Deutscher Gewerkschaftsbund

Von Arbeitszeit bis Vereinbarkeit

03.02.2022
EU-Whistleblower-Richtlinie

Akuter Handlungsbedarf im öffentlichen Dienst

Am 7.10.2019 hat der Rat der Europäischen Union die „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ verbschiedet. Sie stellt Mindeststandards auf, die sog. Whistleblower vor Repressalien schützen sollen. Die Mitgliedstaaten mussten die EU-Richtlinie bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umsetzen, Deutschland ließ diese Frist ungenutzt verstreichen. Insbesondere für den öffentlichen Dienst hat das Folgen.

Dunkle Personen

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Die EU-Whistleblower-Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und Behörden sowie Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern spezielle Kanäle einrichten müssen, über die Verstöße gegen EU-Recht gemeldet werden können. Damit wird das Ziel verfolgt, Verstöße zu unterbinden bzw. aufzudecken und zugleich die Hinweisgeber:innen vor negativen zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlichen sowie internen Konsequenzen zu bewahren.

Erfasste Rechtsbereiche

Zu den von der Richtlinie erfassten Bereichen des Unionsrechts gehören unter anderem Vorschriften der Finanzmarktregulierung, das Wettbewerbs-, Beihilfen-, Körperschaftsteuer- und Vergaberecht, das Umwelt- und Tierschutzrecht, das Recht der Produkt-, Verkehrs- und Lebensmittelsicherheit sowie das Verbraucher- und Datenschutzrecht. Bei der Umsetzung in nationales Recht können die Mitgliedstaaten den sachlichen Anwendungsbereich weiter ausdehnen.

Vorgegebene Meldewege

Es sind drei Meldeoptionen vorgesehen: interne Meldung, Meldung an eine staatlich einzurichtende Behörde (Whistleblowing-Meldestelle), Meldung an die Öffentlichkeit. Die zwingend einzurichtenden Meldekanäle müssen eine Meldung in schriftlicher, mündlicher oder persönlicher Form ermöglichen. Dabei ist Vertraulichkeit der Identität der meldenden Person stets zu gewährleisten. Auch muss eine Eingangsbestätigung des Hinweises nach spätestens sieben Tagen erteilt werden.

Was bedeutet das für den öffentlichen Dienst?

Die Richtlinie schützt verschiedene Personengruppen, so unter anderem auch Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes sowie Beamt:innen und Anwärter:innen. Hier ist die Besonderheit, dass die grundsätzlich in nationales Recht umzusetzende Richtline seit dem 18.12.2021 für den öffentlichen Dienst unmittelbar gilt. Das bedeutet, dass Behörden und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern seit Mitte Dezember zur Umsetzung der Vorgaben verpflichtet sind. Es müssen also interne Kanäle und Verfahren für die Übermittlung und Weiterverfolgung von Meldungen über Missstände eingerichtet sein. Vielerorts ist das noch nicht geschehen. Auch die oben erwähnte Whistleblowing-Meldestelle zur Entgegennahme von externen Meldungen wurde noch nicht installiert. Für Beschäftigte empfiehlt es sich daher, über ihre Interessenvertretung an den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn heranzutreten, um bezüglich der Zuständigkeit für die Entgegennahme von Meldungen Klarheit zu erlangen bzw. die Einrichtung entsprechender Stellen zu initiieren. Ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, richtet sich nach dem jeweils geltenden Personalvertretungsgesetz. Auf Bundesebene ist ein solches beispielsweise nur hinsichtlich des „wie“ und nicht des „ob“ der Einrichtung einer internen Meldestelle normiert, vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 18 BPersVG.


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