Deutscher Gewerkschaftsbund

03.09.2021

Gute Alterssicherung heißt gesetzliche Rente stärken

Für die Bundestagswahl und die neue Koalition muss die Stärkung der gesetzlichen Rente klarer Auftrag und Wille sein. Ein stabiles und wieder erhöhtes Rentenniveau, keine Anhebung der Altersgrenzen und ein stärker sozialer Ausgleich sind nur einige der wichtigsten Baustellen für die Rentenpolitik der kommenden Jahre und Jahrzehnte.

Hand hält geöffneten, fast leeren Geldbeutel

DGB/Katarzyna Białasiewicz/123rf.com

Mit dem Bundestagswahlkampf haben wirtschaftsnahe Zeitungen und Forschende versucht weitere Rentenkürzungen als gerecht zu verkaufen: Es sei nötig das Rentenalter anzuheben und das Rentenniveau noch weiter abzusenken. Denn aus ihrer Sicht endet der Wohlstand in Deutschland, wenn der Gesamtbeitragssatz die 40 Prozent überschreitet. Dafür müssen immer die jungen Menschen herhalten, in deren Namen die Leistungen in Zukunft gekürzt werden sollen. Dabei sind es gerade diese jungen Leute, die von solchen Vorschlägen betroffen sind. Eine solche Rentenkürzungspolitik auf dem Rücken der Beschäftigten und aller Generationen ist mit dem DGB nicht zu machen.

Der DGB hat klare Forderungen an die Politik: Keine Anhebung des Rentenalters, auch nicht versteckt als „Renteneintrittsfenster“ oder durch höhere Abschläge. Egal, wie schön diese Maßnahmen klingen: sie sind sozial ungerecht. Und trotz steigender Lebenserwartung: laut statistischem Bundesamt stirbt je nach angenommener Lebenserwartung von im Jahr 2000 geborenen Frauen jede Siebzehnte bis jede Elfte vor ihrem 70. Lebensjahr. Bei den Männern sogar jeder Neunte bis jeder Sechste. Stattdessen brauchen wir für alle sozial abgesicherte Übergänge vom Arbeitsleben in die Rente. Fast jede fünfte Person geht vorzeitig in eine Erwerbsminderungsrente, die Langzeitarbeitslosigkeit ist bei den über 55-Jährigen weit überdurchschnittlich und viele Menschen sind zu gesund für eine Erwerbsminderungsrente und zu krank für den Arbeitsmarkt.

Notwendig in diesem Zusammenhang ist es auch, den Zugang zur Erwerbsminderungsrente zu erleichtern, denn viel zu viele Menschen fallen hier durch das soziale Netz und oftmals mitsamt ihrer Familie direkt in die Armut. Dabei muss der konkrete Arbeitsmarkt wieder eine Rolle spielen, denn selbst bei der aktuellen guten Beschäftigungslage bekommen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oftmals keine Chance. Außerdem ist die verlängerte Zurechnungszeit analog und pauschalierend auf alle bereits laufenden Renten auszuweiten.

Rentenniveau wieder anheben

Das Rentenniveau muss dauerhaft stabilisiert und wieder angehoben werden, etwa auf 50 Prozent. Statistische Effekte und Rechentricks, die das Rentenniveau höher ausweisen als es ist, sind dabei auszuschließen. Auch darf der Nachholfaktor nicht reaktiviert werden. Denn sein einziger Zweck ist, die politisch erwünschten Rentenkürzungen durchzusetzen. Außerdem ist der zur Begründung herangezogene Lohnrückgang zu 90 Prozent fiktiv, d. h. die Löhne sind gar nicht in dem Ausmaß gesunken, wie der Nachholfaktor die Renten kürzen würde. Mit Reaktivierung des Nachholfaktors würde das Rentenniveau bis 2030 auf etwa 44 statt rund 46 Prozent sinken. Natürlich muss eine gute Rente auch bezahlt werden. Langfristig würde der Beitragssatz auf etwa 25 Prozent steigen, wenn wir das Rentenniveau auf 50 Prozent anheben und den Bundeszuschuss um etwa 30 Milliarden Euro erhöhen würden. Das ist bezahlbar. Denn schon heute sollen die Menschen für eine Alterssicherung aus drei Säulen insgesamt rund 25 Prozent vom Lohn zahlen, davon 18,6 Prozent zur gesetzlichen Rente und rund 6 Prozent für eine zusätzliche Vorsorge.

Einstieg in die Erwerbstätigenversicherung

Die nächste Koalition muss endlich den Einstieg in eine Erwerbstätigenversicherung beginnen. Die nicht bereits verpflichtend abgesicherten Selbstständigen müssen jetzt einbezogen werden. Ebenso die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Und die Koalition muss weitere Schritte zur Einbeziehung aller Selbstständigen konkret angehen. Es ist bedauerlich, dass das Vorhaben der jetzigen Koalition gescheitert ist. Die Chance darin ist allerdings, dass es zu einem vollen Einbezug in die gesetzliche Rentenversicherung kommt, statt einer Pseudolösung, die den Selbstständigen überlässt, wie sie sich absichern wollen, mit der Folge, dass entgegen des internationalen Trends immer noch mehr unterschiedliche Rentensysteme aufgebaut würden und die Alterssicherung weiter privatisiert würde.

Grundrente weiterentwickeln

Und wir müssen den solidarischen Ausgleich sichern und stärken. Die neu eingeführte Grundrente ist hierfür konstruktiv weiterzuentwickeln. Nach langer Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen muss die Grundrente ohne Einkommensanrechnung gewährt werden, damit die Rente für ein Leben in Würde reicht. Außerdem sind auch Erwerbsgeminderte systematisch in den Anspruch einzubeziehen, insbesondere jene, die frühzeitig ausscheiden und daher nie auf 30 oder mehr Beitragsjahre kommen können. Nicht zuletzt müssen die Zugangsbedingungen erleichtert werden, insbesondere sind 33 Jahre zu hoch. Ebenfalls sind für Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Pflege und Kindererziehung oder von Schul- und Hochschulzeiten Rentenansprüche zu erhalten, zu verbessern und auch wieder einzuführen.

Mit Urteil des BFH wurde die Auffassung des DGB bestätigt, dass der aktuelle Umstieg auf die nachgelagerte Besteuerung zu einer systematischen Zweifachbesteuerung führt. Das ist inakzeptabel und ist von der kommenden Koalition zu beenden.


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