Mit dem GVWG wird eine so genannte Pflegereform fünf Minuten vor zwölf auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen (Finanz-)Nenners durchs parlamentarische Verfahren gepeitscht. Kaum wirksame Leistungsverbesserungen, keine spürbare Verringerung des Armutsrisikos durch Pflegebedürftigkeit und zweifelhafte Regelungen zur besseren Bezahlung von Pflegenden verdienen den Reformtitel insgesamt nicht.
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Mit dem Ziel, das Thema Pflege möglichst aus dem Wahlkampf herauszuhalten, reichte der Großen Koalition nun ein Minimalkonsens im Streit um die Zukunft des Pflegesystems. Statt der umfangreichen Pflegereform, die den Wählerinnen und Wählern im Koalitionsvertrag versprochen wurde, schiebt Spahns Ministerium die Gelder der Versicherten hin und her, um mit minimalem finanziellem Einsatz dennoch den Schein einer echten Reform zu erwecken.
Besonders deutlich wird die Trickserei bei den angeblichen Entlastungen für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen. Ein Pflegezuschuss von fünf Prozent beim Eintritt-, und ein gestaffelter Leistungszuschlag von 25 -70 Prozent des Eigenanteils nach Dauer der Pflegebedürftigkeit für stationäre Gepflegte klingen tatsächlich nach mehr Geld. Gleichzeitig wird jedoch die bereits beschlossene Dynamisierung der Leistungen, also der Inflationsausgleich bis 2025 von ebenfalls fünf Prozent, zurückgenommen. Hier wird allen Pflegebedürftigen eine bereits versprochene Leistungsanpassung vorenthalten, um sie zur besagten Begrenzung der Eigenanteile zu verwenden. Die Dynamisierung war von vielen Pflegebedürftigen fest eingeplant und verpufft nun in einer Illusion.
Unterfinanziert ist die Pflegeversicherung auch deshalb, weil versicherungsfremde Leistungen in Höhe von circa drei Milliarden Euro aus ihr bezahlt werden. Da diese Investitionen allen Versicherten zugutekommen und die Versorgungsqualität insgesamt steigern, sollten dafür Steuergelder eingesetzt werden, was jetzt jedoch komplett entfällt. Ein Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung hilft da auch nicht wirklich weiter. Und auch die mehr als fragwürdige Beitragserhöhung für kinderlose Versicherte ist nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Damit ist klar, dass die eingesetzten Mittel nicht für eine spürbare Entlastung der Versicherten ausreichen werden. Was droht ist eine massive Unterfinanzierung der Pflegeversicherung bei gleichzeitiger Überforderung der pflegebedürftigen Menschen, und das schon 2022.
Das Versprechen der Regierung, die Bezahlung der Pflegekräfte entscheidend zu verbessern um damit die Attraktivität des Berufes deutlich zu erhöhen, ist im Gesetzentwurf auch nicht eingelöst worden. Anstatt mit Hilfe einer tariflichen Entlohnung zu gewährleisten, dass eine spürbare Verbesserung der Situation von Pflegebeschäftigten einhergeht, bietet die weiche Regelung die Möglichkeit, Tarife von DGB-Gewerkschaften massiv zu unterlaufen und damit das genaue Gegenteil – also eine Verschlechterung der Situation zu bezwecken. Auch hier wird der Anschein erweckt, eine echte Lösung vorzulegen, die in der realen Welt der Pflegekräfte nicht weiterhilft.
Die angekündigten und dringend notwendigen Entlastungen bleiben für die nächste Bundesregierung liegen, eine echte Pflegereform steht somit weiter aus.