Deutscher Gewerkschaftsbund

07.11.2022
27. Weltkonferenz in Ägypten

Die Welt im Krisenmodus – Weltklimakonferenz als Ort für notwendige internationale Kooperation

Vom 6. bis 18. November findet im ägyptischen Scharm el Scheich die 27. Weltklimakonferenz (COP 27) statt. Nachdem bei der letztjährigen Klimakonferenz in Glasgow das technische Regelwerk zum Pariser-Klimaabkommen von 2015 finalisiert wurde, stehen nun intensive Verhandlungen rund um Klimaanpassung, Finanzierung und Erhöhung des Ambitionsniveaus an. Eine internationale Gewerkschaftsdelegation mit Vertreter*innen des DGB wird die Konferenz wie in den letzten Jahren aktiv begleiten.

Erde in Herzform in zwei Händen gehalten

Colourbox.de

Jede Klimakonferenz zeichnet sich durch ihre Eigenheiten und Schwerpunkte aus. In dieser, der 27. Weltklimakonferenz, ist es vor allem die aktuelle geopolitische Ausgangslage und die Frage, wie erfolgreich die bisherigen Klimabemühungen waren. Die Zusagen auf der Klimakonferenz in Glasgow, insbesondere die fossile Energiegewinnung und Investitionen in diesen Bereich zu beenden, wurden als wegweisend beschrieben. Der russische Angriffskrieg machte diesen Plänen schnell einen Strich durch die Rechnung. Durch den Stopp der russischen Gaslieferungen mussten vielerorts Ersatzinvestitionen in neue LNG-Gasinfrastruktur getätigt und Kohlekraftwerke (wieder) hochgefahren werden, um die Wärme- und Stromversorgung im Winter zu garantieren und die massiv gestiegenen Energiepreise im Zaum zu halten. Das hat nicht nur Klimaschutzbemühungen in Europa, sondern auch weltweit gebremst, und zudem auch zu massiven ökonomischen und sozialen Verwerfungen geführt. Diese Ausgangslage erhöht den Handlungs- und Ergebnisdruck für Scharm el Scheich enorm.

Welche Schwerpunkte gibt es?

Ambitionssteigerung, um Klimawandel stärker und schneller zu begrenzen

Die Ambitionslücke zum 1,5-Grad bzw. 2-Grad-Ziel ist immer noch gewaltig. Zwar hat es seit dem Pariser-Klimaabkommen deutlich verbesserte Zusagen der Mitgliedsstaaten gegeben. Doch selbst, wenn alle gemachten Zusagen von den Staaten eingehalten werden sollten, würde das immer noch eine Erderwärmung zum Ende des Jahrhunderts von rund 2,5 Grad Celsius bedeuten - mit gravierenden Folgen für Mensch und Natur. In Scharm el Scheich muss daher geklärt werden, wie diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit schnell geschlossen werden kann. Zudem wird es darum gehen, die weltweiten Emissionsreduktionsziele auf einen Pfad deutlich unter 2 Grad Celsius Erderwärmung nachzuschärfen.

Klimaanpassung und Finanzierung sicherstellen

Mit Scharm el Scheich in Ägypten ist nach vier europäischen Austragungsorten mal wieder ein Land des globalen Südens Gastgeber der Klimakonferenz. Dieser Umstand ist wichtig, da die wirtschaftlich schwächsten Länder und vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Fehlende finanzielle Ressourcen für Klimaanpassungsmaßnahmen wie den Bau von Deichen, Wassermanagementsystemen oder dem Katastrophenschutz fehlen. Durch vom Klimawandel verursachte, materielle Schäden und die Kosten der Anpassung fehlen ärmeren Ländern die Ressourcen, um die wirtschaftliche Entwicklung nachzuholen und zu den Industrienationen aufzuschließen. Auf der COP wird es daher zum einen darum gehen, Pläne vorzulegen, wie Klimaanpassungsmaßnahmen sich zukünftig stärker in den Strategien der Mitgliedsstaaten wiederfinden. Zum anderen geht es um finanzielle Zusagen für arme Länder des Südens aus dem wohlhabenden Norden, um eigene Klimaschutzmaßnahmen und Anpassung an die Erwärmung finanzieren zu können. Die Industrieländer hatten bereits 2009 zugesagt, diese Zahlungen immer weiter aufzustocken und ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar zu zahlen. Diese Zusage wurde bisher nicht eingehalten, soll sich in diesem Jahr jedoch erstmalig erfüllen.

Zudem gibt es eine intensive Debatte darüber, wie Länder des globalen Südens stärker für entstandene Schäden auf Grund des Klimawandels durch Industrienationen, die vor allem eine historische Verantwortung für bereits ausgestoßen Treibhausgasemissionen haben, entschädigt werden können.

Just Energy Transition Partnerschaften, die ihren Namen verdienen

Das gewerkschaftliche Konzept einer „Just Transition“ – eines gerechten Strukturwandels – ist 2015 im Pariser Klimaabkommen verankert worden und seitdem beständiger Teil der Klimaverhandlungen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass der Begriff „Just Transition“ von vielen Akteuren intensiv genutzt, mittlerweile aber auch verwässert wird. Viele Aktivitäten unter diesem Schlagbegriff haben mit Beschäftigung und gerechter Gestaltung des Wandels nur noch wenig zu tun. Deutlich wird dies z.B. bei den Verhandlungen um die „Just Energy Transition Partnerschaften“ (JETP), die in Glasgow ins Leben gerufen wurden. Ziel dieser Partnerschaften ist die Unterstützung von Entwicklungsländern bei konkreten Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft mit einem Schwerpunkt auf den Umbau des Energiesektors. Als erstes Land soll Südafrika beim Kohleausstieg und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützt werden. Dafür haben sich Industrienationen wie die USA, die EU und Kanada darauf verständigt, Südafrika 8,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. So richtig und wichtig dieser Ansatz ist, zeigt die derzeitige Ausgestaltung enorme Defizite.

Bisher gestalten sich die Verhandlungen weder transparent noch inklusiv. Das bedeutet, dass die südafrikanischen Gewerkschaften bisher so gut wie gar nicht beteiligt sind und auch keine Einblicke in die Ausgestaltung der JETP haben. Mit einer Just Transition, die Beschäftigte in den Mittelpunkt der Transformation stellt, sie mitnimmt, einbindet und Perspektiven entwickelt, hat das wenig zu tun. Vielmehr muss es darum gehen, Gewerkschaften schon von Beginn in die JETP einzubinden, um das Wissen von vor Ort einfließen zu lassen, Widerstände abzubauen und demokratische Kontrollfunktionen auszuüben. Da die südafrikanische Partnerschaft als Blaupause für andere JETP gelten soll, muss hier in Scharm el Scheich deutlich nachgebessert werden.

Wie bringen sich die Gewerkschaften auf der COP ein?

Der DGB wird wie in den letzten Jahren Teil der internationalen Gewerkschaftsdelegation sein. Neben den Klimaverhandlungen und einem großen Strategietreffen aller anwesenden Gewerkschafter*innen wird es viele Veranstaltungen und Möglichkeiten zum Austausch geben.

Zudem organisiert der DGB zwei Veranstaltungen im deutschen Pavillon, die auch im Livestream übertragen werden:

  • 14.11.2022, 12:30 bis 14:00 - Energiekrise als Wendepunkt für Klimaschutz und gerechte Transformation u.a. mit Stefan Körzell und Jochen Flasbarth
    Hier geht es zur Veranstaltung
  • 16.11.2022 10:30 bis 11:30 - Just Transition auf regionaler Ebene – Konkrete Beispiele zur Gestaltung der Transformation
    Hier geht es zur Veranstaltung

Die im IGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften haben folgende Anforderungen an die COP formuliert:

  • Umsetzung von nationalen Just Transition Plänen für Beschäftigte
  • Wahrung von Menschenrechten, Arbeitnehmer*innenrechten und inklusive Partizipation
  • Ambitionierte Klimaschutz- und Beschäftigungspolitik
  • Umsetzung Klimaanpassungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von sozialer Absicherung
  • Schnelle und verlässliche Klimafinanzierung gekoppelt an Just Transition 
  • Stärkung von internationaler Kooperation

Am Ende wird es darum gehen, aus dem Krisenmodus und dem Reagieren raus ins Agieren und Gestalten zu kommen. Dafür braucht es, anders als von einigen Akteuren postuliert, eine starke Staatengemeinschaft. Denn der Klimawandel macht vor Ländergrenze keinen Halt: er ist nur gemeinschaftlich zu begrenzen. Es gilt das Motto der COP „Gemeinsam für die Umsetzung“ in Scharm el Scheich mit Leben zu füllen.


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