Deutscher Gewerkschaftsbund

27.10.2022
Dürre, Hoch- und Niedrigwasser

Kann der öffentliche Dienst Klimakrise?

Spätestens seit den Dürrejahren ab 2018 jagt eine Horrormeldung die nächste. Überschwemmungen hier, extreme Trockenheit dort. Auch in Deutschland treten Flüsse und Bäche über die Ufer, werden zum Rinnsal oder versiegen ganz. Wälder brennen oder sterben ab, Ernten vertrocknen. Klar ist, dass sich die öffentliche Infrastruktur an den Klimawandel anpassen muss. Wir haben uns in zwei Arbeitsbereichen angeschaut, was das bedeutet.

Grafik: Farbige Streifen in Blau- und Rottönen symbolisieren die Temperaturveränderungen in Deutschland seit 1881 von links nach rechts. Rechts wird es immer röter (Temperaturanstieg)

CC Ed Hawkins, https://showyourstripes.info

Laut der Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen waren die letzten sieben Jahre die wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Die globale Mitteltemperatur, der wichtigste Klimaindikator, ist seit der vorindustriellen Zeit um 1,1 Grad gestiegen. Und bereits heute sehen wir teils drastische Folgen, auch im scheinbar stabilen Mittel- und Nordeuropa. In Deutschland stehen wir mittlerweile bei 2,3 Grad Erwärmung, da sich Landmassen doppelt so schnell erwärmen wie Ozeane. Bei 3 Grad globaler Erwärmung wären in Deutschland deshalb rund 6 Grad zu erwarten, erklärt Prof. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. In Berlin wäre es dann wärmer, als es heute in Madrid ist.

Climate will change

Wenn die Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahren nicht massiv gesenkt werden, wird die Bedrohung durch Hitzewellen und Starkniederschlägen weiter steigen. Gleichzeitig stellt sich schon heute die Frage, ob ausreichend Infrastrukturen und Ressourcen existieren, um mit der Klimakrise umgehen zu können. Den politischen Rahmen hierfür bildet die Deutsche Anpassungsstrategie (siehe Infokasten). Und vielerorts findet Anpassung natürlich schon statt. Im Norden etwa werden seit einigen Jahren sogenannte Klimadeiche gebaut, die auf den steigenden Meeresspiegel reagieren und über eine Baureserve verfügen. Vielerorts wird das Konzept der Schwammstadt diskutiert und teilweise umgesetzt, als Reaktion auf Dürre bzw. Starkregen. Und das Ausmaß und die verschiedenen Dimensionen der Klimakrise zeigen sich auch im Forst und in der Wasserwirtschaft.

Deutsche Anpassungsstrategie

Seit 2008 soll die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) auf den Klimawandel antworten. Unter Leitung des Umweltministeriums erarbeiten Behörden und Wissenschaft Risikoanalysen, von der Forst- und Landwirtschaft über die Mobilität bis zur Gesundheit. Informationen über den Klimawandel werden bereitgestellt, Handlungsoptionen erarbeitet. In Aktionsplänen werden bspw. Kommunen angehalten, lokale Anpassungsbedarfe zu ermitteln, was vielerorts geschieht. Beim Umweltbundesamt gibt es zudem das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass). Unter anderem wird hier der Bundespreis „Blauer Kompass“ vergeben, der jedes Jahr Projekte zur Anpassung an den Klimawandel auszeichnet.

Klimagerechte Wälder bauen

Laut der letzten Waldzustandserhebung haben in Deutschland nur noch 21 Prozent der Bäume komplett intakte Kronen. Wer in diesem Frühsommer mit dem Zug von Hagen nach Siegen fuhr, blickte links und rechts der Bahnlinie auf eine grünbraun gescheckte Landschaft. Auch im Siegerland wurden in der Vergangenheit Mischwälder durch Monokulturen ersetzt, um das Holz schnell zu Geld machen zu können. Vor allem die Fichte prägte das Bild. Die letzten Dürresommer hat sie aber nicht überlebt.

„Bisher waren die Fichten bei uns immer gut mit Wasser versorgt. Jetzt sind sie vertrocknet. Die seit den Siebzigerjahren gepflanzten Bestände sind heute alle tot, davon steht nichts mehr. Wir reden hier wohlgemerkt vom Siegerland und vom Westerwald, das sind eigentlich regenreiche Regionen mit jährlich 900 Liter Niederschlag pro Quadratmeter“, erklärt Siegfried Rohs. Er ist als Forstwirtschaftsmeister in der IG BAU aktiv und war lange Jahre auch im Hauptpersonalrat Forst in Rheinland-Pfalz.

In den letzten Jahren habe sich die Lage zugespitzt, viele Flüsse und Bäche seien schon im Juni ausgetrocknet. Die heimischen Baumarten, also Buche, Eiche oder Ahorn, kämen mit der Trockenheit zwar einigermaßen zurecht. Aber die Nadelhölzer, sprich 30 bis 40 Prozent der Bestände, seien tot. Die Flächen müssten nun neu bepflanzt und gepflegt werden, aber anders als bisher: „Wir müssen neue, klimagerechte Wälder aufbauen. Und das kann ich nicht alleine mit Maschinen machen, dafür brauche ich Fachkräfte“, erklärt Rohs. Im Prinzip könne man die Klimaanpassung zwar stemmen, aber der öffentliche Dienst müsse personell besser aufgestellt werden. Nicht nur die Forstverwaltung sei ausgedünnt.

Zu wenig Wasser, oder zu viel

Fehlende Niederschläge sind aber nicht nur für Bäume ein Problem, sondern auch für Flusslandschaften. Zu spüren bekommen das auch die Kolleg:innen, die nicht weit vom Siegerland entfernt, die Biggetalsperre bei Attendorn betreuen. Michael Schmitt ist einer von ihnen. Er ist Personalrat, bei ver.di aktiv und arbeitet seit 1995 als Stauanlangenmeister beim Ruhrverband. Der größte Wasserwirtschaftsverband Nordrhein-Westfalens kontrolliert Wassermenge und -qualität im Einzugsgebiet der Ruhr. Knapp 1.000 Beschäftigte stellen hier die Versorgung von 4,6 Millionen Menschen sicher.

Der Klimawandel sei auch an der Biggetalsperre spürbar, erklärt Schmitt. Mittlerweile sei es schwer, die Regulierung der Talsperre längerfristig zu planen. „Einerseits haben wir das 14. Jahr in Folge mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen. Die sommerlichen Trockenphasen werden immer länger und müssen durch das Wasser aus den Talsperren ausgeglichen werden. Andererseits wurde nach dem Hochwasser aus dem Sommer 2021 mit den Überwachungsbehörden diskutiert, ob auch über das Jahr verteilt Stauraum in der Talsperre vorhanden sein muss“, führt er aus. In einem Moment Dürre, im nächsten Moment Starkregen, das sei ein großes Problem. „Wann stauen wir ein, wann stauen wir ab? Was ist die Mindestwasserabgabe? Solche Fragen werden uns auch weiter begleiten“, ist sich Schmitt sicher.

Personalnot

Abgesehen vom Niederschlag teilen Wald- und Wasserwirtschaft ein weiteres Problem: die Personalnot. Michael Schmitt erklärt, dass die Rekrutierung gerade im ländlichen Bereich nicht einfach sei. „Auf Lehrstellen bewerben sich nur wenige. Der öffentliche Dienst wird oftmals nicht mehr als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen“, führt er aus. Die Entgelt- und Arbeitsbedingungen müssten sich weiter verbessern. Im Forst wiederum wurden seit 1990 Reviere zunächst deutlich vergrößert und Personal gekürzt. Das betraf vor allem die Forstwirte, also die Beschäftigten, die die körperliche Arbeit im Wald machen. „Früher hatten wir im Staatsforst Rheinland-Pfalz ca. 2.300 Beschäftigte über alle Laufbahngruppen. Seit den Neunzigerjahren wurde die Zahl auf 1.461 reduziert. Dadurch kann man heute nicht mehr selbst reagieren, etwa bei Schnee- oder Windbruch. Wir müssen immer erst ein Unternehmen finden“, erklärt Siegfried Rohs. Gerade mit Blick auf die nächsten Jahre sei das fatal, weil der nötige naturnahe Waldumbau personalaufwendig sei.

Prävention und Resilienz

Der Blick auf Forst- und Wasserwirtschaft zeigt, dass eine präventive Anpassung an den Klimawandel alternativlos ist. Klimabedingte Schäden müssen durch technische, soziale und politische Maßnahmen vermieden und gegebenenfalls ausgeglichen werden. Resilienz und Prävention rücken in den Fokus. Der Staat muss in der Klimakrise nicht mehr nur aktuelle Problemlagen verwalten, vor allem muss er kommende Krisen antizipieren. Diese Sichtweise vertritt auch das Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zum Klimaschutz: Die staatliche Schutzpflicht umfasse auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor Gefahren des Klimawandels zu schützen. Das gelte auch in Bezug auf künftige Generationen (1 BvR 2656/18; Beschl. v. 24.3.2021).

Dafür braucht es unter anderem Frühwarnsysteme, Flutmauern, entsiegelte Flächen, Kühlräume in überhitzten Stadtquartieren. Und das sind in weiten Teilen öffentliche Aufgaben. Ob der öffentliche Dienst dafür gerüstet ist, ist fraglich. Das liegt zum einen daran, dass er über lange Jahre heruntergewirtschaftet wurde und personelle Kapazitäten oft fehlen. Und es liegt an Arbeits- und Entgeltbedingungen, die nicht konkurrenzfähig sind. Angesichts der Größenordnung des Problems fordern DGB und Gewerkschaften deshalb eine Investitionsoffensive, die nicht zuletzt auch die öffentliche Infrastruktur an die Klimakrise anpasst. Die personelle Ausstattung der öffentlichen Hand bildet dafür die Basis.

Lesetipp: „Anpassung an den Klimawandel und die Arbeitswelt – ein Leitfaden für Gewerkschaften“ (externer Link)


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