Deutscher Gewerkschaftsbund

14.12.2022
Arbeitsschutz

Jahresrückblick Arbeitsschutz

Auch das dritte Pandemiejahr war eine Herausforderung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Wichtige Erfolge zum Schutze der Arbeitnehmer*innen konnten erzielt werden, jedoch sind einige politische Forderungen aktueller denn je. Immer noch kommen zu wenige Betriebe der gesetzlichen Verpflichtung zu einer Gefährdungsbeurteilung nach. Die Gestaltung des Homeoffice ist noch immer nicht zufriedenstellend geregelt. Zuletzt ist die Novellierung der Gefahrstoffverordnung ins Stocken geraten, zeitnahes Handeln der Politik ist auch hier notwendig.

Lagerarbeiter*innen mit Maske bei der Arbeit

DGB

Erkenntnisse aus der Pandemie

Die Beschäftigten wirksam vor dem Coronavirus zu schützen, bleibt auch im dritten Pandemiewinter ein zentrales Anliegen der DGB-Gewerkschaften. Neben einer Verlängerung der Corona-Arbeitsschutzverordnung ist der Weiterbestand der dazugehörigen Arbeitsschutzregel notwendig, um den betrieblichen Akteuren ein gutes und erprobtes Portfolio an Schutzmaßnahmen an die Hand zu geben. Jedoch ist der Widerstand der Arbeitgeber gegen verbindliche Regelungen enorm. Das Ministerium muss hier schnellstens Klarheit schaffen und aufbauend auf den Erkenntnissen des Ausschusses für Arbeitsstätten eine neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel veröffentlichen. Befragungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA - baua: Fokus - SARS-CoV-2-Arbeits- und Infektionsschutzmaßnahmen in deutschen Betrieben: Ergebnisse einer Befragung von Arbeitsschutzexpertinnen und -experten - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) zeigten, dass Betriebe in der Vergangenheit vornehmlich persönliche Maßnahmen umgesetzt haben und damit vorrangige technische und organisatorische Maßnahmen vernachlässigten.

Grundsätzlich konnten Betriebe mit einer guten Arbeitsschutzorganisation die neue Gefährdung durch das Coronavirus relativ einfach in den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz integrieren. Dennoch kommt weiterhin nur die Hälfte der Betriebe der gesetzlichen Verpflichtung zu einer Gefährdungsbeurteilung nach. Die bessere Rechtsdurchsetzung im Betrieb bleibt also ein wichtiges Ziel. Hierzu bedarf es neben der Mindestbesichtigungsquote des Arbeitsschutzkontrollgesetzes auch eines stärker integrierten Regelwerks zur Gefährdungsbeurteilung. Um den Betrieben konkret aufzuzeigen, wie die acht Prozessschritte umgesetzt werden, erarbeitet der neue Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit derzeit in einer Projektgruppe eine Rahmenregel zu diesem Thema.

Homeoffice gehört zu einer modernen Arbeitswelt

Die Debatte rund um das Homeoffice bekam mit dem Beginn der Energiekrise, und dem Ansinnen in den Betrieben Energie einzusparen und die Kosten auf die Beschäftigten zu verlagern, wieder neuen Auftrieb. Unter dem Eindruck der Pandemie hatten die Arbeitgeber diese wichtige organisatorische Maßnahme erst umgesetzt, als sie gesetzlich vorgeschrieben war. Große Teile der Beschäftigten arbeiteten daraufhin provisorisch von zu Hause aus, dabei gelten Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz auch dort. Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes im März dieses Jahres ist die Pflicht für den Arbeitgeber entfallen.

Als DGB sehen wir das Bestreben von Arbeitgebern Homeoffice anzuordnen, wenn es ihnen gerade passt, sehr kritisch. In einer modernen Arbeitswelt ist es notwendig, Beschäftigte an den für sie vorteilhaften Veränderungen teilhaben zu lassen. Bisher hat es die Politik leider versäumt, gesetzliche Regelungen zum mobilen Arbeiten von zu Hause zu treffen und diesen Bereich in die Arbeitsstättenverordnung aufzunehmen. Dabei gibt es genug arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und Unterlagen, um eine menschengerechte Arbeitsgestaltung auch im Privatbereich umzusetzen. Zudem ist klar, dass die Arbeitgeber in der Pflicht stehen, die Kosten für den Arbeitsschutz zu tragen. Ein Teil beteiligt sich allerdings nicht an den entstehenden Ausstattungs- und sonstigen Mehrkosten der Beschäftigten. Der DGB bringt sich stark in diese Debatten ein und fordert von der Politik die Beschäftigten hier besser zu schützen. Gleichzeitig verschiebt die „Politikwerkstatt Mobile Arbeit“ die Lösung dieses drängenden Problems nur weiter in die Zukunft.

Berufsbedingte Krebserkrankungen

In Europa sind Krebserkrankungen die häufigste Ursache arbeitsbedingter Todesfälle. (Fahrplan zu Karzinogenen | Safety and health at work EU-OSHA (europa.eu) Bis zu 8,5 Prozent aller Krebserkrankungen haben berufsbedingte Ursachen. Hauptursache berufsbedingter Krebserkrankungen sind Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen. Grund genug, um zu handeln und für den DGB Anlass, ein Arbeitsprogramm der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie einzufordern und mit auszugestalten. (GDA Portal - Arbeitsprogramm "Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen" (gda-portal.de) Die Novellierung der Gefahrstoffverordnung und damit die konsequente Implementierung eines risikobezogenen Maßnahmenkonzepts ist längst überfällig, obwohl Erkenntnisse aus dem nationalen Asbestdialog schon länger vorliegen und die Notwendigkeit den gesetzlichen Rahmen anzupassen offenkundig ist. (BMAS - Nationaler Asbestdialog)

Asbest ist für rund 3.600 berufsbedingte Erkrankungen und für 1.500 und damit für 60 Prozent aller Todesfälle in Folge einer Berufserkrankung verantwortlich. Rund 750.000 Handwerker sind deutschlandweit in den Ausbaugewerken beschäftigt und laufen Gefahr, bei ihrer Arbeit in Kontakt mit dem kanzerogenen Gefahrstoff zu kommen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern, dass endlich die Voraussetzungen für ein sicheres Arbeiten im Bestand geschaffen werden. In den vergangenen Jahren haben gewerkschaftliche Fachexperten die Überarbeitung des technischen Regelwerks konstruktiv unterstützt und wichtige Aufklärungsarbeit geleistet. Die neuen Auftraggeberpflichten beim Bauen im Bestand sind ein Erfolg. Nun ist die Politik am Zug. Ein Referentenentwurf, der im Frühjahr zur Novellierung der Gefahrstoffverordnung erschienen ist, steckt aufgrund des Widerstandes der Arbeitgeber fest. (Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen | DGB) Zeitnahes Handeln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist notwendig, um diese Novellierung endlich zu realisieren.

Um die Gesundheit der Beschäftigten bestmöglich zu schützen, muss die Expertise und das Fachwissen der Gewerkschaften gehört werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch der nachhaltige Gestaltungswille des Gesetzgebers und ein institutioneller Rahmen, der dafür sorgt, dass diese Expertise auch den Weg in die Betriebe findet.


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