Deutscher Gewerkschaftsbund

09.02.2023
Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit

Digitalisierung im öffentlichen Dienst

Eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit beleuchtet den Stand der Digitalisierung im öffentlichen Dienst. Sie zeigt, dass digitale Arbeitsmittel den Alltag von vielen Beschäftigen prägen. Im Vergleich der Erhebungen von 2016 und 2022 zeigen sich dabei einige Verschiebungen. Weiterhin zeigt sich aber eine hohe Belastung der Beschäftigten. Diese haben außerdem wenig Einflussmöglichkeiten auf die konkrete Umsetzung digitaler Arbeit.

junge Frau sitzt am Laptop im Homeoffice und fasst sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Nacken

DGB/Chajamp/123rf.com

Die Beschäftigtenbefragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit wurde 2007 zum ersten Mal durchgeführt. Seitdem werden einmal im Jahr mehrere Tausend zufällig ausgewählte Teilnehmer*innen in Deutschland zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. Die hier dargestellten Befunde stammen aus einer Sonderauswertung der Befragung des Jahres 2022. Darin wird untersucht, wie sich die Digitalisierung auf den Arbeitsalltag auswirkt. Insgesamt nahmen im Jahr 2022 über 1.500 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst teil, unter ihnen 71 Prozent Arbeitnehmer*innen und 29 Prozent Beamt*innen. Zudem ist der Vergleich mit Daten aus dem Jahr 2016 möglich, wo die Digitalisierung schon einmal Schwerpunkt des DGB-Index Gute Arbeit war.

Um die Einordnung zu erleichtern, werden auch die Werte aus der Privatwirtschaft angeführt. Dabei sind Unterschiede in der Berufs- und Qualifikationsstruktur zu beachten, die die Vergleichbarkeit leicht einschränken. Das Anforderungsniveau im öffentlichen Dienst ist im Vergleich höher, Helfer- und Anlerntätigkeiten sind selten. Überdurchschnittlich häufig sind dagegen Expert*innentätigkeiten.

  • Digitalisierungsschub

    Die Umfrage zeigt, dass die Digitalisierung im öffentlichen Dienst voranschreitet. Der Anteil der Beschäftigten, die mit digitalen Mitteln arbeiten, ist höher als in der Privatwirtschaft und im Vergleich zu 2016 konstant hoch. Insgesamt 87 Prozent der befragten Beschäftigten geben im Jahr 2022 an, dass ihre Arbeit von der Digitalisierung betroffen ist (2016: 87 Prozent). Über zwei Drittel (70 Prozent) sagen, dass das in (sehr) hohem Maße zutrifft (2016: 61 Prozent).

    Grafik mit digitalen Mitteln

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    Der Anteil der Beschäftigten, die mit digitalen Mitteln arbeiten, ist dabei in einzelnen Arbeitsbereichen sogar noch deutlich höher: Für 84 Prozent der Befragten aus der öffentlichen Verwaltung prägt digitale Technik den Arbeitsalltag in (sehr) hohem Maße (2016: 87 Prozent). Und bei Lehrkräften stieg eben dieser Anteil zwischen 2016 und 2022 sehr deutlich von 73 auf 87 Prozent an.

    Grafik: Arbeit mit digitalen Mitteln

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  • Verbreitung digitaler Arbeitsmittel

    Digitale Arbeit hat viele Gesichter, es gibt unterschiedliche Formen. Am weitesten verbreitet ist dabei die digitale Kommunikation, die im öffentlichen Dienst von 96 Prozent der Beschäftigten genutzt wird (2016: 88 Prozent). Aber auch Videokonferenzen (78 Prozent; 2016 nicht abgefragt) oder internetbasierte Projektarbeit (66 Prozent; 2016: 40 Prozent) sind im öffentlichen Dienst oft im Einsatz. Bei der Arbeit können dabei mehrere digitale Arbeitsmittel gleichzeitig eine Rolle spielen.

    Grafik: Verbreitung digitaler Medien

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  • Homeoffice im öffentlichen Dienst

    Vom Homeoffice, also der Arbeit von zu Hause, wird oft ein positives Bild gezeichnet. Der Tag lässt sich selbstbestimmter gestalten, Beruf und Privatleben ist besser unter einen Hut zu bringen und die lästigen Pendelzeiten fallen weg. Digitale Arbeit per Laptop, Smartphone und Tablet eröffnet demnach neue Optionen.

    Das bestätigt auch die Sonderauswertung. Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Befragten aus dem öffentlichen Dienst erledigt wegen der Digitalisierung einen größeren Teil der Arbeit mobil. Der Anteil ist gegenüber dem Jahr 2016 um 20 Prozent gestiegen. Nur 5 Prozent arbeiten durch die Digitalisierung weniger mobil. In der Privatwirtschaft finden sich beide Effekte auch, allerdings ist der Unterschied beim Vergleich der Jahre 2016 und 2022 nicht so ausgeprägt.

    Eine Untersuchung zum Homeoffice im öffentlichen Dienst finden sie auch hier.

    Grafik: Homeoffice

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  • Wissen und Können

    Mit der digitalen Arbeit gewinnt die Notwendigkeit weiterer Qualifikation an Bedeutung: 70 Prozent der Befragten erklären, dass durch die Digitalisierung die Anforderungen an Wissen und Können gestiegen sind. In der Privatwirtschaft sind es 65 Prozent.

    Grafik: Wissen und Können

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  • Arbeitsbelastung

    Lediglich 6 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst sehen in der Digitalisierung alles in allem eine Entlastung. Digitale Arbeitsmittel werden demnach nur äußerst selten dafür eingesetzt, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Vielmehr ist die Belastung für 45 Prozent der befragten Beschäftigten größer geworden (Privatwirtschaft: 38 Prozent).

    Die gute Nachricht ist aber: Im Vergleich zum DGB-Index Gute Arbeit 2016 bewerten die Beschäftigten die Veränderungen im Jahr 2022 etwas positiver. Der Anteil, der von einer höheren Belastung durch digitale Arbeit berichtet, ist gegenüber der Befragung im Jahr 2016 leicht gesunken (von 52 Prozent auf 45 Prozent). Das Grundproblem bleibt aber bestehen.

    Grafik: Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung

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    Zudem ist auffällig, dass das Urteil der Beschäftigten je nach ausgeübter Tätigkeit sehr unterschiedlich ausfällt. Lehrkräfte bewerten die Belastungen durch die digitale Arbeit im Jahr 2022 viel schlechter als die Kolleg*innen aus der öffentlichen Verwaltung.

    Grafik: Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung II

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  • Belastungsfaktoren

    Als mögliche Gründe für eine gestiegene Belastung durch digitale Arbeit liefert die Befragung mehrere Hinweise. 45 Prozent berichten von Multitasking und sagen, dass die Anzahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Vorgänge durch die Digitalisierung größer geworden ist.

    Grafik: Multitasking

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    Eine weitere Ursache für eine stärkere Belastung ist das Arbeitstempo. 37 Prozent der digitalisiert Arbeitenden im öffentlichen Dienst geben an, dass die Technik ihr Arbeitstempo in (sehr) hohem Maß diktiert.

    Grafik: Arbeitstempo

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  • Arbeitsmenge

    Eine weitere Belastungsquelle im Kontext digitaler Arbeit ist der Zuwachs beim Arbeitspensum. Für die Hälfte der Befragten (51 Prozent) bedeutet die Digitalisierung, dass sie eine größere Arbeitsmenge bewältigen müssen. Der gegenteilige Effekt, also eine geringere Arbeitsmenge, findet sich sehr selten. Nur 6 Prozent berichten davon.

    Grafik: Veränderung der Arbeitsmenge

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    Ein differenzierter Blick auf unterschiedliche Berufsgruppen zeigt auch hier wieder deutliche Unterschiede. Der Anteil derer, die von einem größeren Arbeitspensum berichten, ist in der öffentlichen Verwaltung gegenüber 2016 um 16 Prozent zurückgegangen, was sehr erfreulich ist. Bei Lehrkräften ist dieser Anteil allerdings um 14 Prozent angestiegen (vgl. Abb. 2). Dennoch überwiegt überall die Wahrnehmung einer größeren Anforderung.

    Grafik: Veränderung der Arbeitsmenge

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  • Maßnahmen gegen hohe Belastung

    Eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit digitaler Arbeit ist die Etablierung begleitender Maßnahmen zur Belastungsreduzierung. Allerdings zeigt die Sonderauswertung: Nur gut ein Viertel (27 Prozent) der Befragten aus dem öffentlichen Dienst erklärt, dass ihr Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Digitalisierung Maßnahmen ergriffen hat, um die Arbeitsbelastung zu verringern.

    Grafik: Maßnahmen gegen hohe Belastung

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    Bei der Bewertung der Maßnahmen gegen eine hohe Belastung zeigt sich ein gespaltenes Bild. Etwa die Hälfte (51 Prozent) der Befragten aus dem öffentlichen Dienst bewertet die Maßnahmen in (sehr) hohem Maß als wirksam.

    Grafik: Maßnahmen gegen hohe Belastung

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  • Überwachung und Kontrolle der Arbeitsleistung

    Die IT erlaubt heute eine immer leistungsfähigere Datenspeicherung und -auswertung. Eine weitere mögliche Folge digitaler Arbeit ist deshalb die stärkere Kontrolle der Beschäftigten. Ein Drittel (35 Prozent) der Befragten aus dem öffentlichen Dienst gibt an, dass mit der Digitalisierung die Überwachung ihrer Arbeitsleistung zugenommen hat. Erfreulich ist, dass dieser Anteil im Vergleich zu 2016 um 11 Prozent kleiner wurde. Gleichwohl liegt der Wert weiter auf einem hohen Niveau.

    Grafik: Überwachung der Arbeitsleistung

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    Ebenfalls ein Drittel (34 Prozent) der Befragten aus dem öffentlichen Dienst gibt an, sich bei Ihrer Arbeit sehr häufig oder oft der digitalen Technik ausgeliefert zu fühlen.

    Grafik: Ohnmacht

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  • Technische Probleme

    Die Belastung bzw. die Qualität der Arbeitsbedingungen hängt auch von der Benutzerfreundlichkeit der IT und der digitalen Anwendungen ab. Wenn regelmäßig Troubleshooting mit dem VPN-Tunnel oder einer ruckelnden Videokonferenz ansteht, ist das ein Stressfaktor. Die Sonderauswertung zeigt: Ein Anteil von 28 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst erklärt, dass die Bedienung der digitalen Technik sie sehr häufig oder oft vor Probleme stellt.

    Grafik: technische Probleme

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    Belastung kann aber auch dadurch entstehen, dass Arbeitsabläufe immer wieder durch technische Störungen blockiert werden.  Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Befragten gibt an, bei der Arbeit sehr häufig oder oft durch Störungen der digitalen Technik unterbrochen zu werden (Privatwirtschaft: 29 Prozent).

    Grafik: Unterbrechnungen

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  • Technischer Support und Schulungen

    Erfreulich ist vor diesem Hintergrund aber, dass immerhin 76 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst angeben, in solchen Situationen in (sehr) hohem Maße Unterstützung zu erhalten.

    Grafik: Hilfe bei technischen Problemen

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    Ebenfalls hoch ist die Verbreitung von Schulungen und Weiterbildungsangeboten zur digitalen Technik, durch die Bedienungsprobleme und Überforderungen vermieden werden können. 79 Prozent der Befragten erklären, solche Schulungen zu erhalten, deutlich mehr als in der Privatwirtschaft (vgl. Abb. 3). Und 74 Prozent von ihnen sagen, dass diese in (sehr) hohem Maße nützlich sind.

    Grafik: Schulungen

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    Grafik: Helfen die Schulungen?

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  • Kaum Beteiligung der Beschäftigten

    Wie dargestellt kann digitale Arbeit die Beschäftigten zusätzlich belasten, indem die Arbeitsintensität steigt. Problematisch ist vor diesem Hintergrund ein weiterer Befund: Mitwirkungsmöglichkeiten der Beschäftigten am Prozess der Digitalisierung sind weiterhin nur in Ausnahmefällen vorhanden, die Einflussmöglichkeiten werden von den Beschäftigten deshalb als schlecht eingeschätzt. 77 Prozent geben an, die Art und Weise des Einsatzes digitaler Technik am Arbeitsplatz gar nicht oder nur in geringem Maße beeinflussen zu können. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 2016 kaum verändert.

    Grafik: Einflussmöglichkeiten

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Gute Arbeit im öffentlichen Dienst!

Digitale Arbeit prägt schon heute den Alltag vieler Kolleg*innen im öffentlichen Dienst. Erfreulich ist hier zunächst, dass die Beschäftigten im Jahr 2022 die Veränderungen im Vergleich zum DGB-Index Gute Arbeit aus dem Jahr 2016 mancherorts positiver bewerten. Das gilt allerdings nicht durchgehend. Welche Ansatzpunkte liefert also die skizzierte Sonderauswertung?

Die Transformation der Arbeitswelt schreitet voran. Theoretisch sind damit auch größere individuelle Gestaltungsspielräume für die Beschäftigten möglich, etwa hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsinhalt. Diese Spielräume digitaler Arbeit werden bisher aber kaum genutzt. Betrachtet man die Ergebnisse der Sonderauswertung, weisen diese im Gegenteil auf höhere Belastungen hin.

Es gilt, die richtigen Lehren zu ziehen. Neben neuer Hard- und Software müssen auch gute Rahmenbedingungen her. Deshalb fordert der DGB eine präventive Folgenabschätzung digitaler Arbeit, etwa was neue Belastungen, neue Möglichkeiten und dementsprechende Qualifizierungsbedarfe angeht.

Gute digitale Arbeit muss aktiv gestaltet und ggf. erstritten werden. Wichtig sind deshalb Personalräte, die die Transformation begleiten und über Dienst- bzw. Prozessvereinbarungen Einfluss auf die Ausgestaltung der Digitalisierung nehmen. Sie sollten das unter frühzeitiger und intensiver Beteiligung der Beschäftigten tun.


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