Deutscher Gewerkschaftsbund

26.09.2022

Entlastungen greifen – weitere Maßnahmen sind nötig

Mit dem dritten Entlastungspaket hat die Regierung zum Jahreswechsel 2023 weitere Entlastungen vorgesehen. Dies ist gut. Notwendig sind aber weitere, sozial ausgerichtet Entlastungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen. Gerecht ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Beiträge von Spitzenverdienenden zum Jahreswechsel geringfügig steigen, werden sie doch über die Steuer insgesamt entlastet.

Spielfiguren stehen um eine blaue Spielfigur, die erhöht auf einem Münzstapel steht

DGB/Tofotografie/colourbox.com

Mit dem sogenannten dritten Entlastungspaket hat die Bundesregierung weitere Entlastungen zum Jahreswechsel 2023 beschlossen. Hier sollen die direkt bei den Beschäftigten wirkenden Regelungen betrachtet werden. Zum 1. Januar sinkt bei Löhnen zwischen 520 und 2000 Euro der Beitrag zu den Sozialversicherungen, in dem der Übergangsbereich ausgeweitet wird. Zusätzlich sinkt die Steuerbelastung, da der Grundfreibetrag angehoben wird und die einzelnen Tarifstufen später greifen. Und für Personen mit Kindern wird der Kinderfreibetrag und das Kindergeld angehoben. Ab Januar 2023 ist außerdem der Beitrag zu Rentenversicherung voll steuerfrei. Durch die ersten beiden Entlastungspaketen und dem Mindestlohngesetz hat der Gesetzgeber bereits Entlastungen beschlossen. Daher wird ergänzend auch die Gesamtwirkung der vielfältigen Maßnahmen seit Ende 2021 betrachtet.

In den letzten Tagen war häufiger zu lesen und hören, dass Beschäftigte mit hohen Gehältern ab Januar 2023 zusätzlich belastet würden, da die Bundesregierung ihren Beitrag zu den Sozialversicherungen anheben würde. Dem ist aber nicht so. Hintergrund ist, dass jeweils zum 1. Januar 2023 die Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungen an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden. Ohne diese Anpassung würden Lohnerhöhungen über der Beitragsbemessungsgrenze der Beitrag nicht erhöht, während bei allen mit Lohn unter der Beitragsbemessungsgrenze jede Lohnerhöhung verbeitragen wird. Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze verhindert also, dass Personen mit einem hohen Lohn faktisch entlastet werden, da sie auf ihren gesamten Lohn einen kleineren Beitragssatz zahlen würden.

Letztlich geht bei der regelmäßigen Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen also, genau andersherum als bei der viel erwähnten kalten Progression im Steuertarif, darum, dass hohe Löhne sonst bei jeder Lohnerhöhung real entlastet würden. Das wäre unsolidarisch. Es würde Personen begünstigen, die ohnehin nicht auf den ganzen Lohn Beiträge zahlen. Auch die Arbeitgeber dieser Beschäftigten würden dadurch real entlastet. Und nicht zuletzt wäre die Finanzierung der Sozialversicherungen auf Dauer gefährdet, wenn die Einnahmen nicht mit der Lohnentwicklung stiegen, da natürlich die Ausgaben tendenziell mit den Löhnen bzw. Preisen steigen. Auch hält sich die Belastung sehr in Grenzen. Bei rund 8000 Euro Lohn sind bei einer alleinstehenden Person ohne Kinder nach Steuern dadurch gerade mal 23,41 Euro zusätzlich fällig – rund 1,8 Prozent. Hinzu kommt, wie für alle Beschäftigten, noch steigende Beitragssätze zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung.

Dabei bleibt noch unberücksichtigt, dass aufgrund der Fortschreibungsregeln die Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung (West) und Arbeitslosenversicherung von 2021 auf 2022 gesunken und die zur Krankenversicherung unverändert geblieben ist. Damit haben Spitzeneinkommen 2022 sogar weniger Beitrag gezahlt als 2021. Dieser Rückgang wird nun wieder ausgeglichen, so dass rund ein Drittel der Belastung auf diesen Effekt entfällt. Der rechnerischen Mehrbelastung von 1,8 Prozent steht also die Lohnentwicklung der hohen Löhne von zwei Jahren gegenüber, so dass diese dennoch regelmäßig real entlastet sein dürften. Insgesamt taugt die lohnbezogene Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen jedenfalls nicht dazu, von einer Beitragserhöhung zu sprechen. Vielmehr wird eine Minderung des effektiven Beitragssatzes für hohe Einkommen vermieden.

Und, trotz dieser zusätzlichen Ausgaben aufgrund der steigenden Beitragssätze wie auch der erhöhten Beitragsbemessungsgrenzen, werden alle versicherungspflichtig Beschäftigten zum Jahreswechsel 2023 netto tatsächlich entlastet. Die Höhe der Entlastung ist jedoch sehr unterschiedlich und reicht oftmals nicht, die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen. Daher bleibt es unabdingbar, dass sich die Löhne der Beschäftigten deutlich erhöhen. Denn mit mehr Netto vom Brutto können weder die Beschäftigten noch der Staat oder die Sozialversicherungen auf Dauer die notwendigen Ausgaben bestreiten.

Alleinstehende haben ab Januar spürbar mehr in der Tasche (vgl. Abbildung 1a). Ausnahme sind Beschäftigte mit einem Minijob, da hier von den Beschäftigten keine Steuern und Sozialbeiträge gezahlt werden, können diese auch nicht gesenkt werden (der freiwillige Eigenbeitrag zu Renten-versicherung bleibt unverändert). Eine alleinstehende Person ohne Kinder, die 1500 Bruttolohn hat, hat ab Januar 2023 netto rund 27 Euro im Monat mehr – davon gut 22 Euro aufgrund geringere Sozialbeiträge. Der Effekt ergibt sich vor allem durch die Verlängerung des Übergangsbereichs auf 2000 Euro, statt 1600 Euro. In diesem Übergangsbereich zahlen Beschäftigten weniger Beitrag. Bei 520 Euro zahlen sie keinen eigenen Beitrag und ab 2000 Euro dann regulär den halben Beitrag. Da-zwischen steigt der Anteil gleichmäßig an. Gegenüber dem Recht zum Dezember 2022 ist daher die größte Entlastung bei 1600 Euro, der dann geltenden Obergrenze des Übergangsbereichs

Alleinstehende haben immer mehr Geld in der Tasche

DGB

Bei Alleinstehenden mit niedrigem Lohn ist zum 1. Oktober 2022 der Beitragssatz bereits deutlich gesenkt worden. Denn im Rahmen des Mindestlohnerhöhungsgesetzes (Bundestags-Drucksache 20/1408) wurde der Übergangsbereich ausgeweitet, von der Geringfügigkeitsgrenze bis 1600 statt bisher 1300 Euro. Zusätzlich müssen die Beschäftigten vom reduzierten Beitrag im Übergangsbereich einen kleineren Teil und die Arbeitgeber einen größeren Anteil tragen. Gleichzeitig ist die Geringfügigkeitsgrenze von 450 auf 520 Euro erhöht worden, so dass Beschäftigte bis 520 Euro nun keinen Beitrag und keine Steuern mehr zahlen – bzw. nur den Eigenbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung von regelmäßig 3,6 Prozent.

So wirksam die Absenkung der Beiträge im Übergangsbereich ist, so stellt sich doch die Frage, ob es sozialpolitisch das richtige Instrument ist. Denn die Entlastung des geringen Bruttomonatslohn wird aus den Sozialversicherungen finanziert und entzieht diesen damit Einnahmen. Damit wird aber die gesamtgesellschaftliche Aufgabe zur Unterstützung von Geringverdienenden nur von einem Teil der Gesellschaft finanziert, den Pflichtversicherten. Außerdem werden geringe Bruttomonatslöhne gefördert, unabhängig von der Frage, ob und wie sehr diese Person tatsächlich Unterstützung braucht. So wird eine Alleinerziehend genauso entlastet wie Alleinstehende ohne Kinder – faktisch sogar etwas weniger aufgrund des Kinderlosenzuschlags in der Pflegeversicherung. Auch Personen mit anderen Einkünften (Miete, Rente oder ähnlichem) bekommen die gleiche Entlastung, obwohl sie insgesamt deutlich höhere Einkünfte haben.

Auch werden Personen mit gutem Stundenlohn ebenso gefördert wie Personen mit einem niedrigen Stundenlohn. Insgesamt erscheint das Instrument des Übergangsbereichs daher nicht wirklich als geeignet. Mit der Neugestaltung ab Oktober 2022 ist die Wirkung etwas besser geworden, da die Arbeitgeber nun einen Teil der Beitragsentlastung tragen müssen – insgesamt wird aber weiterhin ein deutlich niedrigerer Gesamtbeitrag erhoben. Der DGB regt schon lange an, Haushalte mit niedrigem Einkommen bei den Sozialbeiträgen lieber über das Steuersystem zu unterstützen. Dies wäre viel zielgenauer und entzöge den Sozialversicherungen keine Beiträge. In diesem Zusammenhang könnte auch die Minijobs voll sozialversicherungspflichtig werden, da der Nettoeffekt über das Steuersystem ausgeglichen werden könnte (vgl. https://www.dgb.de/-/RRs und https://www.dgb.de/-/cx0).


Nach oben

sozialpolitik aktuell - Newslettermeldungen

Erste Seite  Vorherige Seite 
Seite: 1 2 3
Letzte Seite 
21.03.2024
DGB for­dert so­li­de Fi­nan­zie­rung der Kran­ken­haus­re­form
Personal in einem Krankenhausflur, unscharf, in blauem Licht
DGB/Yuriy Klochan/123rf.com
Am 15. März ist der aktuelle Referentenentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) zur Krankenhausreform in die Ressort-Abstimmung gegeben worden. Der DGB kritisiert die unausgewogene Finanzierung des Vorhabens zur Hälfte aus Beitragsmitteln und fordert stattdessen eine auskömmliche Finanzierung aus Steuermitteln von Bund und Ländern.
weiterlesen …

21.03.2024
Se­nior*in­nen mi­schen sich in die Kom­mu­nal­wah­len ein
lachendes älteres Pärchen stehen sich umarmend unter einem Baum
DGB/Wavebreak Media Ltd/123rf.com
Gewerkschaftliche Senior*innen mischen sich in die Wahlkämpfe ein. Der AK Senior*innenpolitik hat deswegen eine Argumentationshilfe zur Kommunalen Senior*innenpolitik für die Arbeit der KV/SVen vor Ort erstellt.
weiterlesen …

21.03.2024
Ren­ten­pa­ket II: Schrit­te zur Ab­si­che­rung im Al­ter
Stempel Rente
Rainer Sturm/pixelio.de
Gute Renten sind eine zentrale Aufgabe des Sozialstaates und generationsübergreifend zu gewährleisten. Mit dem Rentenpakte II stabilisiert die Bundesregierung das Rentenniveau und sorgt so für verlässliche Renten für heutige und künftige Generationen.
weiterlesen …

07.03.2024
Mehr So­li­da­ri­tät statt Leis­tungs­kür­zun­gen und Zu­gangs­bar­rie­ren
Geldscheine und Fieberthermometer
Colourbox
Viele gesetzlich Versicherte zahlen seit Beginn des Jahres höhere Beiträge. Konservative und neoliberale politische Kräfte nehmen das zum Anlass die bewährte paritätische Umlagefinanzierung in Zweifel zu ziehen und sehen die Schuld für die finanzielle Misere innerhalb des Sozialsystems selbst.
weiterlesen …
Erste Seite  Vorherige Seite 
Seite: 1 2 3
Letzte Seite