Deutscher Gewerkschaftsbund

25.11.2021

Atempausen lösen keine Strukturprobleme

Die Erhöhung des Bundeszuschusses an die gesetzlichen Krankenkassen um weitere sieben Milliarden Euro war überfällig. Denn sie sichert die finanzielle Stabilität der Krankenkassen zumindest im nächsten Jahr. Das strukturelle Loch in den Finanzen der Krankenkassen hingegen wächst unverändert weiter. Das Stopfen dieses Lochs muss die vordringliche Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein.

Stethoskop auf Geldscheinen abgelegt

Colourbox.de

Eine kurze Atempause, die ein wenig Luft für das Anpacken wichtiger Reformen verschafft. Nicht mehr und nicht weniger bedeutet die Erhöhung des Bundeszuschusses an die gesetzlichen Krankenkassen um sieben Milliarden Euro, die der Bundestag unlängst beschlossen hat. Insgesamt 14 Milliarden Euro zusätzlich zum regulären Zuschuss erhalten die Krankenkassen somit für das Jahr 2022 vom Bund. Doch dabei handelt es sich um eine einmalige Zahlung, die weder zu schwach wachsenden Einnahmen noch stark steigenden Ausgaben nachhaltig etwas entgegensetzen kann. Das IGES-Institut hat vor kurzem für das Jahr 2023 ein Finanzierungsdefizit von fast 20 Milliarden Euro prognostiziert und für die Folgejahre dann ein jährliches Wachstum des Defizits um ca. vier Milliarden Euro vorausgesagt. Die Ampel-Koalition muss die Atempause deshalb nutzen, um die Krankenkassen als zentralen Anker einer guten Gesundheitsversorgung nachhaltig finanziell zu stabilisieren.

Solidarprinzip und Versorgungsqualität stärken

Um das strukturelle Loch in den Finanzen der Krankenkassen wirklich zu schließen, müsste die Ampel zu einer Reformzange greifen und das Defizit beidseitig anpacken. Einnahmenseitig muss das Solidaritätsprinzip gestärkt werden. Der bereits im Sondierungspapier vorgenommene Ausschluss der Bürgerversicherung ist ein folgenschweres Zugeständnis an den kleinsten Koalitionspartner, die FDP. Doch auch, wenn am überkommenen Dualismus zwischen GKV und PKV aufgrund ideologischer Vorbehalte der FDP festgehalten werden soll, lässt sich das Solidarprinzip stärken. Die Stärkung der Verbeitragung nach Einkommen ebenso wie die systematische Öffnung der GKV für Beamt*innen sind zwei solcher Maßnahmen. Davon unberührt muss auch die Rolle des Bundes bei der Finanzierung verlässlich und in angemessener Höhe geklärt werden. Ein wichtiger Punkt dabei: Für Bezieher*innen von ALG-II muss der Bund endlich kostendeckende Beiträge an die GKV zahlen.

Aber auch auf der Ausgabenseite sind überfällige Reformen in der Versorgungsstruktur anzupacken. Sowohl eine Krankenhausstrukturreform als auch der Abbau von Sektorengrenzen wären Maßnahmen, durch die sich Kosten senken und zugleich die Versorgungsqualität heben lassen. Gerade letzterer Punkt muss in der Ausgabenpolitik der GKV das absolute Primat haben. Eine gute Gesundheitsversorgung darf sich nicht einfach an der aktuellen Kassenlage orientieren, sondern muss im Zweifelsfall finanziell abgesichert und ermöglicht werden. Kostenwirksame Reformen dürfen keine Abstriche bei der Sicherstellung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung machen. Verschlechterungen der Versorgungsqualität oder Leistungskürzungen müssen absolut ausgeschlossen sein. Solcherlei Maßnahmen würden einer guten Gesundheitsversorgung die Luft abschnüren – anstatt die kurze Atempause jetzt für kraftvolle Reformen im Sinne einer besseren Versorgung und solidarischeren Finanzierung zu nutzen.


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