Die zahlreichen globalen Krisen haben die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Deutschlands und Europas offengelegt. Für die Versorgung mit natürlichen Rohstoffen sollen deshalb die Verhandlungen zum ausgesetzten EU-Mercosur-Abkommen wieder aufgenommen werden. Dazu braucht es eine Neuausrichtung der Handelspolitik mit sanktionierbaren Arbeits- und Sozialstandards sowie Umweltschutzstandards.
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Die zahlreichen globalen Krisen von Corona-Pandemie bis zur Energiekrise haben die Abhängigkeiten Deutschlands und Europas – und damit ihre Schwachstellen – offengelegt. Diversifizierung der Handels- und Lieferbeziehungen lautet daher nun die Devise. Im Fokus steht nicht zuletzt die Versorgung mit natürlichen Rohstoffen, wie Metallen, Erzen und Erden, die für die industrielle Produktion und den ökologischen Umbau gerade für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland zentrale Bedeutung haben. Russland fällt als wichtiger Lieferant für Rohstoffe, wie z.B. Nickel oder Aluminium, aus. Und auf die Versorgung aus China mit Seltenen Erden und anderen Ressourcen will man sich nicht mehr ausschließlich verlassen.
So rücken nun Weltregionen in den Blick, denen in den vergangenen Jahren weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste in dieser Woche durch das ressourcenreiche Südamerika (siehe Grafik).
Neben Argentinien und Chile besuchte er kurz nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Lula da Silva auch Brasilien. Neben engerer Zusammenarbeit im Bereich der Energiepolitik, des Rohstoffabbaus und der Rohstoffverarbeitung ist das Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten, zu denen, neben Brasilien und Argentinien, auch Paraguay und Uruguay gehören, zentrales Thema der Reise.
Die Verhandlungen, die bereits seit Ende der 1990er Jahre laufen, endeten im Jahr 2019 mit einer politischen Einigung. Detailfragen sind aber noch zu klären, bevor das Abkommen unterzeichnet werden soll. Angesichts der enormen Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und fehlender, verbindlicher Zusagen im Bereich des Umweltschutzes und der Sozialstandards sowie autoritärer Verhältnisse unter Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro hagelte es in den letzten Jahren massive Kritik an dem Abkommen. Die Ratifizierung ist daher ausgesetzt worden.
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Doch angesichts der veränderten Weltlage nimmt nun das Interesse am EU-Mercosur-Abkommen wieder zu. Mit Lula da Silva als neuem, eher linksgerichteten, Präsidenten Brasiliens ist darüber hinaus die Hoffnung verbunden, die Wogen im europäisch-lateinamerikanischen Verhältnis wieder zu glätten, das unter der Regierung von Bolsonaro gelitten hatte. So sprachen sich sowohl Scholz als auch die Präsidenten Argentiniens und Brasiliens während der Reise für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen noch in diesem Jahr aus.
Klar ist: Eine starke internationale – idealerweise multilaterale – Zusammenarbeit ist notwendig, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen. Bilaterale Handelsabkommen müssen dabei so ausgestaltet sein, dass sie zu nachhaltigem Wohlstand auf beiden Seiten beitragen. Die Zeiten, in denen Wettbewerbsvorteile auf Kosten von Beschäftigten und des Klimaschutzes gingen, müssen endlich ein Ende haben.
Einen ersten Schritt haben sowohl die EU-Kommission als auch die Ampel-Koalition in ihren Handelsstrategien angekündigt: In Handelsabkommen sollen sanktionierbare Arbeits- und Sozialstandards sowie Umweltschutzstandards verankert werden. Das muss auch für das Mercosur-Abkommen gelten! Die Regierungsakteure müssen jetzt zeigen, wie ernst es ihnen mit der Neuausrichtung der Handelspolitik ist. Sie müssen Taten sprechen lassen!
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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