Die Baubranche ist eine Schlüsselbranche bei der Bewältigung der anstehenden Transformation. Schließlich braucht es Investitionen in Infrastruktur, Verkehrswege, Schulen und auch in den sozialen Wohnungsbau. Doch die Bauwirtschaft kommt kaum hinterher. Das liegt vor allem an fehlendem Personal. Es braucht endlich attraktivere Arbeitsbedingungen, um den Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
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Die Baubranche ist eine Schlüsselbranche bei der Bewältigung der anstehenden sozial-ökologischen Transformation. Schließlich müssen Investitionen in Infrastruktur, in neue Verkehrswege, Schulen und auch in den sozialen Wohnungsbau schnell auf den Weg gebracht werden, damit Deutschland zukunftsfähig wird. Doch die Bauwirtschaft kommt kaum hinterher. Aktuell fehlt es oft an Material. Strukturell ist aber vor allem der Mangel an Personal ein wachsendes Problem der Branche: In einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags im Jahr 2020 gaben 55 Prozent der Bauunternehmen an, Stellen nicht besetzen zu können, weil passende Arbeitskräfte fehlten. Ein Jahr später beklagten das schon 66 Prozent (siehe Grafik).
Eigentlich liegt ein Lösungsansatz für dieses Problem auf der Hand: Arbeit am Bau muss attraktiver und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die Arbeitgeber müssten ein eigenes Interesse haben, die Löhne zu stabilisieren und zu stärken – zumal die Arbeitskosten nach Umfragen im Vergleich zum Fachkräftemangel explizit kein großes Problem für die meisten Bauunternehmen darstellen.
Umso mehr erstaunt es, wie sich die Bau-Arbeitgeber verhalten: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sie in den vergangenen Monaten das gewachsene System der branchenspezifischen Mindestlöhne geschleift. Bislang galt am Bau bundesweit mindestens der sogenannte „Mindestlohn I“ für Werker/Hilfsarbeiter in Höhe von 12,85 Euro. Für Fachwerker/Facharbeiter verhinderte in Westdeutschland zusätzlich der „Mindestlohn II“, dass weniger als 15,70 Euro pro Stunde bezahlt wird.
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Früher wurden diese Lohnuntergrenzen in Tarifverhandlungen regelmäßig erhöht. Doch dieses Mal lehnten die Arbeitgeber jeden Fortschritt ab. Ein unparteiischer Schlichter wurde eingesetzt und schlug vor, den Mindestlohn I in den Jahren 2022, 2023 und 2024 um jeweils 60 Cent zu erhöhen. In den Jahren 2025 und 2026 sollte sich die unterste Lohngrenze an der zurückliegenden Teuerungsrate orientieren. Der Mindestlohn II sollte zum Ende dieses Jahres wegfallen. Doch die Bau-Arbeitgeber lehnten Anfang April jetzt sogar diesen Kompromiss ab.
Damit droht der Branchenmindestlohn im Baugewerbe gänzlich wegzufallen. Anwendbar wäre dann nur noch der allgemeine gesetzliche Mindestlohn, der aktuell bei 9,82 Euro liegt. Die Bau-Arbeitgeber öffnen damit nicht nur die Tür für schmutzige Dumping-Konkurrenz und machen ihre eigene Branche unattraktiv für neue Beschäftigte. Sie brechen auch mit einer langen sozialpartnerschaftlichen Tradition: Denn die Baubranche war einmal Vorbild bei den Branchenmindestlöhnen.
Schon vor 25 Jahren – lange vor dem gesetzlichen Mindestlohn – einigten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber dort auf eine Lohnuntergrenze. Auch auf entsandte Beschäftigte war der Branchenmindestlohn anwendbar. Damit wurde eine faire Bezahlung der Beschäftigten und ein fairer Wettbewerb der Baubetriebe garantiert. Wenn die Arbeitgeber diesen Pfad verlassen, sind das Schritte zurück, wo eigentlich Fortschritt nötig wäre.
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