Innerhalb der Bundesregierung wird über den Bundeshaushalt 2022 diskutiert. Die Berater um Bundesfinanzminister Lindner wollen vor allem einen möglichst zügigen Abbau der staatlichen Schulden. Das ist aber nach jetzigem Stand nicht notwendig. Wichtig sind jetzt vor allem Investitionen, damit Verkehrswege und Kommunikationsnetze modernisiert und die Energie- und Klimawende erfolgreich werden.
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Derzeit wird innerhalb der Bundesregierung über den Bundeshaushalt 2022 und die weitere Finanzplanung diskutiert. Bundesfinanzminister Lindner, der sich selbst kürzlich noch als „Ermöglichungsminister“ bezeichnet hat, wird dabei offenbar immer mehr zum Verhinderer: Laut Presseberichten bremst er Pläne der anderen Ministerien und will alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen.
Lindner hatte bereits in den Koalitionsverhandlungen verlangt, auf Steuererhöhungen – auch für Vermögende – zu verzichten und gleichzeitig ab 2023 die derzeit ausgesetzte Schuldenbremse wieder scharf zu stellen. Auch im laufenden Jahr, in dem noch die Ausnahmeklausel bei der Schuldenbremse gilt, will der Bundesfinanzminister bei der Nettokreditaufnahme nicht über die bereits seit langem geplanten 100 Milliarden Euro hinaus gehen.
Lindners neuer Chefberater, der Ex-Wirtschaftsweise Lars Feld, hat ebenfalls einen möglichst zügigen Abbau des staatlichen Schuldenstands im Auge. Dabei ist dieser in Deutschland trotz Corona nicht nur deutlich niedriger als nach der Finanzkrise, sondern auch viel kleiner als in anderen Ländern (siehe Grafik) und auf einem absolut unproblematischen Niveau. Die Zinszahlungen, die die öffentliche Hand leisten muss, gehen immer weiter zurück.
Es gibt also keinen Grund für einen Sparkurs im aktuellen Haushaltsjahr, allerdings viele Gründe dagegen: Zum einen hat sich die Bundesregierung zu Recht vorgenommen, die 2020er Jahre „zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur“ zu machen. Wenn die veralteten deutschen Verkehrswege und Kommunikationsnetze modernisiert und die Energie- und Klimawende wirklich ein Erfolg werden soll, müssen die öffentlichen Investitionen jetzt hochgefahren und kurzfristig unrentable, aber notwendige Unternehmensinvestitionen gefördert werden.
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Die Wirtschaftsweisen geben in ihrem Jahresgutachten einen Überblick über zahlreiche Untersuchungen, die alle einen zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarf in Höhe eines mittleren zweistelligen Milliardenbedarfs pro Jahr aufzeigen. Die Bundesregierung muss diese Bedarfe sofort angehen, für Zaudern und Zögern ist keine Zeit.
Hinzu kommt die aktuelle Energiepreiskrise: Um die Bürger*innen von den steigenden Preisen zu entlasten, wird die Bundesregierung zusätzlich viel Geld in die Hand nehmen müssen. Und ob die Corona-Krise nicht noch weitere Kosten mit sich bringt, kann niemand garantieren.
Die Umsetzung von Investitionen macht zusätzliches Personal in Planungsbehörden nötig. Beschäftigte im Öffentlichen Dienst brauchen eine bessere Bezahlung. Auch Sozialtransfers müssen mit der Inflation steigen. Geld wird also überall gebraucht. Die Vorstellung, notwendige Investitionen könnten durch Einsparungen anderswo im Haushalt finanziert werden, ist komplett unrealistisch.
Vielmehr muss die Bundesregierung jetzt alle Finanzierungswege voll ausnutzen, die sie hat. Das heißt beispielsweise, dass der vor Kurzem bereits aufgestockte Energie- und Klimafonds im Rahmen des Bundeshaushalts 2022 weiter gestärkt wird, wie es der Koalitionsvertrag anregt. Auch ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse über 2022 hinaus, sollte angesichts der aktuellen Krisen kein Tabu sein.
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