Der eingeführte Tankrabatt sollte die privaten Haushalte entlasten. Jetzt spricht einiges dafür, dass die Mineralölkonzerne überhöhte Preise verlangt und sich am Rabatt bereichert haben sollen. Es braucht daher dringend ein schärferes Kartellrecht und Maßnahmen, um endlich einen fairen Wettbewerb herzustellen.
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Der Tankrabatt ist in aller Munde. Der DGB hat ihn von Anfang an kritisiert, weil er Gutverdiener*innen mit großen Autos tendenziell mehr entlastet als Gering- verdiener*innen. Inwieweit der Rabatt überhaupt greift, ist seit seiner Einführung auch unter Fachleuten umstritten. Mit der Einführung Anfang Juni führte er zwar zu einem Sinken der Kraftstoffpreise. Doch bereits kurz darauf ging es mit den Preisen wieder ordentlich bergauf – ohne dass der Rohölpreis sich ähnlich entwickelt hätte. Es spricht einiges dafür, dass einige wenige Mineralölkonzerne überhöhte Preise verlangt und sich an dem Rabatt bereichert haben. Nun geht Wirtschaftsminister Robert Habeck in die Offensive und will ein Kartellrecht mit „Zähnen und Klauen“ schaffen, um Oligopolen – also Situationen mit wenigen marktbeherrschenden Unternehmen – zukünftig besser Herr zu werden.
Bereits 2012 hatte das Bundeskartellamt ein marktbeherrschendes Oligopol auf regionalen Tankstellenmärkten nachgewiesen. Passiert ist seitdem wenig. Nun will das Wirtschaftsministerium das Kartellamt nicht nur personell stärken, sondern ihm auch weitreichendere Befugnisse gewähren. So soll es zukünftig einfacher werden, Übergewinne abzuschöpfen, die durch kartellähnliche Preisstrukturen erzielt werden. Dafür sollen der Datenzugang des Kartellamts gestärkt und die Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet werden, um Geschäftsmodelle noch tiefgreifender überprüfen zu können.
Außerdem soll nun nachgeholt werden, was bei der letzten Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verschlafen wurde: die Möglichkeit der „Entflechtung“ zu schaffen. Die Idee der Entflechtung von Konzernen ist nicht neu. In den USA gibt es dieses Instrument seit über 100 Jahren und auch in anderen Ländern der EU wurde es bereits angewendet. Dabei kann eine Entflechtung nur die Ultima Ratio, also die letztmögliche Alternative, sein. Auch muss sichergestellt werden, dass ein Unternehmen weiter wirtschaftlich betrieben werden kann und die Entflechtung nicht auf Kosten der Beschäftigten geht.
DGB/Quelle: PwC, Top 100 companies by market capitalization, 2022
Die Notwendigkeit, ein wirksames Mittel gegen übermächtige Konzerne zu schaffen, ist offensichtlich: In der Corona-Pandemie und auch in der aktuellen geopolitischen Situation konnten einige Unternehmen wie Mineralölkonzerne und Tech-Unternehmen ihre Größe und Vormachtstellung noch weiter ausbauen (siehe Grafik).
Die Vorhaben des Wirtschaftsministeriums gehen deshalb in die richtige Richtung und stellen wichtige erste Schritte auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Neujustierung des Wettbewerbsrechts dar. Klar ist aber auch: Die Herstellung eines wirklichen fairen Wettbewerbs braucht viele Maßnahmen. Tariftreue als Voraussetzung bei der Vergabe öffentlicher Mittel, Mitspracherecht für Arbeitnehmer*innen bei Fusions- und Übernahmeprozessen, das Recht auf Tarifvertrag für Solo-Selbstständige oder die Verhinderung von „Killer-Akquisitionen“ großer Konzerne und der geschäftsschädigenden Investitionsstrategien von Private Equity Firmen – all das kann dazu beitragen, dass der Wettbewerb nicht auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen wird.
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