Wie dringend ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz ist, zeigt ein am 9. Februar 2023 ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover. Es vertrat in dem noch nicht rechtskräftigen Urteil die Auffassung, dass ständige Mitarbeiterkontrolle bei Amazon Logistik in Winsen/Luhe nicht zu beanstanden sei. Denn die Datenverarbeitung geschehe, um logistische Abläufe steuern zu können, es würden dabei keine persönlichen Eigenschaften der Beschäftigten überwacht.
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Das sah die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte vollkommen anders. Sie hatte untersagt, dass Amazon Logistik in seiner Niederlassung in Winsen – hier sind knapp 2000 Mitarbeiter*innen beschäftigt – ununterbrochen und jeweils aktuell und minutengenau Qualitäts- und Quantitätsleistungsdaten der Beschäftigten erhebt und weiterverarbeitet. Dagegen hatte Amazon geklagt und das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers Amazon Logistik seien höher zu bewerten als das Interesse der Beschäftigten, nicht permanent und penetrant überwacht zu werden. Letztlich ging es um den Persönlichkeitsschutz und die Würde der Beschäftigten, die hier auf der Strecke bleiben.
Gleichwohl sagte die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte nach der Urteilsverkündung: „Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwiegt. … Der durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung sowie deren weitere Verarbeitung entstehende Anpassungs- und Leistungsdruck ist aus meiner Sicht höher zu gewichten als das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens.“ So kann es sein, dass die Datenschützerin in die Berufung geht.
Das Gericht dagegen sieht rechtspolitischen Handlungsbedarf; so sagte die Vorsitzende Richterin: „Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber tätig geworden wäre oder noch wird."
Es lässt sich nicht leugnen: Das deutsche Datenschutzrecht enthält keine Regelungen, die geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte von betroffenen Beschäftigten vor Überwachungssystemen am Arbeitsplatz verlangen. Das aber fordert die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Und klar ist auch, dass mit einem Beschäftigtendatenschutzgesetz, wie es der DGB fordert, das Verwaltungsgericht in Hannover eine Rechtsgrundlage gehabt hätte, die genau diese Vorgaben der DSGVO umsetzt.
So ist nun allerhöchste Zeit für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz. Und das ist nicht nur Meinung des DGB, sondern auch Fazit einer Expertendiskussion Bundestagsabgeordneten, die der DGB Ende Januar 2023 veranstaltete – und nun auch des Gerichts, das aufgrund fehlender Bestimmungen zu seinem Urteil kam, bei dem der Beschäftigtendatenschutz unterlag.