Deutscher Gewerkschaftsbund

14.12.2022
Gesundheitspolitik

Gesundheitspolitik 2022: Rück- und Ausblick aus Sicht des DGB

Im Jahr 2022 stand die Bewältigung der Pandemiefolgen und die besorgniserregende finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Mittelpunkt des gesundheitspolitischen Engagements des DGB. Bei steigenden Kosten, muss zuallererst die Versorgungsqualität und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen gesichert werden. Das wird eine große Herausforderung im kommenden Jahr werden. Umfassende Reformen in der Versorgungsstruktur sind für 2023 bereits angekündigt, daneben muss auch eine gerechte Finanzierung der GKV erneut diskutiert werden.

Geldscheine und Fieberthermometer

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Bewältigung der Corona-Pandemie

Auch in diesem Jahr nahm die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle in der gesundheitspolitischen Arbeit des DGB ein. Ziel war es, die Umsetzung von Eindämmungsmaßnahmen zu erreichen, um insbesondere vulnerable Gruppen wirksam zu schützen. Gleichzeitig sollten die gesetzlichen Krankenkassen nicht über Gebühr belastet werden, um eine weitere finanzielle Schieflage und infolgedessen eine Verschlechterung der Versorgung zu verhindern. Neben dem angemessenen und frühzeitigen Schutz der Beschäftigten in Einrichtungen der ambulanten und stationären Versorgung und Pflege stand deren gute und flächendeckende Entlohnung im Fokus der Arbeit des DGB. In der Pandemie wurde nochmal deutlich, welch gravierende personelle Engpässe die verfehlte Versorgungs- und Investitionspolitik der jüngeren Vergangenheit nach sich zieht. Darüber hinaus hat der DGB sich auch dafür eingesetzt, die öffentlichen Gesundheitsdienste zu stärken und ausreichend öffentlich finanzierte Tests für alle Bürger*innen bereitzustellen. Für uns war und ist es wichtig, dass Gesundheitsschutz nie eine Frage des Geldbeutels sein darf. Flächendeckende Tests und Impfungen wurden von der GKV übernommen – allerdings auch für PKV-Kund*innen und Nicht-Versicherte. Die damit einhergehende Quersubventionierung von privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Beitragsmitteln der GKV war und ist ein gesundheitspolitischer Skandal. Denn staatlichen Zugriffe auf Beitragsgelder der GKV zur Finanzierung des staatlichen Seuchenschutzes kritisieren wir ebenso wie den Zugriff auf die Beitragsrücklagen der GKV. Es bleibt dabei: Staatliche bzw. gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind vollumfänglich von der öffentlichen Hand aus Steuermitteln zu finanzieren.

GKV-Finanzen bieten Grund zur Sorge

Die besorgniserregende finanzielle Lage der GKV bestimmt im hohen Maße die gesundheitspolitische Debatte – und das wird auch im nächsten Jahr so bleiben: Der Schätzerkreis des Bundesamts für soziale Sicherung hat im Oktober das Rekorddefizit der Kassen von 17 Milliarden Euro für das kommende Jahr bestätigt. Verantwortlich für dieses strukturelle Defizit sind in erster Linie die ausgabensteigernden Gesetze der vergangenen Legislaturperioden. Zu spürbaren Verbesserungen in der Versorgung für Patient*innen haben diese jedoch nicht geführt. Gleichzeitig wurde das Solidarprinzip zur Finanzierung der GKV nicht gestärkt und wichtige Einnahmequellen fehlen nach wie vor. Auch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wird die finanzielle Situation nicht nachhaltig verbessern können. Im Gegenteil: Die Maßnahmen destabilisieren die GKV-Finanzen. Zunächst wird durch die Erhöhung der Zusatzbeiträge der Wettbewerb zwischen den Kassen weiter angeheizt. Das kostet zusätzlich Geld und sorgt dafür, dass die GKV (weiter) daran gehindert wird, eine adäquate und faire Gesundheitsversorgung bereitzustellen. Das ist absolut kontraproduktiv. Zusätzlich wird durch den vorgeschlagenen Rückgriff auf die Finanz- und Liquiditätsreserven der GKV die Resilienz der Krankenkassen nachhaltig geschwächt. Wir haben mehrfach deutlich gemacht, dass der Bund seiner finanziellen Verantwortung endlich gerecht werden muss und die Hauptlast des von ihm maßgeblich verursachten Defizits nicht den Beitragszahlenden anlasten darf. Der Bund muss daher endlich höhere, kostendeckende Beiträge für ALG-II-Bezieher*innen zahlen, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Solange der Bund die dafür notwendigen ca. 10 Mrd. € jährlich nicht zahlt, entlastet er seinen Haushalt weiterhin zu Lasten der GKV-Beitragszahler*innen. Zudem brauchen wir endlich für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel als Teil des Grundbedarfs den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, so wie es analog bereits in vielen europäischen Ländern der Fall ist. Hierdurch könnten die Kassen ungefähr fünf Milliarden Euro jährlich einsparen. Geradezu wie Hohn mutet es an, dass der Gesetzgeber einen ergänzender Bundeszuschuss zum Gesundheitsfond in Höhe von gerade einmal zwei Milliarden Euro für das kommende Jahr vorgesehen hat. Das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.

2023 - Ein Schicksalsjahr für die Gesundheitsversorgung in Deutschland?

2023 kann ein Schicksalsjahr für die Gesundheitsversorgung in Deutschland werden: Auf der einen Seite muss die finanzielle Lage der Krankenkassen stabilisiert werden, damit sie auch weiterhin ihre Aufgaben erfüllen können - eine gute und bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle Beitragszahler*innen in Stadt und Land bereitzustellen. Hierzu müssen die entstehenden Lasten gerecht zwischen Bund, Ländern und den Beitragszahler*innen der GKV aufgeteilt werden. Die Absicherung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens ist elementar. Hierfür sind umfassende Reformen der Finanzierungsgrundlagen notwendig, die die GKV nachhaltig stärken. Nicht nur in Krisenzeiten gilt, dass starke Schultern mehr tragen müssen, als schwache. Umfragen zeigen, dass die Versicherten durchaus bereit sind, für gute Versorgung in der GKV mehr Geld zu zahlen. Und eine gute Versorgung lässt sich langfristig nur in einer durch Erwerbstätige und Arbeitgeber solidarisch finanzierten und selbstverwalteten GKV gewährleisten. Die Frage der besseren Versorgung, im Sinne von Notfallversorgung, ambulanter und stationärer Versorgung, wird die gesundheitspolitische Debatte des kommenden Jahres maßgeblich bestimmen. Der DGB wird sich daran mit einem eigenen Konzept zur regionalen gesundheitlichen Versorgung beteiligen. Wir wollen die ambulante und stationäre Versorgung sektorenübergreifend zusammendenken. Zusätzlich müssen Antworten darauf gefunden werden, wie die Finanzmittel in Investitionen und Verbesserungen für Versicherte und Patient*innen fließen und damit die Gemeinwohlorientierung in unserem Gesundheitswesen wieder gestärkt werden kann. Denn: Die Menschen zahlen ihre Beiträge für gute Versorgung und nicht für Profite von Privatunternehmen. Wir wollen den Gesetzgeber in die Pflicht nehmen, im nächsten Jahr die Weichen für eine Gesundheitspolitik zu stellen, die wieder stärker an den Bedürfnissen der Patient*innen ausgerichtet wird.


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