Über 74 Millionen Menschen in Deutschland sind in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Die GKV finanziert sich über Beiträge, den Bundeszuschuss und Einnahmen wie z.B. Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen. Diese fließen in den Gesundheitsfonds. Die Finanzierung gerät unter Druck: Wahrscheinlich fehlen auch 2024 mehrere Milliarden Euro. Der DGB stellt Forderungen für eine stabile Finanzierung der GKV.
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Zentraler Bestandteil für die Versorgung der Menschen in Deutschland ist seit über 140 Jahren die beitragsfinanzierte, solidarische gesetzliche Krankenversicherung (GKV) als Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung. Sie ist eine entscheidende Errungenschaft des sozialen Sicherungssystems unseres Landes, weil sie ihren Mitgliedern – unabhängig vom Einkommen - eine gute Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet, und genießt einen hohen Stellenwert - sowohl innerhalb der Bevölkerung als auch international.
Ihre hohe Leistungsfähigkeit hat die GKV zuletzt bei der Bewältigung der Corona-Pandemie unter Beweis gestellt, bspw. bei der Impfkampagne und ermöglicht für mehr als 90 % der Bevölkerung eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung.
Seit einigen Jahren steht die GKV vor großen finanziellen Herausforderungen. Die Gründe für die finanziellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung sind:
Auf diese Herausforderungen hat der Gesetzgeber bisher nicht adäquat reagiert. Nachdem das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) im Herbst 2022 die Lücken in der GKV für 2023 nur notdürftig gestopft hat, wird für 2024 erneut ein Defizit von mehreren Milliarden Euro erwartet. Daher möchte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bis Ende Mai 2023 „Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV“ vorlegen. Denn um die Finanzierung der GKV nachhaltig zu stabilisieren und gleichzeitig das bestehende Leistungsniveau mindestens abzusichern, sind umfassende Reformen notwendig – sowohl auf der Einnahmen - als auch auf der Leistungsseite.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stellen daher folgende schnell umsetzbare Forderungen für eine leistungsfähige, stabile GKV der Zukunft.
Der Bund muss kostendeckende Beiträge für Bürgergeld-Bezieher*innen zahlen, da die bisher entrichteten Beiträge eine jährliche Unterdeckung von ca. 10 Mrd. EUR in der GKV bewirken. Damit wird indirekt der Bundeshaushalt mit Mitteln der Beitragszahler*innen subventioniert; das ist nicht systemgerecht und unsolidarisch.
Wir fordern eine regelgebundene Dynamisierung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds, die auf dem gesetzlich bestimmten Steuerzuschuss fußt. Hierfür bedarf es der Entwicklung von Kriterien, um versicherungsfremde Leistungen rechtssicher definieren zu können.
Stufenweise Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der GKV von aktuell 4987,50 EUR mtl. auf das Niveau der BBG der Rentenversicherung West (7300 EUR mtl.).
Zusätzliche stufenweise Anhebung der Versicherungspflichtgrenze (VPG) (beträgt aktuell 5550 EUR mtl.), um das Abwandern von Besserverdienenden aus dem GKV-System in das System der privaten Krankenversicherungen zu begrenzen.
Einführung einer pauschalen Beihilfe für alle Beamt*innen in Deutschland und ein leichterer Zugang für diese Personengruppe zur GKV. So wird eine gesetzliche Lücke im Beihilferecht geschlossen und der Kreis der GKV-Versicherten erweitert.
Bessere Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, indem Einrichtungen gemeinsamer fachärztlicher Versorgungsbereiche ermöglicht werden. In diesen Einrichtungen müssen Klinikpersonal und niedergelassene Ärzt*innen auf der Grundlage einheitlicher Rahmenbedingungen, Vergütung und Behandlungsleitlinien Patient*innen versorgen.
Förderung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in kommunaler und gemeinnütziger Trägerschaft durch staatliche Mittel, ggf. Beantragung von Geldern aus dem EU-Strukturfonds, um den Aufbau medizinischer Einrichtung zu unterstützen.
Arznei-, Heil-, und Hilfsmitteln müssen als Güter des Grundbedarfs mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz einheitlich mit 7 % besteuert werden. Die Differenz zwischen den beiden Steuersätzen beläuft sich auf über 5 Mrd. EUR jährlich.
Begrenzung von beschleunigten Zulassungsverfahren, da für Arzneimittel mit niedriger Evidenz oft hohe Preise aufgerufen werden. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Patientensicherheit ist das Verfahren zu überprüfen und die Datenlage zu verbessern. Der Gesetzgeber muss per Gesetz sicherstellen, dass eine anwendungsbegleitende Datenerhebungen zu den Behandlungsergebnissen ab dem ersten Tag, an dem sie genutzt werden, erfolgt.
Einführung eines Interimspreises im ersten Jahr der Zulassung anhand eines Vergleichstherapiepreises. Überzahlungen werden der GKV vom Hersteller erstattet und umgekehrt.
Wenn der Beitragssatz als letztes Mittel der Gegenfinanzierung angehoben werden muss, dann nur in Form einer gesetzlichen Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes – auch um den Preiswettbewerb zwischen gesetzlichen Krankenkassen durch kassenindividuelle Zusatzbeiträge nicht anzuheizen.
Stärkung der Kassenreserven, denn ein Abschmelzen bedeutet einen Rückgriff auf die Mittel der Beitragszahler*innen, destabilisiert die Kassen und verringert ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber ökonomischen Schwankungen.
Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds darf nur für unterjährige Schwankungen verwandt werden und dient zur Stabilisierung der gesundheitlichen Versorgung.
Erhalt der vollen Beitragsparität: Die Hälfte der Beiträge zur GKV zahlt die Arbeitgeberseite und trägt damit Verantwortung für die Gesundheit ihrer Beschäftigten.
Unser Ziel bleibt die Weiterentwicklung der GKV zu einer solidarisch finanzierten, öffentlichen und selbstverwalteten Bürgerversicherung für alle.
Die Ausgabensteigerungsgesetze der letzten Jahre müssen bis Ende 2023 überprüft werden, ob sie einen zusätzlichen Versorgungsnutzen für die Versicherten erbracht haben.