Am 26. September entscheidet sich, wer für die kommenden vier Jahre in den 20. Bundestag einzieht und wer auf der Regierungs- oder aber Oppositionsbank Platz nehmen wird. Die Wahlprogramme der Parteien sind veröffentlicht und nun liegt es an den Wähler*innen, eine Entscheidung zu treffen.
Dieser Beitrag ist Titel im BM Ausgabe 07/08 2021 - dem Magazin für Beamtinnen und Beamte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Inwieweit die zur Wahl stehenden Parteien das Thema Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als eines der Zukunftsthemen erkannt haben, lässt sich nicht ganz eindeutig allen Wahlprogrammen entnehmen. Dabei gibt es genug Baustellen, die klar benannt gehören. Das hat die Corona-Pandemie „eindrucksvoll“ gezeigt. Der Handlungsbedarf ist offensichtlicher denn je. Zeit also für die künftigen Entscheidungsträger*innen, die Probleme anzugehen und allgemeinen Aussagen konkrete Maßnahmen folgen zu lassen. Die To-do-Liste ist lang:
Von Beginn der 90er Jahre an durchlief der öffentliche Dienst eine knapp 20 Jahre andauernde Phase des Stellenabbaus und der Privatisierungen. Seit 2008 gibt es zwar wieder Personalzuwächse, diese konzentrieren sich allerdings auf einzelne Bereiche. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern einen gezielten Personalaufbau auf Grundlage von regelmäßig durchgeführten Personalbedarfsanalysen. Mit dem Ausscheiden sehr vieler erfahrener Beschäftigter aus Altersgründen in den nächsten Jahren droht außerdem wichtiges Erfahrungswissen unwiederbringlich verlorenzugehen. Überlappende Stellenbesetzungen und gut geplante Übergabephasen können dies verhindern.
Im öffentlichen Dienst werden momentan über 450.000 Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen ausgebremst – beruflich wie privat. Befristungen erschweren die Lebensplanung und wirken sich negativ auf die Lebensqualität sowie Zufriedenheit der Betroffenen aus. Das ist nicht akzeptabel. Eine verlässliche Personalplanung macht sachgrundlose Befristungen und die sogenannte Haushaltsmittelbefristung überflüssig.
Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 22. April die Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes beschlossen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften des öffentlichen Dienstes bewerten die Novellierung nicht als Fortschritt. Sie wird den Anforderungen nicht gerecht, gerade mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung der Arbeit. Weiterhin gilt also: Die Rechte der Personalvertretungen müssen angepasst und ausgebaut werden. Die Zuständigkeit des Personalrates muss in allen sozialen, personellen und organisatorischen Angelegenheiten gewährleistet sein. Denn Mitbestimmung soll nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel. Auch in ressortübergreifenden Angelegenheiten muss die Mitbestimmung gewährleistet sein.
Der öffentliche Dienst braucht gute und gesunde Arbeitszeiten, um im Wettbewerb um qualifiziertes Personal bestehen zu können. Auch für Schule, Polizei und Verwaltung gilt: Die Arbeit muss an den Menschen angepasst werden, nicht umgekehrt. Bei einer 41-Stunden-Woche bleibt jedoch wenig Zeit für Erholung. Wechsel- und Schichtdienste oder auch Mehrarbeit erhöhen die Gesundheitsgefährdung zusätzlich. Flexible Arbeitszeitmodelle, in deren Fokus die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten steht, müssen also ausgebaut werden.
Die Digitalisierung hat die Art, wie wir arbeiten, kommunizieren und Leben verändert. Auch der öffentliche Dienst wird aktuell umgebaut. Onlineanträge, virtuelle Konferenzen und Arbeitsvorgänge in der Cloud sind bereits Realität. Damit Beschäftigte nicht unter die Räder kommen und von den neuen Möglichkeiten profitieren, braucht es einen Schutzrahmen. Denn gerade in einer temporeichen digitalisierten Arbeitswelt bleiben ausreichende Standards für eine menschengerechte, gesundheitsorientierte Arbeitszeitgestaltung unerlässlich. Negative Auswirkungen in den Dienststellen, wie Entgrenzung und Arbeitshetze, sowie Probleme im Zusammenhang mit Urheberrecht und Datenschutz, sind durch entsprechende Regelungen und Schulungen zu begrenzen.
Der DGB fordert eine kohärente Qualifizierungsoffensive für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die Digitalisierung verändert die bekannte Arbeitswelt. Bisher ausgeübte Tätigkeiten fallen weg, neue kommen hinzu und auch die Arbeitsweise sowie Anforderungen wandeln sich - Stichworte sind Agiles Projektmanagement, Kreativlabs und vieles mehr. Es muss also sichergestellt werden, dass die Beschäftigten die notwendigen zusätzlichen Kompetenzen erwerben, um mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten. Erste Ansätze mit der Digitalisierungsakademie der BAköV und dem abgeschlossenen Digitalisierungstarifvertrag sind vielversprechend und auszubauen.
Die durch die Digitalisierung veränderte Ausgangslage erfordert nicht nur eine strategisch ausgerichtete neue Organisation von Arbeit, Strukturen und Prozessen, sondern auch neue Formen des sozialen Umgangs. Arbeitgeber und Dienstherren müssen neben verbindlichen und gemeinsam mit ihren Personalräten zu erarbeitenden Digitalisierungsstrategien, das Thema Führung im öffentlichen Dienst stärker als bisher in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Führungskräfte müssen für die veränderten Anforderungen sensibilisiert, qualifiziert und ausgewählt werden. Sie müssen als Vorbilder handeln und Gefahren wie Selbstausbeutung und Entgrenzung entgegenwirken.
Die Gestaltung gesunder Arbeit ist zentrales Querschnittsthema. „Gesundheitsförderliches Führungsverhalten“, „Zusammenarbeit im Team“ oder „gesundheitsgerechte Arbeitszeitgestaltung“ zeigen, dass auch Personalentwicklung, Organisation und Dienstrecht einbezogen werden müssen. Hier bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Ursachen krankmachender Arbeit müssen regelmäßig und vollumfänglich durch Gefährdungsbeurteilungen erfasst und abgestellt werden. Dafür braucht es neben mehr Personal und finanziellen Mitteln, die Stärkung der Verantwortung und Steuerung des betrieblichen Gesundheitsmanagements an zentraler Stelle.
Wir leben heute in der sichersten Bundesrepublik und trotzdem ist eine unübersehbare Verrohung der Gesellschaft feststellbar, die sich statistisch durch die hohe Zahl von Gewaltdelikten bemerkbar macht. Immer wieder werden Beschäftigte, die für Sicherheit, Ordnung und öffentliche Dienstleistungen sorgen, bei ihrer Arbeit bedroht, beleidigt und angegriffen. Das Problem: Eine gesicherte Datenbasis, die das Phänomen Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst erfasst, gibt es nicht. Wir fordern, dass alle derartigen Übergriffe detailliert und nach einheitlichen Gesichtspunkten erfasst werden. Darauf aufbauend können dann zielführende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Darüber hinaus gilt es, Beschäftigte zu schulen und in Prävention sowie Nachsorge zu investieren.
Der öffentliche Dienst wird seinem Anspruch, ein Abbild der Gesellschaft zu sein, nicht gerecht. Er verspielt nicht nur in Teilen unserer Gesellschaft seine Legitimation staatlichen Handelns, sondern verschenkt damit auch Potential zur Stärkung der eigenen Zukunftsfähigkeit. Es braucht eine Sensibilisierung von Personalverantwortlichen, Interessenvertretungen und auch den Beschäftigten selbst. Schulungen zu einem chancengleichheitsfördernden Diversitätsmanagement können dazu beitragen. Aber auch ein Verständnis für Vielfaltskompetenzen sowie die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen kann Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Zugang zum öffentlichen Dienst erleichtern. Zudem plädieren wir für eine Kombination aus anonymisierten Bewerbungsverfahren mit divers besetzten Auswahlkommissionen. Daran anschließen müssen sich Mentoring-Programme und Aufstiegsförderungen, damit auch in Führungspositionen die Vielfalt unserer Gesellschaft zu finden ist.
DGB
Aus den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17 u. a.) zur verfassungsgemäßen Alimentation lässt sich auch ein Handlungsbedarf bei der Besoldung der Bundesbeamt*innen ableiten. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir deshalb eine zügige Reparatur des Bundesbesoldungsgesetzes, damit alle Bundesbeamt*innen amtsangemessen besoldet werden. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stehen hier für Gespräche bereit. Zudem muss ein klares Bekenntnis zur zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifabschlusses für die Tarifbeschäftigten des Bundes auf die Bundesbeamt*innen ausgesprochen werden. Das Alimentationsprinzip erstreckt sich im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auch auf den Ruhestand und wird dort durch die Beamtenversorgung umgesetzt. Diese gilt es nachhaltig zu sichern.
Fünf Bundesländer haben bislang die pauschale Beihilfe als Alternative zur individuellen Beihilfe eingeführt. Dank ihr erhalten Beamt*innen, die freiwillig Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind, eine Pauschale in Höhe des Arbeitgeberanteils des Krankenversicherungsbeitrags, den sie sonst in voller Höhe alleine tragen müssen. Dieses Modell muss es zukünftig auch für Bundesbeamt*innen geben. Solange die individuelle Beihilfe für einzelne Aufwendungen in Verbindung mit einer ergänzenden privaten Krankenversicherung das alleinige Instrument zur Absicherung des Krankheitsfalls ist, besteht für Beamt*innen faktisch eine Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung. Für Personen, die spät verbeamtet werden und erhebliche Vorversicherungszeiten in der GKV haben, für Beamt*innen in Teilzeit, in niedrigen Besoldungsgruppen oder mit Kindern wäre die pauschale Beihilfe ein echter Gewinn.
An diesen konkreten Punkten wird sich die neue Bundesregierung messen lassen müssen.
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