Deutscher Gewerkschaftsbund

Das Alterssicherungssystem der Beamt*innen

25.08.2008
Beamten-Magazin 9/2008 - Interview

Versorgungsausgleich: Künftig soll es gerecht zugehen

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz

Relativ geräuschlos hat das Bundeskabinett am 21. Mai 2008 das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs beschlossen. Der Bundesrat hat am 4. Juli Stellung genommen. Das „Magazin für Beamtinnen und Beamte“ hat die zuständige Justizministerin Brigitte Zypries nach der Bedeu­tung der Strukturreform für Beamtinnen und Be­amte gefragt.

Portät Brigitte Zypries

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz.

Beamtenmagazin: Was würde sich durch den von der Bundesregie­rung vorgelegten Gesetzentwurf im Fall einer Scheidung für Beamtinnen und Beamte ändern?

Brigitte Zypries: Der Versorgungsausgleich hat die Aufgabe, die von den Eheleuten in der Ehe erwirtschafteten Ansprüche auf Altersversorgung gerecht zwischen ihnen aufzuteilen. Das bisherige Recht kann die verfassungsrechtlich gebo­tene Halbteilung aber nicht mehr gewährleisten. Mit der Reform wollen wir dafür sorgen, dass es künftig gerecht zugeht und der Ausgleich schon bei der Scheidung mög­lichst abschließend erfolgt. Außerdem soll die praktische Umsetzung einfacher werden.

Deshalb soll künftig jedes Anrecht auf eine Versorgung – also beispielsweise auch aus einer privaten Altersvor­sorge oder einer Betriebsrente – grundsätzlich im jewei­ligen Versorgungssystem geteilt werden. Wir verabschie­den uns damit vom Ausgleich über die gesetzliche Renten­versicherung. Der große Vorteil hierbei ist, dass die höchst unterschiedlichen Versorgungen nicht mehr vergleichbar gemacht werden müssen und dass insbesondere auch Betriebsrenten und Privatrenten bei der Scheidung voll­ständig ausgeglichen werden können.

Dieses neue System soll auch für Beamtinnen und Be­amte des Bundes sowie für Soldatinnen und Soldaten eingeführt werden.

Wie regelt der Entwurf den Versorgungsausgleich zwischen Eheleuten, die unterschiedlichen Ver­sorgungssystemen angehören?

Das ist im Prinzip ganz einfach: Jeder Ehegatte erhält die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Versorgungs­anrechts aus dem Versorgungssystem des jeweils ande­ren. Nehmen wir beispielsweise den Ausgleich eines An­gestellten in der Privatwirtschaft, der mit einer Bundesbe­amtin verheiratet war. Kommt es zur Scheidung, so erhält die Beamtin die Hälfte der in der Ehe erworbenen gesetzli­chen Rente und die Hälfte der Betriebsrente des Mannes. Der Ehemann wiederum bekommt einen Anspruch auf die Hälfte des Pensionsanspruchs seiner Frau. Diese Auftei­lung ist gerecht. Sie vermeidet etwaige Wertverzerrun­gen, die sich bisher dadurch ergeben haben, dass jedes An­recht in einen gesetzlichen Rentenanspruch umgerechnet werden musste.

Zur Person

  • 1953 in Kassel geboren
  • Studium der Rechtswissenschaft in Gießen
  • 1997 bis 2002 Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales und im Bundesministerium des Innern
  • seit Oktober 2002 Bundesministerin der Justiz

Das neue System hat noch einen weiteren Vorteil: Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind viel leichter möglich als bisher. So können im genannten Bei­spiel die Eheleute vereinbaren, dass die Frau ihre Beam­tenpension und der Mann seine Betriebsrente behält und ein möglicher Wertunterschied mit dem Zugewinnaus­gleich verrechnet wird. Dann muss nur noch die gesetzliche Rente des Mannes geteilt werden. Bisher waren solche Vereinbarungen kaum möglich und scheiterten außerdem oft schon daran, dass das komplizierte Recht selbst von Anwälten und Notaren kaum noch verstanden wurde.

Der Bundesrat hat mit Hinweis auf die Föderalis­musreform verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Vorschlag der Bundesregierung erhoben. Hal­ten Sie diese Einwände für berechtigt?

Nein, schon deshalb nicht, weil die Bundesländer den bisher praktizierten Ausgleich von Beamtenversorgungen über die gesetzliche Rentenversicherung beibehalten (so genanntes „Quasisplitting“). Ich gehe aber davon aus, dass sich das neue System der anrechtsbezogenen inter­nen Teilung auch für Landes- und Kommunalbeamte durchsetzen wird – spätestens dann, wenn die Praxis Erfahrungen mit dem reformierten Recht gesammelt hat.

Der Bundesrat hat zudem auf praktische Proble­me hingewiesen, die z. B. bei einem Dienstherren­wechsel auftreten können. Wie wird die Bundes­regierung diese Argumente im weiteren Gesetz­gebungsverfahren berücksichtigen?

Natürlich wird sich die Bundesregierung, wie schon bei der Vorbereitung des Entwurfs, mit diesen Argumen­ten auseinandersetzen. Das gebietet schon eine seriöse Folgenabschätzung, die wir in der Gesetzgebung immer zu leisten haben. Wegen der Föderalismusreform besteht bei einem Dienstherrenwechsel ohnehin Handlungsbe­darf. Die Fragen, die sich daneben für den Versorgungs­ausgleich ergeben, werden wir in der Folge zu beantwor­ten haben. Der Dienstherrenwechsel ist aber kein zentra­les Problem. Entscheidend ist vielmehr, dass der Grund­satz der internen Teilung auch bei Beamtenversorgungen zu gerechten Ergebnissen führt – und zwar für beide Ehe­leute, denn alle Anrechte nehmen bei einer internen Tei­lung gleichermaßen an der künftigen Wertentwicklung des jeweiligen Versorgungssystems teil, mit allen Chancen und Risiken.

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