Mitte Juli wird die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins voraussichtlich auf 0,25 Prozent erhöhen und damit die Zinswende einleiten. Das hat die Finanzmärkte in Alarmstimmung versetzt. Damit nicht wieder eine Finanzkrise wie 2010 droht, entwickelt die EZB ein Instrument, das finanzschwache Staaten schützen soll.
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Mitte Juli wird die Europäische Zentralbank den Leitzins voraussichtlich auf 0,25 Prozent erhöhen und damit die Zinswende einleiten. Bereits die Ankündigung einer vorsichtigen geldpolitischen Normalisierung hat Anfang Juni die Finanzmärkte in Alarmstimmung versetzt und den Zinsunterschied (den sog. spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen (den staatlichen Schuldscheinen) deutlich steigen lassen. Damit wurden Erinnerungen an die Krise der Eurozone vor 10 Jahren geweckt.
Die EZB hatte daraufhin klug reagiert und auf einer Sondersitzung Mitte Juni angekündigt, ein neues „Anti-Fragmentierungsinstrument“ zu entwickeln. Sie will damit verhindern, dass die Anleiherenditen zu weit auseinanderlaufen und Staaten wie Italien in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Allein die Ankündigung dieses Instruments beruhigte die Anleihenmärkte vorübergehend (siehe Grafik).
Dennoch wird die Notwendigkeit eines Instruments zur Minderung von Zinsaufschlägen seitdem kontrovers diskutiert. Kritiker*innen behaupten ein solches Instrument würde hochverschuldeten Mitgliedstaaten wie Italien einen Anreiz bieten, sich noch weiter zu verschulden und „Reformen“ zur Stärkung des Wachstumspotentials zu verschleppen. Doch das greift zu kurz.
Denn erstens hat Italien seit Beginn der 1990er Jahre bereits wie kein anderes Land der Eurozone Budgetkürzungen vorgenommen und diverse Arbeitsmarktreformen durchgeführt, mit zum Teil katastrophalen Konsequenzen für die Arbeitnehmer*innen im Land. Zweitens geht es bei dem Instrument der EZB um viel mehr als darum, einem Mitgliedstaat günstigere Finanzierungsbedingungen zu sichern. Es geht um einen Konstruktionsfehler der Währungsunion, der mit dem neuen Instrument zumindest abgefedert werden könnte.
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Denn die EZB agiert anders als andere Notenbanken in einem Umfeld extremer wirtschaftspolitischer Heterogenität. Es gibt 19 verschiedene Staatsanleihen mit unterschiedlichen Kursen und Renditen, divergierende Inflationsentwicklungen und keine einheitliche Fiskalpolitik unter den Euro-Staaten. In einem solchen Umfeld ist es notwendig, Instrumente zu haben, die gewährleisten, dass „die ordnungsgemäße Übertragung des politischen Kurses auf das gesamte Euro-Währungsgebiet erhalten bleibt“, wie es EZB-Chefin Lagarde ausdrückte.
Es geht also darum, die einheitliche Wirkung der Geldpolitik überhaupt erst zu ermöglichen. Andernfalls würden weiter steigende Zinsen in Italien dazu führen, dass die Nachfrage dort wesentlich stärker gedämpft wird als in anderen Teilen der Währungsunion. Die Folge wäre eine Geldpolitik, die in Deutschland für eine zu hohe Inflation und in Italien für zu niedrige Inflation sorgt (inklusive niedrigem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit).
Wichtige Details des neuen Instruments sind noch offen. Dazu zählt die Frage, unter welchen Bedingungen die EZB bereit wäre, Anleihekäufe zukünftig gezielter auszurichten. Trotzdem ist es richtig, dass die EZB diesen Weg einschlägt. Denn sie leistet damit einen wichtigen Beitrag für die Stabilität der gemeinsamen Währung.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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