bundesbeamte
  49. Gewerkschaften fordern: mindestens 200 Euro mehr
  50. Bundesbeamte: Übertragung des Tarifergebnisses erreicht
  51. Urteil: Ämterbündelung mit Grundgesetz vereinbar
  52. Richter-Besoldung: Gerechtes Einkommen per Gerichtsurteil?
  53. Bundesverwaltungsgericht: Urteil zu Beamten-Besoldung nach Alter
  54. Beamte: Übernahme von Tarifergebnissen muss Standard werden
  55. DGB begrüßt Urteil des EuGH zur altersdiskriminierenden Besoldung
  56. Öffentlicher Dienst: Tarifabschluss wird auf BeamtInnen des Bundes übertragen
  57. DGB Besoldungsreport: 18,5 Prozent – Tendenz steigend
  58. Tarif- und Besoldungsrunde 2014: Gemeinsam für gute Ergebnisse
  59. Beamtenbesoldung: Keine Entscheidungen nach Gutsherrenart
  60. Besoldung folgt Tarif? Keine Selbstverständlichkeit mehr
  61. Beamtengehälter: Spar- statt Besoldungsrunde?
  62. DGB will einheitliche Besoldung für Beamte in Bund und Ländern
  63. Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes (BBVAnpG 2012/2013)
  64. Gewerkschaften beweisen Verhandlungsstärke im öffentlichen Dienst
  65. Auswirkungen des BAG-Urteils zur Urlaubsstaffel des TVöD auf die Beamtinnen und Beamten
  66. DGB begrüßt Urteil zur hessischen Professorenbesoldung
  67. Verfassungsmäßigkeit der Professorenbesoldung des Landes Hessen
  68. Altersdiskriminierung: BAT verstößt gegen europäisches Recht
  69. DGB begrüßt zügige Besoldungsanpassung für Beamte und übt Kritik an Nullrunde für Pensionäre
  70. Stellungnahme zur Anhörung: Gesetzentwurf zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund
  71. Frauen im Staatsdienst finanziell benachteiligt
  72. Knut Rexed: "Moderne Verwaltung braucht ein flexibleres System"
  73. Bayern will bessere Beförderungsmöglichkeiten für Beamte
  74. Weiterhin Besoldungskürzungen für Bundesbeamte geplant