Die Gesetzesentwürfe der Ampel-Koalition zum Steuerentlastungsgesetz und dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz gehen in die parlamentarische Debatte und sollen Lohnsteuerpflichtige finanziell entlasten. Der DGB kritisiert die geplanten Maßnahmen als mutlos und wird in den bevorstehenden Beratungen auf sozial ausgewogenere Änderungen drängen.
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Mit dem Steuerentlastungsgesetz und dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz gehen in den nächsten Wochen zwei Gesetzentwürfe der Ampel-Koalition in die parlamentarischen Beratungen, die auch die Lohnsteuerpflichtigen finanziell entlasten sollen. Je nach Maßnahme ist jedoch höchst unterschiedlich, wie viele Haushalte davon einen Vorteil haben werden, wie hoch dieser sein wird und wie zielgenau die Entlastung einzuschätzen ist.
So ist die Anhebung des Grundfreibetrages um 363 Euro, der die Steuerfreiheit des Existenzminimums sicherstellen soll, prinzipiell richtig. Im Verhältnis zur Höhe des Verdienstes entlastet er umso mehr, je niedriger das zu versteuernde Einkommen ist. Allerdings soll die Erhöhung gerade nur so groß sein, dass sie der mittlerweile für 2022 erwarteten Preissteigerung entspricht. Um jedoch eine breite Erhöhung der Kaufkraft zu erreichen und um die Defizite bei der Ermittlung des Existenzminimums auszubügeln, müsste die Erhöhung nach dem Steuerkonzept des DGB um mehr als 2.400 Euro höher ausfallen.
Wenig zielgenau ist hingegen die geplante Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages um 200 auf 1.200 Euro, von der alle Steuerpflichtigen einen Vorteil haben, deren Werbungskosten diesen Betrag nicht übersteigen. Dabei wird für diesen Personenkreis eine gleich hohe Belastung unterstellt, was mit der Realität nichts zu tun hat. So zehrt etwa ein durchschnittlicher Gewerkschaftsbeitrag diese Pauschale schon zur Hälfte auf, während ein Nicht-Mitglied gar keine vergleichbaren Kosten zu tragen hat. Deshalb wäre es gerechter, wenn der Gewerkschaftsbeitrag zusätzlich zum bestehenden Pauschbetrag geltend gemacht werden könnte.
Quelle: Finanztableaus der Bundestagsdrucksachen 20/1333 und 20/1111
Zielgenauer wirkt es hingegen, wenn Pauschalen für konkrete Belastungen angehoben werden. So plant die Koalition, die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer für einige Jahre auf 38 Cent anzuheben. Damit würden gezielt die Fernpendler entlastet, die von den stark gestiegenen Kraftstoffkosten besonders betroffen sind. Da diese Pauschale jedoch bei gleich langer Strecke für höhere Einkommen eine stärkere Entlastung bewirkt, ist sie nicht sozial ausgewogen. Deshalb fordert der DGB eine Anhebung und Umgestaltung der Entfernungspauschale in ein Mobilitätsgeld, das dafür sorgt, dass die Entlastung nur noch vom tatsächlich zurückgelegten Arbeitsweg, aber nicht mehr vom Einkommen abhängig ist.
Mit noch kürzerer Frist sollen bis Mitte 2022 die Steuerfreiheit für Zuzahlungen auf das Kurzarbeitergeld und bis Jahresende die Homeoffice-Pauschale abermals nur vorübergehend gewährt werden. Dabei ist längst deutlich geworden, dass in vielen Fällen das Kurzarbeitergeld viel zu niedrig ist und das Arbeiten zu Hause auch über die Pandemie hinaus Bestand haben wird.
Alles in allem fehlt den Gesetzentwürfen der Mut, offensichtliche Defizite dauerhaft zu beseitigen und der Gefahr schwindender Kaufkraft mehr „Wumms“ entgegenzusetzen. Deshalb wird der DGB in den bevorstehenden Beratungen auf sozial ausgewogenere Änderungen drängen, von denen zugleich auch stärkere Impulse für die Stärkung der Kaufkraft der Lohnabhängigen ausgehen.
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