Vertrauliche Entwürfe aus WTO-Verhandlungen über neue Regeln für digitale Geschäfte sind an die Öffentlichkeit geraten und lassen eine weitere Deregulierung der Digitalwirtschaft befürchten. Damit droht eine noch stärkere Monopolisierung von Profit und Macht über Daten. Die aktuellen Verhandlungen müssen gestoppt und durch einen transparenten, demokratischen Aushandlungsprozess ersetzt werden.
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Fernab der Öffentlichkeit verhandeln seit einigen Jahren Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) ein Abkommen zum digitalen Handel. Führende Industrienationen und China arbeiten in diesem Rahmen intensiv an neuen Regeln und Standards für digitale Geschäfte und den Online-Handel (E-Commerce).
Was zunächst harmlos klingt, verfolgt bei näherer Betrachtung eine hochbrisante politische Agenda: Vertrauliche Textentwürfe, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, zeigen, dass der Vertrag die digitale Zukunft festschreiben und nationale sowie europäische Regulierungsspielräume einschränken könnte.
Zu den problematischen Vorhaben der verhandelnden Staaten zählt zum Beispiel das Verbot, den Zugang zu Algorithmen und Quellcodes einzufordern. Ein solches Verbot könnte es Regulierungsbehörden unmöglich machen, zu kontrollieren, ob die Datensicherheit und Rechtmäßigkeit von Software (z. B. in Autos oder bei medizinischen Geräten) gewährleistet ist. Mit Blick auf Plattformen würde es erheblich erschwert werden, Plattformbetreiber für die Inhalte, die Dritte auf ihren Websites posten, zur Verantwortung zu ziehen. Für die Länder des Südens spielt es eine große Rolle, Steuern und Zölle zu erheben, um eine eigene Digitalwirtschaft aufzubauen. Das E-Commerce-Abkommen in der geplanten Form würde dies verhindern.
DGB/ Quelle: UNCTAD Digital Economy Report 2021
Der DGB hat sich gemeinsam mit der Hilfsorganisation Brot für die Welt positioniert und appelliert an die Bundesregierung und die EU-Kommission, die E-Commerce-Verhandlungen innerhalb der WTO zu stoppen. Die Inhalte der Verhandlungen müssen offengelegt und Vereinbarungen verhindert werden, die die digitale Kluft zwischen Digitalkonzernen und dem Rest der Welt weiter vergrößern.
Es bedarf keiner weiteren Deregulierung der Digitalwirtschaft. Wird die Digitalisierung dem freien Markt überlassen, droht eine weitere Monopolisierung von Profit und Macht über Daten (siehe Grafik). Damit der digitale Wandel den Menschen in der ganzen Welt zugutekommt, braucht es vielmehr faire politische Rahmenbedingungen und transparente, demokratische Aushandlungsprozesse unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft.
Digitalkonzerne tragen gesellschaftliche Verantwortung, der sie nachkommen müssen. Staaten dürfen nicht daran gehindert werden, z. B. einen starken Datenschutz und den Schutz der Persönlichkeitsrechte durchzusetzen oder auf digitale Geschäftsmodelle zuzugreifen, wenn demokratische Grundwerte verletzt werden. Die Digitalisierung muss dem Gemeinwohl dienlich sein. Datennutzung, digitale Geschäftsmodelle und künstliche Intelligenz müssen nach demokratischen und sozialen Standards organisiert werden können.
Das geplante E-Commerce-Abkommen könnte eine solche Entwicklung torpedieren. Die derzeitigen Gespräche auf WTO-Ebene gehen in die falsche Richtung.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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